Maccabi Games in Berlin

Jüdisches Sportfest mit historischer Symbolik

Klaus Böger (l-r), Präsident des Landessportbundes Berlin, Ole Schröder (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Alon Meyer, Präsident Makkabi Deutschland e. V., und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stellen am 14.07.2015 bei einer Pressekonferenz in Berlin die Plakatkampagne zu den European Maccabi Games 2015 vor.
Präsentation der Plakatkampagne zu den European Maccabi Games 2015 - mit Klaus Böger, Landessportbund Berlin, Ole Schröder / CDU, Bundesinnenministerium, Alon Meyer, Präsident Makkabi Deutschland, und Bundesjustizminister Heiko Maas / SPD © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Alice Lantzke · 24.07.2015
Jüdische Europameisterschaften in 20 Sportarten - die finden derzeit im Berliner Olympiapark statt. Sponsoren aus der deutschen Wirtschaft waren dafür so gut wie nicht zu finden. So finanzieren die Teilnehmer die Wettbewerbe weitestgehend selbst: mit 1000 Euro pro Kopf.
"Ich verkünde die Spiele von Berlin zur Feier der XI. Olympiade neuer Zeitrechnung als eröffnet."
Berlin, 1936, Olympiastadion. Unter dem Jubel Tausender eröffnet Reichskanzler Adolf Hitler die Olympischen Sommerspiele. Eine Propagandashow sondergleichen: Die Nationalsozialisten nutzen das Großereignis, um der gesamten Welt ein positives Bild vom Dritten Reich zu zeichnen. Antisemitische Schilder werden für die Dauer der Olympiade von den Straßen verbannt. Ebenso verbannt sind Juden in der deutschen Delegation der Spiele: Jüdische Topsportler wie die Deutsche Meisterin im Hochsprung, Gretel Bergmann, werden stillschweigend von der Teilnahme ausgeschlossen – Bergmann etwa erfährt erst, dass sie nicht dabei sein darf, als das US-Team bereits im Flieger nach Berlin sitzt.
Ausgerechnet auf dem von den Nazis erbauten Olympiagelände finden nun die European Maccabi Games, kurz EMG statt: Bei der größten jüdischen Sportveranstaltung Europas werden 2.400 Athleten aus knapp 40 Ländern antreten. Die historische Ebene des Events ist den Machern durchaus bewusst. Offensiv werben sie in einem YouTube-Film für die Spiele:
"Make history: Be part of the first European Maccabi Games in Germany since World War Two. Enjoy the fact, that this is good, that this is right, that this is natural."
Gut, richtig und natürlich sei es, dass die Spiele dieses Jahr in Berlin stattfinden würden, so der Trailer. Oder, wie es EMG-Organisator Oren Osterer zusammenfasst:
"Ich glaube, dass die European Maccabi Games in Berlin gerade in diesem Jahr 2015 eigentlich von sehr hoher Bedeutung sind, sowohl historisch als auch gesellschaftspolitisch, weil zum einen kommen die European Maccabi Games zum allerersten Mal nach Deutschland. Sie tun das in einem Jahr, wo wir genau 70 Jahre Befreiung von Auschwitz, Ende des Zweiten Weltkrieges, Ende der Shoah begehen und wo wir auch 50 Jahre deutsch-israelische diplomatische Beziehungen würdigen. Und dann kommen wir noch zusätzlich in den Berliner Olympiapark, der ja auch eine eigene historische Bedeutung hat. Und dass wir gerade dort die jüdischen Europameisterschaften abhalten, hat nochmal eine ganz eigene Ebene und eine ganz eigene Bedeutung: Dass eine neue, jüngere jüdische Generation auch in Europa anwächst und mit einem neuen Selbstverständnis und auch mit einer neuen Beziehung zu Deutschland eigentlich hier existiert."
So viele Teilnehmer und Sportarten wie noch nie
Seit über einem Jahr arbeitet Osterer mit seinem Team an der Organisation des Großereignisses. Dieses Mal gibt es so viele Teilnehmer und Sportarten wie noch nie. Mit Osterer konnte jemand für den logistischen Kraftaufwand gewonnen werden, der aus einer "Makkabi-Familie" stammt, wie er selbst sagt. Schon früh spielte er zunächst Tischtennis und dann Basketball bei einem Makkabi-Verein, sein Vater Gideon Osterer war lange Jahre Präsident von Makkabi Deutschland. Entsprechend kann kaum jemand besser beschreiben, was die EMG eigentlich sind:
"Die European Maccabi Games sind jüdische Europameisterschaften in 20 verschiedenen Sportarten, finden jede vier Jahre statt, immer in einer anderen europäischen Metropole und sind eigentlich der kleine Ableger der Welt-Makkabiade, die jede vier Jahre in Israel stattfindet und das ist die drittgrößte Sportveranstaltung der Welt mit über 10.000 Sportlern aus 80 Ländern. Und es wie so eine kleine europäische Mini-Olympiade für jüdische Athleten."
Auch wenn die Wettbewerbe jüdischen Sportlern vorbehalten sind, öffnen sich die EMG dieses Mal doch ein Stück: So finden etwa unter dem Titel "Let’s play together" Freundschaftsspiele mit Profi-Mannschaften wie den Basketballern von ALBA Berlin oder den Fußballern der DFB-Allstars statt. Ein Prozess, den Alon Meyer, Vorsitzender von Makkabi Deutschland, wie folgt beschreibt:
"Bisher waren die European Maccabi Games in sich verschlossen. Es hat nur die ansässige jüdische Gemeinde interessiert und ansonsten niemanden – das wollen wir ändern. Wir wollten diese Spiele öffnen. Die Regularien werden uns vorgegeben, an die müssen wir uns halten. Wir möchten trotzdem diese Chance nutzen, um mit diesen Spielen hier vieles zu bewegen. Da sind wir einfach fest von überzeugt, dass wir das schaffen werden. Und insofern: Diese Spiele müssen sein. Ich finde das gut. Ich finde gut, dass Tradition weitergelebt wird. Wir werden sie nur in der Ausrichtung so verfeinern, dass wir sie ein bisschen öffnen."
"Neue Sportler, die sich als jüdische Glaubensbrüder outen"
Diese Öffnung passt zur Realität der Makkabi-Vereine in Deutschland, wie sie Claudio Offenberg, sportlicher Direktor von TuS Makkabi Berlin beschreibt:
"Es sind ja sozusagen Mitglieder erwünscht und willkommen aus allen Ecken der Welt erst mal, aus allen Ethnien, Religionen, Nationalitäten, was auch immer. Da gibt es sozusagen keine Auflagen. Trotz alledem würden wir uns freuen, dass der Anteil auch an jüdischen Spielern so langsam größer wird, das ist selbstverständlich. Aber dafür ist nun mal die deutsche Geschichte zuständig, die das Judentum in Deutschland eben so brutal reduziert hat."
Mehr Mitglieder für die Makkabi-Vereine ist tatsächlich eine Folge der EMG, die sich schon jetzt beobachten lässt. So stellt Alon Meyer fest:
"Wir haben einen Zuwachs an Mitgliedern, wir haben aber auch einen Zuwachs von neuen Ortsvereinen. Neue Ortsvereine sprechen uns an: Sie würden sich gerne bilden. Wir haben neue Sportler, die sich outen als jüdische Glaubensbrüder, weil sie teilnehmen möchten und weil sie merken, dass es überhaupt nichts Negatives mehr ist, wenn sie sich als Juden 'outen' in Anführungsstrichen."
Eine, die nie ein Geheimnis aus ihrem Jüdisch-Sein gemacht hat, ist die Hockey-Nationalspielerin Rebecca Landshut, die auch an den European Maccabi Games teilnimmt. Am Telefon erklärt sie:
"Das spielt ja auch im Prinzip keine Rolle, wer woran glaubt. Wenn man ein guter Sportler oder ein Athlet ist, dann ist man ein guter Athlet. Und woran man glaubt und was einem wichtig ist, welche Werte man hat, das ist ja gerade im Mannschaftssport – das ist eben Mannschaftssport. Das heißt, da lernt man auch, sich ein bisschen unterzuordnen. Und ich habe es nie verheimlicht, aber ich meine, es rennt ja auch keiner rum und sagt: Ich bin Christ."
Die Beziehung zwischen Sport und Religion wird bei den European Maccabi Games durch ein ganz besonderes Projekt beleuchtet: Die Publikation "Jewish Allstars", bestehend aus 15 comic-artigen Sammelkarten und einer umfassenden Begleitbroschüre, stellt jüdische Athleten und ihre Biografien vor. Das Paket, das an alle EMG-Teilnehmer verteilt wird, konzentriert sich dabei vor allem auf Spitzensportler aus den 20er- und 30er-Jahren. Stephan Felsberg, einer der Projektleiter, betont, dass bis zur Verfolgung durch die Nazis Religion keine Bedeutung gehabt habe.
"Für die Wahl des Vereins oder für die Art des Sporttreibens hat das überhaupt keine Rolle gespielt, sondern der Sport war eine im besten Sinne Integrationsmaschine für deutsche Juden."
Dieses Potenzial des Sports sieht Robby Raijber, Vizepräsident von Makkabi Deutschland, auch heute:
"Sport ist glaube ich das einzige Mittel oder eines der wenigen Mittel, die die einzelnen sozialen oder kulturellen oder religiösen Backgrounds im Hintergrund lässt, weil im Sport wächst man zusammen. Man hat ein Ziel: Sport zu treiben. Man spielt gegeneinander, aber unser Motto heißt ja 'Competing in sports, united at heart'. Und genau das Motto zeigt eigentlich, was hinter diesen European Maccabi Games steht."
Ein großes, buntes, jüdisches Sportfest mit einer starken historischen Symbolik: Die European Maccabi Games bekommen jetzt schon viel Aufmerksamkeit in Medien und Öffentlichkeit. Prominente Paten wie Fußballweltmeister Jérôme Boateng, die Schwimmerin und Olympia-Medaillen-Gewinnerin Sarah Poewe und die Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck tun ihr Übriges. Umso mehr überrascht eine Schwierigkeit, mit der EMG-Organisator Oren Osterer nicht gerechnet hätte.
"Für uns war es sehr sehr schwer, Sponsoren aus der deutschen Wirtschaft und der deutschen Industrie zu finden. Es war zeitweise wirklich frustrierend, mit was für Absagen man rechnen musste, weil wir uns das so nie gedacht haben: Dass diese Veranstaltung sich so sehr bemühen muss, um Sponsoren zu finden. Unterm Strich muss man sagen, dass die deutsche Wirtschaft und die deutsche Industrie sich hier glaube ich nicht mit Ruhm bekleckert hat angesichts der Bedeutung dieser European Maccabi Games."
Der Eintritt ist bei allen 110 Wettkämpfen frei
In der Folge musste das Rahmenprogramm für die unzähligen Freiwilligen stark zusammengestrichen werden. Den größte Posten auf der Einnahmen-Seite stellen nun die Teilnehmer selbst: Knapp 1000 Euro zahlt jeder von ihnen. Hinzu kommen Gelder der öffentlichen Hand, Spenden und einige, wenige Sponsoren.
Wichtig war Osterer, dass der Sport, der ja im Mittelpunkt der zehntägigen Veranstaltung steht, nicht leidet. Die Athleten sollen beste Bedingungen in Berlin vorfinden. Gleichzeitig ist der Eintritt bei allen 110 Wettkämpfen frei. Lediglich für die prominent besetzte Eröffnungsfeier in der Waldbühne und für die Abschlussfeier im Estrel Hotel müssen Tickets gelöst werden.
Alle logistischen Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Sponsorensuche treten allerdings in den Hintergrund, wenn die Macher der European Maccabi Games an die Chance denken, die die Spiele bieten. So erklärt Robby Rajber:
"Ich bin aufgewachsen in München und überall, wo ich hingekommen bin in der jüdischen Welt, wurde ich gefragt: Wie kannst Du eigentlich als Jude in Deutschland leben? Und diese Frage musste ich immer beantworten und die war eigentlich ziemlich lästig. Und mit den European Maccabi Games kann ich den jüdischen Gemeinden der Welt zeigen, wie toll Deutschland ist, wie cool ist es hier zu leben und wie cool es ist, dass man hier lebt und ich hoffe, dass ich diese Frage zumindest den Leuten, die auf den European Maccabi Games waren, daran teilgenommen haben, nicht mehr beantworten muss."
Die European Maccabi Games finden vom 27. Juli bis 5. August in Berlin statt. Mehr Informationen zu den Spielen, den einzelnen Wettkämpfen und dem Rahmenprogramm gibt es unter www.emg2015.de.