Maria Marc: "Mein Leben mit Franz Marc"

Unverblümte Einblicke in ein Künstlerleben

Der deutsche Maler und Grafiker Franz Marc und seine Frau Maria in oberbayerischer Tracht, aufgenommen noch vor 1914. Mitbegründer des "Blauen Reiters" (1911). Sein wichtigstes Thema war das Tier. In der Begegnung mit Macke und Kandinsky und in der Auseinandersetzung mit Kubismus und Delaunay fand Marc zu einem eigenen Stil. Marc wurde am 8. Februar 1880 in München geboren und starb am 4. März 1916 bei der Schlacht um Verdun im Ersten Weltkrieg.
Der deutsche Maler und Grafiker Franz Marc und seine Frau Maria in oberbayerischer Tracht © picture-alliance / dpa / Karl Schnoerrer
Von Dorothée Brill · 04.03.2016
Sie waren nicht zur Veröffentlichung gedacht: Maria Marcs autobiografische Aufzeichnungen erscheinen jetzt endlich zum 100. Todestag ihres Mannes – und bieten sehr persönliche Einblicke in den Werdegang des Malers Franz Marc.
"Keine Spur von Bohème – das Gegenteil, tipptopp." Es ist ein Urteil erster Güte, das Franz Marc seiner Lebensgefährtin Maria Franck 1910 aus dem Münchener Künstlerviertel Schwabing nach Berlin schreibt. Gerade hatte er August Macke kennengelernt. Es war der Auftakt zu einer engen Freundschaft bis zum Tod der beiden Maler an den Fronten des Ersten Weltkriegs.
Maria Marcs autobiografische Aufzeichnungen aus den 1930er und 1940er-Jahren berichten bildhaft von dieser Künstlerfreundschaft, auch von Franz Marcs erschütternden Zusammentreffen mit Wassily Kandinsky, Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky sowie von den Anfängen des Blauen Reiters. Endlich sind sie gefunden, die Genossen im Geiste, die Marcs künstlerischen Weg nicht nur teilen, sondern ihn vorzeichnen. Hier findet er die Befreiung der Farbe von der Natur, um die er noch ringt. Hier sieht er die Loslösung der Malerei von der Gegenständlichkeit, mit der er noch hadert.

Nie zur Publikation gedachte Niederschrift

Liest man die vielfach überarbeitete, aber nie zur Publikation gedachte Niederschrift mit der Entwicklung von Marcs Œuvre parallel, so wird die Drastik dieser Wende deutlich. Im Dezember 1909 sieht Marc das erste Mal die Werke der ihm gänzlich unbekannten Künstler und schon 1910 entsteht sein unbekümmert farbenstarkes "Pferd in der Landschaft" aus sattem Gelb, Rot, Grün und Blau.
Doch Maria Marcs Aufzeichnungen beginnen nicht mit jener Initialzündung, die ihren Mann zu dem Künstler machte, als den wir ihn kennen. Ihr Anliegen ist ein Porträt des Menschen, mit dem sie seit 1906 – da war sie 30 – eine von vielen Irrungen und Wirrungen durchzogene und doch immer enger werdende Liebe verband. Diese Liebe überstand Marcs tiefe Verbindung zu einer verheirateten Frau, eine Menage-à-trois mit einer Malereiprofessorin und die Scheinehe mit letzterer, die ihr den Zugang zu einem unehelichen Kind aus einer früheren Liaison ermöglichte. Just die Lösung dieser Verbindung durch einen vorgeschobenen Ehebruch drohte die Heirat von Marc und Franck aus gesetzlichen Gründen zu verhindern. Nach Jahren der Auseinandersetzungen schuf der Maler Fakten: Er posaunte die frohe Botschaft der in Wirklichkeit noch ausstehenden Hochzeit einfach per Annonce in die Welt hinaus.

Wachsendes Netzwerk der Moderne

Es gibt viele Gründe, die unziselierten und persönlichen Aufzeichnungen zu lesen, die nun endlich zum 100. Todestag des Malers erschienen sind. Interesse am Werdegang des Künstlers ist der Vordergründigste. Genauso aufschlussreich sind die unverblümten Einblicke in das Leben künstlerischer Geister im umtriebigen München des noch jungen Jahrhunderts. Wir treffen auf das Zusammenspiel von Lebensrealität und Etikette, auf Freigeistigkeit gegenüber bürgerlichen Werten bei gleichzeitiger Ablehnung einer wilden Bohème. Wir lesen vom wachsenden Netzwerk der Moderne, vom Bedürfnis nach theoretischem Austausch und dem Rückzug in ländliche Stille. Wir erfahren von der Dynamik einer unverbrüchlichen Zweisamkeit und dem Reifen am frühen Einbruch des Todes, das die Autorin im Alter zu der Einsicht zwingt, dass – wenn sie wählen könnte – das Leben genauso "bleiben müsse, wie es geworden war."

Maria Marc: "Das Herz droht mir manchmal zu zerspringen. Mein Leben mit Franz Marc"
Herausgegeben von Brigitte Roßbeck
Siedler Verlag, München 2016
192 Seiten, 19,99 Euro

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