Manga Bell

Über einen antikolonialen Helden

Auf einem Militärstützpunkt in der deutschen Kolonie Kamerun wird von in Tropenanzüge gekleideten Männern eine Fahne gehisst (undatierte Aufnahme aus der Kolonialzeit). Von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg war Kamerun eine deutsche Kolonie, dann wurde es 1916 unter Großbritannien und Frankreich aufgeteilt.
Kamerun war von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg eine deutsche Kolonie. Hier wird eine Fahne auf einem Militärstützpunkt gehisst. © picture-alliance / dpa
Von Beate Ziegs · 28.03.2015
Er setzte sich gegen die deutsche Kolonialherren ein: Der Kameruner Manga Bell war zwar ein Bewunderer des deutschen Rechtssystem und kritisierte gerade deshalb, wie sich die Deutschen in seinem Land verhielten. Bezahlt hat er mit seinem Leben. Der Autor Christian Bommarius hat ihm mit seinem Buch ein Denkmal gesetzt.
"Kamerun ist wie eine Kokosnuss", ...
...schreibt Christian Bommarius.
"Wer die Frucht genießen will, muss die Schale sprengen. Mit anderen Worten: Die Handelswege sollen freigeschossen werden. Auch der deutsche Wortschatz profitiert. Der Euphemismus 'Strafexpedition' – zutreffend wäre Feldzug oder Überfall – wird zu einem der bedeutsamsten Substantive der deutschen Kolonialpolitik.“
Ganze Dörfer wurden niedergemacht, sobald sich Protest gegen die brutalen Arbeitsbedingungen auf den Plantagen oder gegen die Verschleppung von Frauen und Kindern regte. Ein anderer Euphemismus, der Einzug in die deutsche Sprache hielt, war der Begriff “Tropenkoller“. Damit war der brachiale Umgang mit der Nilpferdpeitsche gemeint, den die Deutschen in Kamerun pflegten – weshalb die Kolonie auch “Fünfundzwanzigerland“ genannt wurde: die übliche Anzahl von Schlägen für kleinste Vergehen.
Bedrückendes Panorama aus Landraub und Machtneurosen
Christian Bommarius entwirft ein bedrückendes Panorama aus systematischem Landraub, ungezügelten Machtneurosen und bestialischer Willkürherrschaft. Jesko von Puttkamer, der von 1895 bis 1907 Gouverneur von Kamerun war, hatte es so auf den Punkt gebracht:
“[Die Duala sind] das faulste, falscheste und niederträchtigste Gesindel, welches die Sonne bescheinet, und es wäre sicher am besten gewesen, wenn sie bei der Eroberung des Landes wenn nicht ausgerottet, so doch außer Landes verbracht worden wären.“
Christian Bommarius: "Der gute Deutsche"
Christian Bommarius: "Der gute Deutsche"© promo
In dieses Klima hinein wurde 1873 Manga Bell geboren, ein Enkel jenes Königs, der 1884 den “Schutzvertrag“ mit den Deutschen unterschrieb – schon wieder ein Euphemismus, denn um "Schutz“ der Duala oder anderer Völker war es nie gegangen. Der Vertrag enthielt unter anderem die Zusicherung, dass der von den Duala bewirtschaftete oder bebaute Boden deren Eigentum blieb. Außerdem sollte ihr Monopol auf den Handel mit den Buschleuten im Hinterland unangetastet bleiben.
Nichts davon war seitens der Deutschen jemals ernst gemeint. Stattdessen betrieben sie eine rigorose Enteignungspolitik, zu der auch Zwangsumsiedlungen gehörten. Die Duala reichten eine Petition nach der anderen beim Berliner Reichstag ein – vergebens. Zum Ärger des Kolonialamtes verstärkte das nur den Widerstand der Duala.
Kampagne gegen die Enteignung der Duala in Deutschland
Am hartnäckigsten setzte sich Manga Bell zur Wehr. Er war in Kamerun auf die deutsche Regierungsschule gegangen, hatte fünf Jahre als Pflegekind in Aalen gelebt, in Ulm das Gymnasium besucht und hegte große Bewunderung für Deutschland und sein Rechtssystem. Und genau auf Anwendung des Rechts bestand Manga Bell auch gegenüber der Kolonialregierung von Kamerun.
“Vor allem ist es die Wahl seiner Waffen, die ihn für die Kolonialherrschaft zu einem schwer kalkulierbaren Risiko macht. Manga Bell [versteht sich] nicht als Revolutionär oder Freiheitskämpfer. Er beschränkt sich darauf, die Kolonialregierung selbstbewusst immer wieder an einen Rechtsgrundsatz zu erinnern, der ein Prinzip aller europäischen Rechtssysteme bildet: Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten.“
Mit der Hilfe von deutschen Anwälten schaffte es Manga Bell, in Deutschland eine regelrechte Kampagne gegen die Enteignung der Duala zu starten. So etwas hatte es noch nie gegeben – und sollte es auch weiterhin nicht geben. Akribisch schildert Christian Bommarius, mit welcher Perfidie und Unverfrorenheit das Berliner Kolonialamt im Verein mit Spekulanten sowie den “Schutzherren“ in Kamerun Telegramme zurückhielt, falsche Behauptungen aufstellte oder Tatsachen verdrehte, um aus dem passiven Widerstand des Manga Bell das Verbrechen des Hochverrats zu konstruieren. Mit Erfolg: Am 8. August 1914 fand der Prozess statt. Es gab kein Protokoll, keine Verteidiger und kein schriftliches Urteil. Das stand vermutlich von vornherein fest und wurde unverzüglich vollstreckt: Tod durch Erhängen. Zur Abschreckung der Duala blieb der Leichnam Manga Bells drei Tage öffentlich am Galgen hängen.
“Die Aufgabe des Gerichts war nicht, Recht zu sprechen, vielmehr war die Durchsetzung des Rechts mit allen Mitteln zu verhindern,“ lautet das bittere Resümee von Christian Bommarius.
In Kamerun wird Manga Bell als antikolonialer Held verehrt. Mit seinem Buch hat Bommarius ihm nicht nur ein Denkmal in jenem Land gesetzt, das er so bewunderte; er hat zugleich eine Fallstudie über Rassismus, Gier, aufgeblasene Selbstherrlichkeit und politische Stupidität geschrieben, der viele Leser zu wünschen sind – denn mit dem Kolonialismus ist es zwar vorbei, der Rassismus aber hat überdauert.

Christian Bommarius: Der gute Deutsche
Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914
Berenberg Verlag
152 Seiten, 20 Euro

Mehr zum Thema