Malerei mit unfreiwilliger Leiche

Rezensiert von Edelgard Abenstein · 14.02.2006
1668 in den Niederlanden: Der 17-jährige Samuel Bol träumt davon, ein berühmter Maler zu werden und beginnt bei seinem großen Vorbild Rembrandt eine Lehre. Doch der Künstler hat gesundheitliche und finanzielle Probleme, seine Glanzzeit ist vorüber. Da erhält er einen unverhofften, lukrativen Auftrag - ein Porträt des bekannten Anatomen van Campen bei der Arbeit. Der hat allerdings für das Bild eine unfreiwillige Leiche besorgt.
Die Welt begeht augenblicklich nicht nur das Mozart- und das Heine-Jahr, es steht uns auch am 15. Juli 2006 der 400. Geburtstag des größten Genies der niederländischen Malerei, Rembrandts van Rijn, bevor. Kein Wunder, dass dies Ereignis auf dem Buchmarkt seine Schatten vorauswirft, mit neuen Biografien, Werkanalysen und kulturhistorischen Abhandlungen.

Natürlich fehlen dabei auch nicht die leichtergängigen Genres, wie das des historischen Romans, die den Vorteil haben, neben Fakten auch mit frei Erfundenem jonglieren zu dürfen.

"Der Gehilfe des Malers" erzählt die Geschichte des aus einer ärmlichen Familie stammenden 17-jährigen Samuel Bol, der 1668 zu Rembrandt in die Lehre kommt. Der Meister, damals zwar noch immer berühmt, lebt nach manchen Schicksalsschlägen, krank und desillusioniert, in kargen Verhältnissen. Samuel, nicht nur ein begabter Schüler, steht seinem Lehrer wacker zur Seite, leiht ihm sogar seine malende Hand, als Rembrandt einer vorübergehenden Lähmung wegen ein Bild nicht selbst fertig stellen kann.

Er assistiert dem Meister auch, als der einen lukrativen Auftrag erhält: Rembrandt soll, wie schon früher, eine Leichenöffnung auf der Leinwand dokumentieren und damit seinem Auftraggeber, einem eitlen Arzt, zu einem Porträt für die Ewigkeit verhelfen. Zu spät, das Bild steht kurz vor seiner Vollendung, muss der Meister erkennen, dass für dies Werk ein Mensch geopfert wurde - allein zum Ruhme der Wissenschaft und auch der Kunst. Aus Gram darüber stirbt er.

Samuel, ganz Diener seines Herrn, der sich nebenbei auch noch in dessen Tochter verliebt hat, zerstört das Bild, und er erkennt, dass die Malerei nicht immer das Wichtigste an einem Menschen, sein Wesen, darzustellen vermag. Fortan widmet er sich dem Genre des Stillebens.

Alexandra Guggenheim folgt in ihrem ersten Roman dem bewährten und durchaus tragfähigen Muster des historischen Romans, sie stellt Zustände aus dem 17. Jahrhundert mit teils historischen, teils erfundenen Figuren dar, die auch für die Gegenwart noch von Belang sind, mit einer frei gestalteten Liebeshandlung und gelegentlichen Auflockerungen durch genrehafte Einlagen wie das Eislaufvergnügen im Winter, Kirmes, Jahrmarkt und üppige Tafelfreuden.

Daneben flicht die promovierte Kunsthistorikerin geschickt Details über die Malweise Rembrandts ein, seine Farbmischungen und den Farbauftrag, auch das Geheimnis seines Hell-Dunkels wird als technische Meisterleistung enthüllt und leichthin veranschaulicht. Tatsächlich spielt die Autorin darin, wie es das Genre erfordert, die Rolle der Mittlerin zwischen Historie und Publikum.

Leider wird jedoch das Versprechen einer krimiverdächtigen Variante des Geschehens, wie sie der Klappentext ankündigt, in keiner Weise eingelöst. Vielmehr erzählt die Autorin nur in einer einzigen Dimension, brav nach vorne, es gibt keine irritierenden Nebenhandlungen, keine Sackgassen, viele Wendungen lassen sich im Voraus ahnen. Die Charaktere zeigen wenig Abgründiges.

Blass bleibt insbesondere die Figur des berühmten Malers, nichts zu spüren von dem Temperament eines Außenseiters, der sich, eine Art Bauer, einst Vagabunden und Landstreicher ins Atelier holte, sich frech und koboldhaft mit der Amsterdamer Gesellschaft anlegte, und von überbordendem Selbstbewusstsein sich für unangreifbar hielt. Auch nach seinem Sturz müsste doch von diesem Naturell noch etwas spürbar sein, von der Kraft eines Genies, das uns bis heute in seinen Bildern fesselt.


Alexandra Guggenheim: Der Gehilfe des Malers
Ein Rembrandt-Roman
Kindler-Verlag 2006,
268 Seiten, 19.90 Euro