Lybke: Fokussierung auf Skulpturen hilft Künstlern

Moderation: Gabi Wuttke |
Der Leipziger Galerist Gerd-Harry Lybke sieht in der derzeitigen Hinwendung des Kunstmarktes zu Skulpturen keinen neuen Trend. Gleichwohl sei es eine positive Entwicklung, da die Künstler, die sich auf Plastiken eingelassen hätten, auch hohe Kosten für Material haben und ihre Werke nur schwer verkaufen können.
Gabi Wuttke: Der Galerist Gerd-Harry Lybke hat die Maler der Leipziger Schule zu internationalen Superstars gemacht. Schon seit zwei Jahren verkündet er aber die Wiederkehr der Skulptur. Bevor heute Abend die Art Cologne eröffnet wird, ist der Chef der Galerie Eigen+Art jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Lybke!

Gerd-Harry Lybke: Guten Tag, hallo.

Wuttke: Sie haben ein Händchen für Kunst, die sich bestens verkaufen lässt, und man sagt, ein Trend ist, was Sie daraus machen. Wie haben Sie das mit der Skulptur gewuppt?

Lybke: Der Punkt ist der: Es ist natürlich schwierig, vor allen Dingen, wenn man in den Medien arbeitet - Funk, Fernsehen und andere -, dann ist es natürlich ganz schwer, wirklich dem gerecht zu werden, was Kunst an sich wirklich bedeutet. Kunst bedeutet nämlich eigentlich eine Sache, die sehr frei ist und die sich nicht hält an irgendwelche Dogmen von wegen Eingrenzungen in Genre wie Malerei, Videoskulptur oder Foto.

Wenn man also jetzt davon ausgeht, dass man etwas berichten will, dann macht man es meistens so handlich, dass es bei demjenigen, der diesen Bericht hört, auch ankommt. Man sagt also, heute ist Malerei oder morgen ist Skulptur, übermorgen ist Video und dann ist wieder Fotografie. Im Endeffekt ist es so: Alle diese Arten der künstlerischen Äußerung gehen auf eines zurück, und zwar auf den Künstler selbst und auf seine Fragestellung gegenüber der Kunst.

Wuttke: Aber der Künstler allein ist es doch nicht, Herr Lybke. Als Galerist ...

Lybke: Nein, aber wenn jemand Skulptur macht zum Beispiel, muss man ihm natürlich auch den Freiraum lassen, am nächsten Tag ein Foto von dieser Skulptur zu machen oder eine Plastik zu machen oder dann wieder ein Video zu machen. Also diese Eingrenzung in Sparten ist natürlich vollkommener Unsinn. Nur dass es als Transportmittel natürlich bestens funktioniert.

Wenn man also sich dem zuwendet, warum eigentlich Malerei jetzt in den letzten Jahren wieder so viel an Aufmerksamkeit dazugewonnen hat, dann muss man sagen, hat es damit zu tun, dass vorher Video und Fotografie so durchschlagenden Erfolg hatten, dass alles andere vom Markt erst mal verdrängt worden ist und man eine Riesensehnsucht hatte plötzlich nach etwas, was Malerei heißt, weil man es lange nicht gesehen hat. Die letzten 15 Jahre war Malerei ja gar nicht existent. Und plötzlich merkt man, dass man ein Sehnsuchtspotenzial hat und hat entdeckt, dass Malerei etwas war, was einem eigentlich gefehlt hat, und man hat sich dem zugewendet.

Deswegen heißt es aber nicht, dass deswegen heute keine guten Fotografen oder keine guten Videokünstler da sind, nur dass der öffentliche Fokus sich nun der Malerei zugewendet hat.

Wuttke: Aber Herr Lybke, die Sache, dass man plötzlich merkt und dass es ein Sehnsuchtspotenzial gibt, das kann man so sagen und Sie haben es ja quasi in einem mediengerechten Portiönchen jetzt eben geliefert, aber sprechen wir doch mal übers Geschäft, tatsächlich über die Branche. Denn man kann ja nicht sagen, dass da einfach nur immer noch die Künstler sitzen, vor sich hin basteln und dann kommt der Galerist und entdeckt sie.

Lybke: Die Sache ist die: Man stellt sich das vielleicht irgendwie ... Heutzutage stellen sich ja die Leute Kunst vor wie eine Branche, wie ein Portfolio in einer Bank. Kunst hat aber damit eigentlich überhaupt nichts zu tun.

Wuttke: Die Vermarktung der Kunst doch aber?

Lybke: Die Vermarktung der Kunst ist bestimmt so, dass sie immer technisch perfekter wird, sie aber dennoch nur das vermarkten kann, was der Künstler im Endeffekt macht. Also im Mittelpunkt allem steht der Künstler mit der Produktion.

Wuttke: Aber wie haben Sie es im Fall der Skulptur gemacht? Sind Sie ein Einzelkämpfer, ein Netzwerker - wie macht man das?

Lybke: Bei der Skulptur ist es so gewesen, natürlich haben alle gesagt, ja, wie ist das denn vor zwei, drei Jahren mit der Malerei, und das ist so großartig und diese Malerei und Malerei. Und niemandem war mitzuteilen, dass es Malerei natürlich auch schon vor zehn Jahren gab, nur damals wollte die niemand sehen, dann haben alle Video und Foto geguckt. Jetzt, wo es Malerei flächendeckend gibt, guckt sich die anderen Sachen niemand mehr an. Deswegen muss man vielleicht einfach mal sagen, okay, wenn ihr das nicht akzeptiert, dass es alle die Dinge gleichzeitig und parallel gibt, dann guckt wenigstens mal dorthin, wo ihr nie hingeguckt habt, und das ist die Skulptur.

Wuttke: Okay, das heißt, der Markt der Malerei ist gesättigt?

Lybke: Nee, der ist nicht gesättigt, aber der ist von den Medien so besprochen worden, dass man als Medium oder als Medien natürlich dann auch fragt, was ist das Nächste. Weil man will ja immer das Nächste, das Junge, das Schöne, das Glückliche haben. Dass das Unsinn ist, wissen wir alle, aber die Medien brauchen natürlich die nächste neue Nachricht. Und die nächste neue Nachricht wäre dann - wenn man lange genug nachfragt - vielleicht wirklich die Skulptur.

Wuttke: Aber Moment, jetzt muss ich uns natürlich in Schutz nehmen, es sind aber jetzt nicht wir Medien, die den Trend vorgeben, sondern Sie.

Lybke: Es ist aber so. Der eigentliche Punkt ist, die Frage ist doch die: Wenn man etwas bespricht, dann sollte man vielleicht mal ein Werk besprechen - vorhin in der Anmoderation war Gordon Matta-Clark besprochen worden, ganz kurz -, dann sollte man aber vielleicht mal einen heutigen Künstler nehmen, dessen Werk besprechen, das in der Presse mal wirklich durchdeklinieren, von links nach rechts ...

Wuttke: Das gibt's doch schon.

Lybke: Nee, das gibt's eben leider nicht. Meistens werden nur Trends aufgenommen, es wird über einen Begriff gesprochen, zum Beispiel Leipziger Schule, ohne die Leute zu nennen, die sich hinter diesem Begriff verstecken.

Wuttke: Gibt es einen, der Neo Rauch nicht kennt?

Lybke: Weil die Leute natürlich sich hinter diesem Begriff verstecken, weil die Leipziger Schule ist so schön, auch zu sagen Leipzig, versteht auch jeder, Schule versteht auch jeder, und jeder denkt, er wüsste dann, was dahinter steckt, aber die vielen Namen, die dort sind, und die Arbeiten, die gemacht werden, und die intensive Arbeit, die schon seit Jahren gemacht wird dort, wird meistens dann nicht mit proklamiert.

Wuttke: O.k., die intensive Arbeit, die Sie in Sachen Leipziger Schule geleistet haben, davon profitieren viele Menschen, davon profitieren die Maler, davon profitieren Sie, nun reden wir über den Trend Skulptur.

Lybke: Skulptur. Reden wir mal über Skulptur oder über Plastik. Vorhin wurde schon gesagt, die zwei Formen gibt es natürlich. Das kann man jetzt ausdefinieren. Skulptur - ich denke natürlich wirklich, dass es wichtig ist, über dieses Thema mal speziell etwas mehr zu sagen und hier die Aufmerksamkeit wirklich etwas zu fokussieren, weil wichtig ist schon mal, dass Leute, die sich für dieses Thema Skulptur oder Plastik entschieden haben als Kunststudenten, haben es natürlich sehr schwer, weil sie nach zwei, drei Jahren, nachdem sie das Studium beendet haben, ein großes Atelier vielleicht haben, was vollgestellt ist mit viel Material, viel Geld ist verloren gegangen, weil dieses Material sehr viel kostet, und man es sehr schwer nur wirklich verkaufen können.

Die meisten also hören dann vielleicht nach drei bis fünf Jahren auf, wenden sich einem anderen Medium zu, einfach weil es so schwer an den Markt zu bringen ist. Von daher ist es bestimmt ganz gut, wenn Skulptur jetzt mehr in den Mittelpunkt gerückt wird, dass die Leute etwas mehr sich das angucken.

Es ist nur Quatsch, jetzt zu sagen, nur weil man sich der Skulptur zuwendet, wäre das Video langweilig, das Foto uninteressant und die Malerei wäre schon nicht mehr existent. All diese Dinge existieren auch für den, der die Skulptur macht, als wichtiger Anreger. Viele Leute, die im skulpturalen Bereich arbeiten, die mit Plastik umgehen, holen sich ihre Anregungen halt auch aus der künstlerischen Welt der Videos, der Fotos, selbst aus der Malerei, der Installation und, und, und ... Alles hat miteinander was zu tun, das alles bedingt sich auch miteinander. Nur dass der Fokus oftmals der Einfachheit halber immer von einem zum anderen gereicht wird.

Am Schluss wäre es ganz gut, wenn man den Künstler als solchen betrachtet und nicht einschränkt und sagt, er macht das, dies oder jenes, sondern dass man sagt, er hat die Möglichkeit, alles zu tun. Er hat die Möglichkeit, die Medien anzuwenden, die für seine Fragestellung die wichtigsten sind.

Wuttke: Herr Lybke, leider müssen wir zeitlich zum Schluss kommen. Noch einen kurzen Punkt: Weil sonst gehen wir irgendwann mal in die Nachrichten.

Lybke: Noch ein Punkt. Es tut mir leid, wenn ich dann jetzt Ihnen vielleicht auf Ihre Frage nicht das geantwortet habe, was Sie erwartet haben.

Wuttke: Ich höre gerne zu.

Lybke: Aber ich denke, Skulptur - vorhin wurde genannt, welche ganzen Dinge da noch passieren jetzt in diesem Jahr. Das ist natürlich wirklich wichtig. Die Frankfurter Messe war bestimmt eine hervorragende Möglichkeit, um sich über Skulptur einen Überblick zu holen. Ich denke, diese Messen, auch jetzt die Messe in Köln wird hervorragend werden, um sich einen Überblick zu holen. Und derjenige, der interessiert ist an Kunst, wird durchgehen und wird für sich etwas finden, was er wirklich als interessant findet.

Und ich - für den Markt gesprochen - sage dann einfach, wenn jetzt das Interesse für Kunst so groß ist, dann soll man sich auch aufmachen und Kunst kaufen. Weil das wäre dann eine Möglichkeit, wirklich etwas weiterzubringen, weil damit hilft man nicht nur dem Künstler, natürlich auch dem Galeristen und vor allen Dingen sich selbst, weil man dann wunderbare Arbeit gegen Geld getauscht hat.

Wuttke: Vielen Dank. Das war Gerd-Harry Lybke von Art und Eigen.

Lybke: Eigen+Art, genauso ist es.
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