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Großbritannien und die EU
Cameron unter Druck

Die Verhandlungen des britischen Premierministers David Cameron mit der EU über geplante Reformen ziehen sich in die Länge. Ob das hart erarbeitete Ergebnis am Ende reicht, um die Euroskeptiker im eigenen Land zu überzeugen, ist noch nicht klar - einige halten das Ganze ohne hin für eine abgekartete Sache.

Von Friedbert Meurer | 19.02.2016
    Der britische Premierminister David Cameron beim Besuch der EU-Kommission in Brüssel am 29.01.2016.
    Der britische Premierminister David Cameron beim Besuch der EU-Kommission in Brüssel. (picture alliance / dpa / Laurent Dubrule)
    "Das ist die letzte Chance für einen Deal mit der EU". "Sie können nicht gewinnen, Herr Premierminister". So titeln heute die europaskeptischen Blätter "Times" und "Daily Express". Mit Argusaugen verfolgt die Presse jeden Schritt und selbst – wie die "Daily Mail" – jeden Gesichtsausdruck von David Cameron – das in Falten gelegte Gesicht des Premiers sage doch alles, lauten die großen Lettern auf Seite 1. Der Druck ist hoch. Die Europa-Skeptiker und Gegner zuhause warten nur darauf, dass Camerons vermeintliche Mini-Reform verwässert wird.
    "Ich habe das alles schon erlebt", berichtet UKIP-Chef Nigel Farage, dessen Partei vehement für einen Austritt aus der EU kämpft. "Auch Tony Blair ist schon daran gescheitert damals bei den Agrarverhandlungen. Das Problem ist: Das Wort Reform meint in Brüssel etwas ganz anderes als bei uns. Reform dort bedeutet immer, auf eine engere wirtschaftliche und politische Union hinzuabreiten."
    Die Europakritiker misstrauen Cameron ohnehin, Verhandlungen bis in die frühen Morgenstunden gelten ihnen als abgekartete Sache. Der britischen Öffentlichkeit werde doch bloß ein Schauspiel präsentiert.
    Das Drama von Brüssel – echt oder nur geskriptet? Die meisten Beobachter glauben aber, dass es wohl zu schwierig ist, gleich 28 Staats- und Regierungschefs auf ein Drehbuch hin festzunageln. Der Widerstand der Mittelosteuropäer, vor allem der sogenannten Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn erschwert also Cameron einerseits die Kompromisssuche - andererseits wird er für echt gehalten. Als Hinweis, dass der britische Premier doch eine größere Sache vorantreibt.
    Das Beste aus zwei Welten
    "Lasst uns erst einmal abwarten", springt Energieministerin Amber Rudd ihrem Chef bei. "Die Verhandlungen gehen weiter. Es gibt kein Zeitlimit, sondern es geht darum, das Beste für unser Land zu erreichen. Wir sind noch nicht am Ziel."
    Die konservative Ministerin will damit auch vorbauen, dass es nicht auszuschließen ist, dass der Gipfel jetzt noch keinen Kompromiss findet. Cameron hat genau das den Briten versprochen: Er will sich nur auf einen guten Deal einlassen. Und da dreht sich alles um den Kernpunkt Einwanderung. Gelten die Kindergeld-Kürzungen auch für EU-Migranten, die schon längst eingewandert sind? Werden andere EU-Staaten auch davon profitieren, dass kein oder weniger Kindergeld gezahlt wird für Kinder, die weiter im Herkunftsland leben? Gilt die Notbremse gegen Einwanderung wirklich für 13 Jahre?
    Damian Green, ein Parteifreund Camerons, glaubt nicht an eine weitere Verzögerung. "Wir bekommen das Beste aus zwei Welten. Wir haben nicht den Euro, kontrollieren unsere Grenzen selbst. Aber wir nehmen am Binnenmarkt teil. Der Gipfel wird unsere gute Position noch verstärken."
    In London sind die Kameras in der Downing Street schon aufgebaut. Nach dem englischen Brunch in Brüssel will David Cameron nach einem Durchbruch sein Kabinett zur englischen Teatime einladen. Dann soll – diesmal laut vorhandenem Drehbuch – der Termin für das Referendum bekannt gegeben werden, vermutlich der 23. Juni.