"Machen Sie, dass es aufhört!"

Silvia Fauck im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 07.10.2011
Wenn Liebeskummer nicht schnell genug behandelt werde, kann er zu einer ernsthaften Krankheit werden, sagt die Psychologin Silvia Fauck. Sie hat sich auf die Therapie von Herzschmerz spezialisiert und kann aus Erfahrung sagen: Männer sind sehr gute Schüler.
Liane von Billerbeck: Bei mir im Studio ist jetzt Silvia Fauck, sie ist Psychologin und Therapeutin und hat sich darauf spezialisiert, Menschen zu helfen, die unter akutem Liebeskummer leiden. Und sie hat auch Bücher darüber geschrieben. Vor sechs Wochen ist ihr Ratgeberbuch für Jugendliche erschienen: "SOS Herzschmerz" heißt es, und da ist ein Herz aus Stecknadeln drauf. Frau Fauck, herzlich willkommen!

Silvia Fauck: Ja, vielen Dank für die Einladung!

von Billerbeck: Wie kommt eine wie Sie darauf, eine Praxis für Liebeskummerkranke zu eröffnen? Waren Sie selbst Ihre erste Patientin?

Fauck: Ja, ich war meine erste Patientin, und das sehr lange. Ich muss aber dazu sagen, ich hatte – ich komme ja aus Hamburg – ich hatte schon eine psychologische Beratungspraxis für alltägliche Liebes-, Lebensprobleme, will ich eher sagen, die der Alltag uns so beschert. Und als ich die Praxis ein Jahr hatte, hatte ich selber Liebeskummer, der sehr lange gedauert hat, der unvorbereitet auf mich zukam, …

von Billerbeck: Wie das so ist im Leben.

Fauck: … wie das oft so ist, und da habe ich dann überlegt, dass es sicherlich vielen anderen Erwachsenen – ich wurde ja damals schon fast 50 – auch geht, und habe keine Anlaufstelle gefunden. Und das war sicherlich der erste Gedanke, sowas eventuell mal zu machen.

von Billerbeck: Wer kommt den zu Ihnen, sind das mehr Männer oder mehr Frauen?

Fauck: Es ist wellenweise, aber es gibt auch Zeiten, da sind mehr Männer in der Praxis, aus dem einfachen Grunde, weil Männer nicht in ihrem Umfeld darüber sprechen, sondern das lieber dann …

von Billerbeck: … auslagern?

Fauck: … hinter verschlossener Tür machen. Ein Mann geht nicht in sein Büro und sagt: Meine Güte, ich habe so einen Liebeskummer!

von Billerbeck: Er kommt zu Ihnen und sagt: Bringen Sie das in Ordnung, holen Sie mal den Schraubenschlüssel und reparieren Sie das.

Fauck: Das sagt er nicht ganz so, aber ich glaube, er hätte es gerne so. Also bei mir ist eher der Satz: Machen Sie, dass es aufhört! Aber ich muss dazu sagen, ich bin ja sehr, sehr oft auf der Seite der Männer, obwohl natürlich auch ein Mann mein Herz gebrochen hat, denn Männer sind sehr gute Schüler, muss ich sagen.

von Billerbeck: Aha! Was machen Sie denn, dass es aufhört?

Fauck: Ja, das kommt immer auf die jeweilige Geschichte an, weil jeder Klient ist einzigartig, jede Geschichte ist einzigartig, das glaubt man gar nicht, dass das Feld so breit ist. Und ein Stück weit kommt ja auch immer noch die Einzigartigkeit dazu, wie war dieses Verhältnis? Warum war die Trennung? Da gibt es eine Menge, die man aufdröseln muss. Und wenn man das geschafft hat, ist es oft, dass ein Klient schon versteht, warum er auch verlassen wurde. Oft kommen die Leute ja und wissen gar nicht, warum jetzt Schluss war.

von Billerbeck: Sind die Menschen in so einer Situation, in der sie todunglücklich sind und Liebeskummer haben, eigentlich Argumenten zugänglich und vor allen Dingen Argumenten, die auch auf ihren eigenen Anteil an diesem Verlust verweisen?

Fauck: Die Menschen, die dann bis in meine Praxis kommen, das ja auch freiwillig, die wollen dann auch von mir das Feedback, den Ratschlag, die Tipps, ja, die sind sehr beratungsfähig, das kann ich nicht anders sagen.

von Billerbeck: Gibt es eigentlich auch so was wie Notfälle? Das heißt, ruft man Sie mitten in der Nacht an und schreit dann Hilfe?

Fauck: Das ist selten, dass jemand mitten in der Nacht anruft. Das passiert schon mal spät abends, noch eher ganz früh morgens, weil der Liebeskummer lässt einen ja nicht durchschlafen und man liegt dann ab vier wach mit Herzklopfen. Also morgens um sieben klingelt schon mal das Telefon, dass die Menschen in Panik anrufen.

von Billerbeck: Eine Soziologin, eine israelische, hat mal gesagt, der Liebesschmerz sei kein individuelles oder biologisches, sondern ein soziologisches Phänomen, also abhängig von den gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen wir leben. Ist es trotzdem auch etwas Medizinisches? Wie äußert sich Liebeskummer?

Fauck: Liebeskummer ist, wenn er beginnt, nichts Medizinisches, weil es hat ja ausschließlich etwas mit dem Gefühl zu tun. Wenn man seinen Liebeskummer aber nicht schnell in den Griff kriegt, kann es unbedingt etwas Medizinisches werden, denn Amerika ist ja auch in der Hinsicht uns voraus, da ist ja dieses Broken Heart Syndrome erforscht, der Herzinfarkt aus Liebeskummer oder vor Liebeskummer oder wie auch immer man es ausdrücken möchte.

von Billerbeck: Man könnte ja auch sagen, das ist eine Arbeits-Beschaffungs-Maßnahme für Psychologen.

Fauck: Das würde ich nicht sagen, weil ich selber habe ja an meinem Liebeskummer fünf Jahre gelitten und hatte in diesen fünf Jahren jede Krankheit, wo ich vorher gar nicht wusste, dass es so was gibt. Ich wusste vorher nicht, dass ich eine Galle hatte, wusste ich erst, als sie voll mit Steinen war, und ich hatte vorher nie Beschwerden. Also ich glaube, das unterschätzt man, wenn man selber nicht tief in der Scheiße gehangen hat.

von Billerbeck: Erwischt er uns eigentlich alle, oder wie ist das? Sollte man sich ein bisschen zusammenreißen oder sagen, dein Herz könnte tatsächlich zerbrechen an so einem Schmerz?

Fauck: Das sind ja schon vier Fragen in einer Satzstellung. Als erstes muss ich sagen, es kann jeden treffen, es kann jeden treffen, der verliebt war. Wenn ich nicht in der Liebe bin, kann ich auch nicht verletzt werden am Ende einer Liebe – ja, und dann kommt es immer auf die Geschichte an, wenn einfach ein Paar sich nicht mehr versteht, und man trennt sich ordentlich, dann ist man traurig, aber man fällt nicht in diesen schweren Liebeskummer.

Wenn natürlich jemand verlassen wird auf schlechte Art und hinterher kommt raus, er wurde schon ewig betrogen, zweifelt er natürlich an sich selber und kann abrutschen. Liebeskummer kann abrutschen in eine Lebenskrise.

von Billerbeck: Die Expertin für Liebeskummer ist bei uns zu Gast. Silvia Fauck hilft als Psychologin Liebeskummerpatienten oder Klienten, wie sie sagt. Was können Sie denn, was ein "normaler" Therapeut nicht kann? Was machen Sie mehr?

Fauck: Ich glaube nicht, dass ich mehr kann als ein normaler anderer Therapeut, aber ich habe mich nun darauf spezialisiert und nehme mir dafür die Zeit. Das fängt schon damit an, dass die armen Klienten bei mir bezahlen müssen, weil keine Kasse meine Arbeit anerkennt. Weil Liebeskummer ist ja etwas Privates, das wird von keiner Kasse, auch von keiner Privatkasse, honoriert.

von Billerbeck: Erleben Sie dann aber trotzdem Zeiten, wo es mehr Liebeskummerkranke gibt? Also sagen wir, wir haben jetzt Krisenzeiten, haben da die Leute auch mehr Liebesschmerz oder haben sie gar keine Zeit dafür und betäuben das mit Arbeit?


Fauck: Nein, es gibt keine Zeit, wo ich mehr oder weniger zu tun habe im Grunde. Ich habe früher immer gedacht: Na ja, wenn die dunkle Jahreszeit beginnt oder Feiertage, da wirst du dich ja vor Arbeit nicht retten können, dem ist gar nicht so, weil sich dann die Leute zusammenreißen, und ab November versteckt sich jeder in seiner Wohnung, Gardine zu, Flasche auf den Tisch, Fernseher an. Man kann sich dann gut verstecken. Ganz viel zu tun habe ich, wenn der Frühling ausbricht. Dann sehen auch die ganzen Singles, die zu mir kommen, weil sie einsam sind, dass draußen die anderen glücklich sind und dann möchte man zum Coaching, weil man möchte auch glücklich sein.

von Billerbeck: Gibt es eigentlich regionale Unterschiede? Ich habe erfahren, dass es inzwischen in neun deutschen Städten solche spezialisierten Psychologen gibt. Ist der Liebeskummer in Hamburg anders als der in München?

Fauck: Nein, der Liebeskummer ist überall gleich, die Zahlungsmoral ist nur völlig unterschiedlich, denn ich habe ja selber schon 15 Partnerinnen bis in die Schweiz, die unter meinem Namen Praxen führen. Da ist es auch in jeder Praxis anders.

von Billerbeck: Etwas allerdings ist auffallend, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt: Es gibt oft Agenturen und auch Praxen, die bieten Hilfe sofort. Ist nicht bei Liebeskummer auch die Zeit sehr hilfreich?

Fauck: Ich glaube, das ist falsch interpretiert, dieses sofort ist, glaube ich, dass es keine Wartezeiten gibt, dass man anruft, ein sofortiges, sofortiges Feedback bekommt und nicht wie bei einem Diplompsychologen, wenn Sie da anrufen, wenn sie Pech haben, müssen Sie drei Monate warten, bis sie den ersten Termin haben. Das ist, glaube ich, die Soforthilfe.

von Billerbeck: Was war die verrückteste Therapie, die Sie einem Klienten empfohlen haben?

Fauck: Das gibt es nicht. Es geht meist nach einem Schema. Erst ist die Trauer, dann muss das Selbstwertgefühl aufgebaut werden, denn das Vertrauen in eine neue eventuelle Geschichte, also spektakuläre Dinge gibt es da nicht. Es ist mit sehr viel Zeit … muss man investieren, um wieder glücklich zu werden?

von Billerbeck: Auch Geld?

Fauck: Kommt drauf an, wie oft man zu mir kommt, und was man für ein Budget natürlich auch hat.

von Billerbeck: Also Liebeskummer kann auch, muss man sich was kosten lassen?

Fauck: Sollte man, desto schneller ist man durch.

von Billerbeck: Sagt Silvia Fauck, Psychologin und Coach, die eine Praxis für Liebeskummer betreibt. Danke Ihnen für das Gespräch!

Fauck: Gerne!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Psychologin Silvia Fauck
Die Psychologin Silvia Kummer litt jahrelang selbst unter Libeskummer.© picture alliance / dpa / Peter Endig