Magier-Nachlässe

Zaubertricks vor dem Vergessen retten

Der französische Magier Fred Chi Poque während eines Auftritts auf dem First Golden Magic XXI International Festival of Magicians in der Moskauer Crocus City Hall.
Der französische Magier Fred Chi Poque während eines Auftritts auf dem First Golden Magic XXI International Festival of Magicians in der Moskauer Crocus City Hall. © picture alliance / dpa / Vitaliy Belousov
Von David Philipp Rümelin  · 10.10.2015
Die Münsterländer Uwe Schenk und Michael Sondermeyer kümmern sich um die Nachlässe ihrer Zaubererkollegen. In Berlin treffen sie die Witwe eines kürzlich verstorbenen Magiers - und stöbern zwischen Magierstäben und Zauberkästen nach Entdeckungen.
Sigrid Rückert: "Es wirkt ein bisschen durcheinander und voll alles, aber ich denke man, sie werden ihren Spaß dran haben!"
Das werden Uwe Schenk und Michael Sondermeyer bestimmt. Gemeinsam mit Sigrid Rückert durchstöbern die beiden Zauberkünstler aus dem Münsterland das Haus der Magierwitwe in Berlin-Neukölln – auf der Suche nach aufregenden Zaubertricks aus dem Nachlass ihres verstorbenen Mannes, dem bekannten Berliner Zauberer Peter Rückert:
"Ich hab ja nicht alles mitbekommen, was er gekauft hat. Das heißt: Ich war dann manchmal selber überrascht nach seinem Tod, wie viel das war, und dass mir das so entgangen ist! Ich war wirklich baff, in welchen Schränken und Ecken alles Zaubersachen sind!"
Holzgetäfelte Wände, an der Decke ein Tigerkopf – das Haus wirkt wie die Kulisse eines Edgar-Wallace-Films – nur in Farbe. Zauberer Uwe Schenk, Ende 50, gemütliche Figur und grauer Zauselbart, entdeckt auf einem Sideboard eine verstaubte, zigarrenkistengroße Holzschatulle mit Ornamenten:
"Das ist ein alter Zauberkasten, Mitte des 19. Jahrhunderts, 1850, 1860, in dem für die damalige Zeit typisch gedrechselte Holzkunststücke waren."
Spannend: In dem 150 Jahre alten Zauberkasten finden sich im Prinzip dieselben Utensilien – Zauberstab, Seile, Münzen – wie in heutigen Zauberkästen. Nur eben nicht aus Plastik.
"Hui! Das ist toll!"
Zauber-Barbiepuppe aus den 70ern
Der Verkauf der Hinterlassenschaften fällt Sigrid Rückert schwer. Aber jetzt, mehr als ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, ist es Zeit, sich zu trennen, um abzuschließen. Die Leidenschaft fürs Zaubern hat sie selber nie gepackt:
"Wissen sie, beim Mann ist der Spieltrieb wesentlich ausgeprägter als bei der Frau. Ab einem bestimmten Alter beschäftigt die sich lieber mit anderen Dingen. Und bei den Männern ist das wesentlich ausgeprägter! Und genauso ist es bei den Zauberern, weil: Die haben viel mehr Spaß daran!"
Wobei: An der pinkfarbenen Zauber-Barbiepuppe, die in einem Regal im Wintergarten steht, hatte die Magierwitwe immer ihre Freude. Nur: Leider ist dieser Trick aus den 70er-Jahren nicht mehr vorführbar:
"Es gibt echt Schwierigkeiten, die passenden Batterien zu bekommen! Wenn Sie funktioniert, dann schwebt sie! So wie die schwebende Jungfrau, die der Zauberkünstler auf der Bühne mit Assistentin vorführt, schwebt diese Barbie hoch! Und die Barbie eignet sich natürlich hervorragend, weil sie aussieht wie eine Zauberassistentin: Sie ist dünn, sie ist blond – und würde theoretisch in jede Kiste reinpassen!"
Michael Sondermeyer, ein schmaler Mann mit Lesebrille auf der Nase und Bleistift hinterm Ohr, hat im Moment keine Augen für die Zauberpuppe. In einer Vitrine hat er gerade eine kleine Sensation entdeckt:
"Das ist Glorias Triumpfröhre!"
Glorias Triumphröhre ist aus glänzendem Metall, etwas größer als eine Küchenrolle – und gehörte einst dem berühmten Zauberer Kalanag – einem deutschen Magierstar der 50er-Jahre.
"Das ist eine durchsichtige Röhre, und aus dieser Röhre erscheinen dann Tücher, die auch seit Ende der 50er-Jahre da drin sind."
Michael Sondermeyer zeigt, wie der Trick funktioniert. Er hält die Röhre wie ein Fernrohr vor sich und zeigt, dass sie leer ist. Dann greift er hinein und zieht – simsalabim – nacheinander bunte Tücher heraus:
"Man muss ihnen zugute halten, dass sie zerknittert sind! – (Reporter) Ist das was für ihr Zaubermuseum? –(Michael Sondermeyer) Ja, genau!"
Zauberspiegel hinter den Kulissen
Uwe Schenk, hauptberuflich Pädagoge, und Michael Sondermeyer, professioneller Zauberer, haben sich 1989 auf einem Magierkongress kennengelernt:
"Wir haben relativ schnell angefangen, Tricks zu entwickeln, zusammenzuarbeiten – und haben dann auch das erste Buch zusammengeschrieben! Wir haben festgestellt, dass wir uns ergänzen! Mit dem Wissen, dass jeder Einzelne das nicht geschafft hätte!
"Dann wollen wir mal in hinteren Bereich gehen, der den normalen Gästen vorenthalten ist – und nur den Künstlern vorbehalten ist!"
Der letzte Akt der Zaubertour – das rot-plüschige Varieté-Theater "La vie en rose" im alten Flughafen Tempelhof. Das gehörte dem verstorbenen Zauberer, und Magierwitwe Sigrid Rückert betreibt es nun weiter. Hier hoffen Uwe Schenk und Michael Sondermeyer auf Entdeckungen im Großformat.
"Eine Illusion ist besonders schön! Kann ich aber nicht so genau erklären! Das ist der Zauberspiegel! Der hat den Effekt aufs Publikum, dass jemand durchgehen kann, aber ich hab auch jemanden – Mondini kommst Du mal bitte – kannst Du den Herren mal erläutern, wie der Spiegel funktioniert?"
Hans-Jürgen Mond alias Mondini ist der Nachfolger des verblichenen Zauberers. Wenn einer weiß, wie man in dem riesigen Spiegel verschwinden kann, dann er:
"Am besten, ich dreh den mal um!"
Mondini zieht den an die Wand gekippten Spiegel nach vorn...
"Ahhhh! Achtung, Achtung!"
...und fast wäre ihm die Großillusion auf den Kopf gefallen. Ein schlechtes Omen. Der alte Zauberer hat sein Geheimnis offensichtlich mit ins Grab genommen.
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