"M-Aktion" im Dritten Reich

Wie die Nazis Möbel zu Geld machten

Studenten bei der Objektdokumentation in der Burg Arkenstede des Museumsdorfs Cloppenburg zu Beginn der 1940er Jahre.
Viele Deutsche betrachteten den Verkauf als eine Art "Schnäppchenjagd", sagt Hemken. © Archiv Museumsdorf Cloppenburg
Moderation: Marietta Schwarz · 14.08.2018
In sogenannten "M-Aktionen" verkauften die Nazis Möbel, die von deportierten Juden zurückgelassen wurden. Teilweise stehen sie bis heute in deutschen Haushalten. Ein Thema, das bislang kaum beleuchtet wurde, sagt die Ethnologin Christina Hemken.
Forschung über die Herkunft von Kunst und Kultur in ihren Beständen betreiben mittlerweile die meisten deutschen Museen. Dabei allerdings gibt es Facetten, die bislang kaum beleuchtet sind: Das Museumsdorf Cloppenburg, gegründet 1934, hat sich mit den sogenannten "M-Aktionen" in den 30er- und 40er-Jahren beschäftigt. "M" stand dabei für "Möbel", und gemeint ist damit die Aneignung des gesamten Wohnungsinventars von geflohenen oder deportierten Juden. Mit diesen Möbeln wurde im von den Nationalsozialisten besetzten Europa gehandelt und sie stehen teilweise bis heute in deutschen Haushalten.
"Dieses Provenienzforschungsprojekt zeigt, wie verwoben die Sammlungsgeschichte und die Museumsgeschichte mit dem NS-Raubgut auf regionaler und lokaler Ebene ist", sagt die Ethnologin Christina Hemken, die gemeinsam mit anderen Historikern nach Spuren dieser M-Aktionen gesucht hat.

Viele betrieben den Handel als eine Art "Schnäppchenjagd"

Dabei hätten die Bürger in der Regel Alltagsgegenstände erworben, wie sie damals massenhaft in deutschen Haushalten existierten und die darum auch später nicht so leicht als Raubgegenstände zu identifizieren waren, erklärt Christina Hemken. "Alles was man sich vorstellen kann" sei geraubt worden. "Es wurde nicht nur das Wohnungsinventar geplündert, sondern es wurde auch mit Hafenkränen gehandelt oder mit Vieh." Nach Recherchen im Rahmen dieses Forschungsprojektes im Museumsdorf Cloppenburg dokumentierten viele hundert Anzeigen in den Zeitungen der damaligen Zeit die Verkäufe dieser geraubten Alltagsgüter.
Und die Herkunft dieser Gegenstände sei damals sowohl den Händlern als auch den Käufern bekannt gewesen, so die Ethnologin. "Teilweise wurde sogar in den Anzeigen 'Judenmöbel zu verkaufen' angekündigt." Von vielen Deutschen sei der Erwerb dieser Güter auch als eine Art "Schnäppchenjagd" betrieben worden. "Es gibt aber auch Berichte von Zeitzeugen, wo etwa die Eltern gesagt haben: 'Also diese Güter kaufen wir nicht, damit ist so viel Unrecht verbunden, das kommt uns nicht ins Haus!'"

Die genauen Zahlen lassen sich nicht mehr beziffern

Die Plünderungen gehen zurück auf den NSDAP-Chefideologen Alfred Rosenberg, auf dessen Idee hin der Haushalt der geflüchteten und deportierten Juden etwa in Frankreich und den Beneluxstaaten konfisziert und verkauft wurde. "Die genauen Zahlen zu den Plünderungsaktionen des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg lassen sich nicht mehr beziffern, aber die Leistungsberichte geben darüber Auskunft, dass alleine in den Niederlanden etwa 29.000 Wohnungen geräumt worden sind und von der Dienststelle in Paris wird gesagt, dass es fast 70.000 Wohnungen waren. Das heißt: Diese Güter sind auf dem Wasserwege oder dem Schienenwege in das Deutsche Reich verbracht worden." Hollandmöbel seien viele dieser Güter genannt worden, weil viele auf Schiffen über Holland transportiert worden seien, so Christina Hemken. Die genaue Herkunft zu erforschen sei heute kaum mehr möglich, weil hier Provenienzforschung mit Alltagsgegenständen betrieben werden müsste und "weil natürlich auch die meisten ehemaligen Besitzer nicht mehr leben."
(sru)
Mehr zum Thema