Machtstrukturen im Theater

Die Alleinherrschaft der Intendanten abschaffen

10:10 Minuten
Außenansicht der Berliner Volksbühne aus der Froschperspektive von der Rasenfläche davor.
Theater wie die Berliner Volksbühne bräuchten mehr Kontrolle durch die Mitarbeitenden, sagt Theatermanagement-Professor Thomas Schmidt. © picture alliance/dpa/Britta Pedersen
Thomas Schmidt im Gespräch mit Vladimir Balzer · 15.03.2021
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Der Rücktritt des Volksbühnen-Intendanten Klaus Dörr verdeutliche das Problem des "Ein-Personen-Regimes" am Theater, sagt Theatermanagement-Professor Thomas Schmidt. Gremien mit Beteiligung der Mitarbeitenden seien der Zukunftstrend.
Nachdem ihm mehrere Frauen sexualisierte Grenzüberschreitung vorgeworfen hatten, hat der Intendant der Berliner Volksbühne, Klaus Dörr, seinen Posten abgegeben. Für die gegen ihn erhobenen Vorwürfe übernehme er die komplette Verantwortung und gebe sein Amt im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Kultur und Europa auf, wurde Dörr in einer Mitteilung zitiert.

Zu viel Macht für eine Person

Für Thomas Schmidt, Professor für Theatermanagement an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt, zeigt sich in dem Fall ein strukturelles Problem: "Die grundlegende Machtstruktur ist ja die des Einzelintendanten, der einzelnen Intendantin, die so viel Macht auf sich konzentrieren , dass es kaum noch jemanden gibt von den Mitarbeiterinnen, die sich wagen, irgendetwas zu sagen". Dabei seien normalerweise die Mitarbeitenden in Unternehmen die "ersten Kontrollinstanzen". Schmidt hatte 2019 in seinem Buch "Macht und Struktur im Theater. Asymmetrien der Macht" eine Studie zu Macht im Theater mit 2000 Teilnehmenden ausgewertet.
Leider würde in solchen Fällen auch eine Einrichtung wie "Themis" für die Opfer von sexueller Belästigung und Gewalt in Theater, Film und Fernsehen nicht wirklich helfen. Denn: "Themis steht auf staatlichen Füßen, und eine solche Institution muss absolut unabhängig sein. Wenn der Bühnenverein hier mitwirkt als eine Trägerstätte, dann ist mir das einfach viel zu nah am Geschäft", erklärt Schmidt.

Vielfältigkeit des Theaters repräsentieren

Vielmehr müssten solche Anlaufstellen und auch die Theater selbst wie NGOs aufgebaut werden. "Die Handschrift des Theaters ergibt sich aus der Summe, aus der Vielfalt der musikalischen, der tänzerischen, der Regie-Handschriften im Schauspiel", so Schmidt. "Und wenn all das zusammenkommt, wird es durch eine kluge Dramaturgie und eine kluge Theaterleitung, die aus mehreren Köpfen bestehen sollte, zusammengebunden und präsentiert." Das sei die Lösung aus der Sackgasse des "Ein-Personen-Regimes".
Ein Modell eines solchen "Direktoriums" könne vier- bis achtköpfig sein, je nach Größe des Theaters, und würde sich "aus einem geschäftsführenden Direktor, einer Chefdramaturgin, einer künstlerischen Leiterin, die sozusagen das Gesamtkonzept zusammenhält, der technischen Leitung, dem Marketing und PR und dann einer Vertretung der Mitarbeitenden" zusammensetzen.

Kontrolle der Theaterarbeit durch die Mitarbeitenden

"Ich denke, das ist ganz, ganz wichtig in dieser Phase, dass die Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, an den Tagesentscheidung des Theaters teilzuhaben und somit auch die Arbeit der Theater zu kontrollieren", sagt Schmidt, und es gebe auch schon erfolgreiche Beispiele:
"Schauen Sie sich das Schauspielhaus in Zürich an oder das Theater Gessnerallee oder das Theater am Neumarkt: jeweils drei Direktorinnen, die übrigens die besten Programme machen, die ich überhaupt seit Langem erlebt habe."
Das sei ein Trend, der sich fortsetzen werde - mit "Intendantinnen einer jüngeren Generation, die vielleicht selbst gelitten haben unter diesen Alleinherrschern".
(kpa)
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