Margot Käßmann zum Tod des Theologen Hans Küng

"Ich habe von ihm den aufrechten Gang gelernt"

06:20 Minuten
Ein älterer Mann mit Brille lächelt.
Er suchte das Verbindende der Religionen: Hans Küng, katholischer Priester und Theologe (1928 - 2021). © imago / Mathias Marx
Moderation: Nicole Dittmer · 06.04.2021
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Der Theologe Hans Küng ist mit 93 Jahren gestorben. Margot Käßmann erinnert an den „Visionär“. Schon Ende der 70er-Jahre habe er Debatten um die Zulassung von Frauen zum Priesteramt und die Abschaffung des Pflichtzölibats angestoßen, so die Theologin.
Der Theologe und Kirchenkritiker Hans Küng ist am Dienstag im Alter von 93 Jahren in Tübingen gestorben, wie die Stiftung Weltethos mitteilte. Er sei friedlich in seinem Haus eingeschlafen.
Als kritischer Geist hat Hans Küng die katholische Kirche entscheidend mit geprägt. 1960, mit nur 32 Jahren, wurde der gebürtige Schweizer zum Theologieprofessor in Tübingen berufen. 1979 entzog der Vatikan ihm die Lehrerlaubnis, vor allem wegen seiner Kritik am Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit. Ausgestattet mit einem unabhängigen Lehrstuhl für ökumenische Forschung widmete Küng sich fortan dem Dialog der Religionen und der von ihm gegründeten Stiftung Weltethos.

Debatten um Zölibat und Frauen im Priesteramt

Hans Küng habe schon sehr früh die Themen gesetzt, "die in der katholischen Kirche heute ganz aktuell sind", sagt die Theologin und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann. Bereits in den 1970er-Jahren habe er etwa Debatten um die Zulassung von Frauen zum Priesteramt und die Abschaffung des Pflichtzölibats angestoßen, beides zentrale Forderungen, die heute von der Initiative Maria 2.0 erhoben werden.
In der Stiftung "Weltethos" sieht Käßmann Hans Küngs wesentliches Erbe. Von seinem Versuch, aus den großen Religionen und aus philosophischen Traditionen ein Extrakt zu ziehen, "um unverrückbare ethische Weisungen herauszuarbeiten", gehe eine wichtige Botschaft aus, mit der Küng sie persönlich sehr überzeugt habe, so Käßmann:
"Religionen können auch dazu beitragen, die Welt zusammenzuhalten und nicht - wie viele heute meinen - sie auseinanderzudividieren."

Visionärer Theologe mit klarer Haltung

Hans Küng werde ihr als "liebevoller Mensch und großer visionärer Theologe" in Erinnerung bleiben, sagt Käßmann. Als international geschätzte Kapazität seines Fachs sei er zugleich immer ein Christ geblieben, "der seine Glaubensüberzeugung ganz klar und durchaus einfach ausdrücken konnte, ohne dass Menschen gesagt hätten: Das ist so theologisch, das verstehe ich nicht." Seine innere Haltung sei ihr selbst ein Vorbild gewesen, so Käßmann.
"Ich habe als Studentin von ihm den aufrechten Gang gelernt: Du musst für deine Überzeugungen einstehen, selbst wenn sie in deiner Kirche nicht immer mehrheitsfähig sind."
(fka)
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