Mahlzeit

Für eine gute Mischung

Mehrere Flaschen Limonade verschiedener Sorten stehen am 21.02.2014 im Lager der Thüringer Waldquell Mineralbrunnen GmbH in Schmalkalden (Thüringen). Das Unternehmen ist Markenhalter von Vita Cola und beschäftigt derzeit 130 Mitarbeiter. Unter der Traditionsmarke werden mittlerweile drei Colasorten, ein Cola-Mix und vier Limonaden hergestellt.
Bromiertes Pflanzenöl sorgt dafür, dass Aromastoffe in Limonaden gleichmäßig verteilt werden. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Udo Pollmer · 18.07.2014
In den USA sind bromierte Pflanzenöle ein beliebter Zusatzstoff für Limonaden, in der EU sind sie verboten. Trotzdem kommen sie in Lebensmitteln vor, wie neue Untersuchungen zeigen. Warum bloß?
Unsere Lebensmittelindustrie ist Hüterin von vielerlei Geheimnissen. Manche lassen sich bei der Lektüre von Etiketten immerhin erahnen. Zu den Mysterien der Zutatenlisten zählen so kuriose Begriffe wie die "Fruchtzubereitung", ein Produkt das primär aus Zubereitung und weniger aus Früchten besteht oder der "Limonadengrundstoff", wohl um den Unterschied zu den Limonadenaufbaustoffen wie Wasser und Zucker deutlich zu machen.
Unlängst haben Stuttgarter Lebensmittelchemiker Limonaden untersucht und prompt fanden sie darin einen unerwarteten Zusatz, nämlich sogenannte bromierte Pflanzenöle. Bromierte Pflanzenöle sind in Deutschland verboten – weil sie sich im menschlichen Fettgewebe und damit auch im Nervengewebe anreichern. Und weil es zumindest einen dokumentierten Fall gibt, bei dem sich ein Kunde mit so einem alkoholfreien Magenspüler im wahrsten Sinne des Wortes blöd gesoffen hat.
Die Ware stammte ursprünglich aus den USA. Dort ist der Zusatzstoff ebenso legal wie beliebt, nicht nur in Soft Drinks sondern auch in anderen Lebensmitteln wie Gebäck. Aus Sicht der US-Behörden ist der Stoff ungiftig, auch deshalb weil der genannte Patient nach Absetzen der Limoflasche wieder vollständig genas.
Der Trick: Weighting Agents
Wozu in aller Welt braucht man bromiertes Pflanzenöl? Man benötigt es, um die Aromastoffe gleichmäßig im Getränk zu verteilen. Zitrusöle, die aus den Schalen von Orangen und Zitronen gewonnen werden, sind nicht mit Wasser mischbar. Sie würden oben in der Flasche wie ein Fettauge schwimmen. Um sie gleichmäßig im Getränk zu verteilen, greift man zu einem physikochemischen Trick.
Man passt die Dichte der Aromamischung an die Dichte des Getränks an. Zu diesem Zweck lässt man Sojaöl mit Brom reagieren. Da Brom viel schwerer ist als Öl oder Wasser, lässt sich damit das Gewicht des Öles erhöhen. Deshalb heißen solche Zusatzstoffe fachsprachlich Weighting Agents, abgeleitet vom englischen Wort für Gewicht. Wörtlich übersetzt wären es "Stoffe zum Beschweren".
Diese Weighting Agents vermischt man nun mit den Zitrusölen, bis die Mischung exakt die gleiche Dichte hat, wie die restliche Limo aus Wasser, Zucker, Säuren, Farbstoff usw. Die bromierte Öl-Aroma-Mixtur wird homogenisiert bis sich winzige Tröpfchen bilden. Die verteilen sich jetzt gleichmäßig im Zuckerwasser und bleiben in der Schwebe. Da sie aber nicht wirklich löslich sind wie der Zucker, sondern weiterhin aus winzigen Tröpfchen bestehen, entsteht eine Trübung. Das ist das Geheimnis der vermeintlich "naturtrüben" Limonaden.
Wurzelharz als Quelle
In Deutschland verwendet man andere Weighting Agents, namentlich SAIB, ausgeschrieben heißt das Saccharoseacetatisobutyrat. Daneben kommen auch Johannisbrotkernmehl und Glycerinester aus Wurzelharz zum Einsatz. Beim Saccharoseacetatisobutyrat handelt es sich – wie es sich für ein Trübungsmittel gehört – um ein undurchsichtiges Stoffgemisch, dessen Zusammensetzung je nach Anwendung variiert.
Nicht minder kurios sind die "Glycerinester aus Wurzelharz". Das Wurzelharz heißt auch Kolophonium oder Geigenharz. Es ist der gelblichbraune Rückstand, der bei der Gewinnung von Terpentinöl übrig bleibt. Das Terpentin wird aus alten Kiefernstümpfen gewonnen. Damit daraus Glycerinester werden, lässt man die Wurzelharzsäuren aus dem Terpentin-Rückstand mit Glycerin reagieren.
Rein rechtlich sollten für Limos nur alte Kiefernstümpfe verwendet werden, doch ist die Verlockung groß, auch mit verwandten Rohstoffen im Trüben zu fischen. Beispielsweise mit Tallöl, ein Rückstand, der bei der Papierherstellung anfällt. Doch wer mag sich schon über Beschwerungsmittel beschweren, wenn er so die Ökobilanz einer Papiermühle und damit auch seiner Bibliothek verbessert? Mahlzeit!


Literatur
Maier L et al: Bestimmung von bromierten Pflanzenölen in Erfrischungsgetränken. Lebensmittelchemie 2011; 65: 120
Horowitz BZ: Bromism from excessive cola consumption. Journal of Toxicology - Clinical Toxicology 1997; 35: 315-320
Shachman M: The Soft Drinks Companion. CRC Press, Boca Raton 2005
Eastman: Eastman SustaneTM SAIB, Food Grade. Firmenschrift 2010
Uematsu Y et al: Determination of sucrose esters of fatty acids in food additive premixes by gas chromatography and confirmation of identity by gas chromatography/mass spectrometry Journal of AOAC International 2001; 84: 498-506
EFSA: Scientific opinion on the safety of glycerol esters of gum rosin for the proposed uses as food additive. EFSA Journal 2010; 8: e1654
Chanamai R, McClements DJ: Impact of weighting agents and sucrose on gravitional separation of beverage emulsions. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2000; 48: 5561-5565
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