Malta

Kein Zufluchtsort für Flüchtlinge

Burkhard Birke · 13.07.2015
Der Name Malta stammt aus dem Phönizischen und bedeutet Zufluchtsort. Doch wenn Flüchtlinge auf Malta Zuflucht suchen, werden sie in Internierungslagern zusammengepfercht. Das kleine Mittelmeerland setzt in der Flüchtlingspolitik auf Abschreckung.
Kenia, Sudan, Libyen - die junge Somalierin Hafsa Abdurahman zählt die Stationen der Odyssee ihrer Flucht auf, berichtet von Strapazen, Entbehrungen, Flüchtlingslagern und Schleppern. Ihre Stimme klingt gepresst und man spürt unweigerlich, dass sie die traumatischsten Episoden bewusst weglässt.
Immer wieder musste auch die Familie, der Clan im fernen Somalia Geld auftreiben, damit der Traum vom vermeintlich besseren Leben nicht schon im heißen Saharasand an der lybischen Grenze endet.
Hafsa Abdurahman hat es am Ende mit einem der zahlreichen Flüchtlingsboote nach Malta geschafft, hatte Glück, dass für sie das Mittelmeer nicht zum Grab wurde. Hafsa hoffte auf eine zweite Chance und bleibt Hoffnung ihres Clan, dem sie Geld aus dem wohlhabenden Europa schicken soll. Jetzt scheinen ihre Träume am harten grauen Felsen der Insel Malta zu zerschellen.
Leben in Containern
Sie lebten eng zusammengepfercht in Containern. Sie und die anderen Frauen hätten Angst, nachts zur weit abgelegenen Toilette zu gehen, berichtet Hafsa Adurahman, die jetzt schon den offiziellen Status eines Flüchtlings besitzt. Vorausgegangen waren Monate in einem sogenannten detention camp, einem regelrechten Internierungslager. Eine Stunde Freigang am Tag, keine Kommunikation mit außen, in Handschellen zum Arztbesuch. Bis vor kurzem wurden selbst Kinder und Schwangere in solche Lager verbannt.
18 Monate kann die Internierung illegaler Immigranten laut maltesischer Gesetzgebung dauern, solange eben wie das Anerkennungsverfahren läuft.
Lyster und Safi sind die beiden großen Internierungslager:
"Von Flüchtlingsnotstand kann auf Malta momentan keine Rede sein. Die Zahlen der Neuankömmlinge sind stark zurückgegangen, da in den letzten Jahren die meisten Flüchtlinge nach Italien und nicht nach Malta gebracht wurden. Die Lager sind deshalb auch nicht überfüllt und die Behörden haben die Lage einigermaßen im Griff."
2015 erst 95 Flüchtlinge
Berichtet Neil Falzon von der Hilfsorganisation ADITUS. Nur ein knappes Dutzend Illegaler wird laut UNHCR, der UN-Flüchtlingsorganisation, in Safi festgehalten, auf ihren Status überprüft. Lediglich 94 Flüchtlinge strandeten in Malta bisher in diesem Jahr verglichen mit jeweils rund 68.000 für Italien und Griechenland. Zusätzlich wurden rund 600 Asylsuchende registriert, die regulär mit Papieren einreisten.
Wirkt die Abschreckung? Ist Nomen nicht Omen? Denn der Name Malta stammt aus dem Phönizischen und bedeutet Zufluchtsort! Betroffene wie der junge Malier Lebakare Kilarore, der den Kriegswirren seiner Heimat entflohen ist, können darüber allenfalls müde lächeln.
"Hier sind sie rassistisch. Die mögen die Schwarzen nicht. Wir brauchen Papiere, um nach Europa weiterzureisen."
Nur das Allernötigste zum Leben
Lebakare Kilarore lebt im offenen Lager unter prekärsten Bedingungen. Der Staat Malta sorgt zwar für die Unterkunft im Massenlager und für das Allernötigste: 130 Euro erhalten die Flüchtlinge im Monat zum Überleben. Windeln etwa gibt es jedoch nur für Kinder bis sechs Monate, Arbeiten darf nur, wer einen Arbeitgeber findet.
"Malta hat Platz und sollte ein Herz für Flüchtlinge haben" ,fordert der Anwalt Neil Falzon von der Menschenrechtsgruppe ADITUS. Falzon und andere wie Pater Mark John Cachia vom Jesuitischen Flüchtlingsdienst JRS kämpfen für die Rechte der Gestrandeten, leisten das, was der Staat nicht bietet: psychologische und soziale Betreuung der meist Traumatisierten.
"Eine drastische Verkürzung der Internierungszeit", fordert Pater Cachia und eine Integrationspolitik.
"Malta hat keine Integrationspolitik", beklagt auch Neil Falzon, "Flüchtlinge wollen nicht hier bleiben. Das ist die Einstellung der Regierung, die seit der Ankunft der ersten Boote 2002 nach der Devise handelt, wir sollten ihnen helfen nach Deutschland, Schweden , Großbritannien, in die USA und in andere Länder zu gelangen."
Und das gelingt auch: Interessanterweise nehmen die USA Malta eine nicht unbeträchtliche Zahl an Flüchtlingen ab: Zyniker behaupten mehr als die EU.
Fast 20.000 Flüchtlinge kamen in den vergangenen zwölf Jahren auf die Insel, ein Drittel ist geblieben. Zuviel für 425.000 Einwohner auf der Fläche Münchens? Natürlich viel im europäischen Vergleich.
Warten auf die zweite Chance
Malta wünscht deshalb mehr Solidarität anderer EU Staaten, will die Regel, wonach das Erstaufnahmeland in der EU für Asylbewerber zuständig bleibt, kippen und favorisiert eine Quotenregelung. Die lässt weiter auf sich warten. Und so bleibt nur die Hoffnung, dass die jüngsten Meldungen stimmen, wonach die maltesische Regierung einen Gesetzentwurf nach EU Recht plant und endlich die unmenschliche Internierung in Lagern abstellt oder zumindest zeitlich verkürzt. Denn der Zufluchtsort Malta ist für Flüchtlinge wie Hafsa Abdurahman, Lebakare Kilarore oder Yasmine zum Ort der Verzweiflung geworden.
Sie erzählen von ihrem Schicksal, von Bürgerkrieg, Gewalt, Tod, Zwangsheirat und Verfolgung und warten auf Malta vergebens auf eine zweite Chance im Leben.
Mehr zum Thema