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Langlauf-Weltcup in Dresden
"Das ist doch absurd"

Langlauf in Dresden. Das funktioniert nur mit einer neuen Veranstaltungsgesellschaft, die von zwei MDR-Journalisten geführt wird. Und mit viel künstlichem Schnee, der in einem Hangar eigens produziert wird. Am Elbufer ist es zu warm.

Von Bastian Brandau | 13.01.2018
    Ein Pistenbully präpariert am Elbufer in Dresden eine Wettkampfstrecke mit künstlichem Schnee.
    Schnee für den Skiweltcup in Dresden (Sebastian Kahnert/dpa )
    Sonnenschein – bis zu zehn Grad: obwohl die Veranstalter die statistisch beste Zeit für den Ski-Weltcup ausgesucht hatten, herrschten unter der Woche am Dresdner Elbufer beinahe frühlingshafte Bedingungen. Von Schnee keine Spur, bis er, tagelang in einer Halle am Flughafen hergestellt, Donnerstag in roten Containern herangekarrt wurde.
    Planierraupen walzten ein weißes Band am Elbufer aus. Veranstalter des Ski-Weltcups ist die eigens für diesen Zweck gegründete Firma der zwei ARD-Journalisten Torsten Püschel und René Kindermann. Das war auch den Kollegen des ZDF in ihrer Berichterstattung am Mittag eine Erwähnung wert. Die Stadt Dresden und das Land Sachsen unterstützen die Veranstaltung mit jeweils 300 000 Euro.
    "Touristisches Marketing"
    Die Sendezeit sei im Grunde genommen mit Geld nicht zu bezahlen, sagt Stadtsprecher Kai Schulz: "Zum einen ist es natürlich so, dass gerade Wintersport im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hohe Einschaltquoten hat. Das muss man einfach sagen. Das heißt, wir transportieren hier auch diese Bilder von Dresden auch in deutsche Haushalte, aber insbesondere gibt es natürlich auch Zielmärkte, die noch viel langlaufbegeisterter sind als Deutschland, beispielsweise Russland, Schweiz, Österreich, aber auch insbesondere die skandinavischen Länder, die wir natürlich erstmal auf Dresden hinweisen. Und wo wir dann natürlich im zweiten Zug verstärkt hineingehen werden um auch touristisches Marketing mit diesem Event zu machen."
    Marketing für Dresden und Sachsen ist derzeit keine einfache Aufgabe, das weiß auch Sachsens Sport- und Innenminister Roland Wöller: "Wir brauchen die Ereignisse, nicht nur Sportereignisse. Aber insbesondere Sportereignisse, die deutlich machen, dass wir ein weltoffenes Land sind, ein Sportland sind."
    "In politische Bildung investieren"
    Aber eben auch ein Bundesland, aus dem in dieser Woche berichtet wurde, dass in Dresden eine Frau ihren Hund auf eine Äthiopierin gehetzt haben soll. Und in dem in Plauen Männer angesichts eines Brandes in der Wohnung einer Migrantenfamilie laut Zeugenaussagen riefen, man solle das Feuer brennen lassen.
    Nicht nachvollziehen kann die sportpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Petra Zais die Unterstützung der Weltcup-Veranstaltung am Dresdner Elbufer. "Das ist doch absurd. Dass man wirklich denkt, man könnte mit Marketingmaßnahmen das durch Pegida und Co begründete zu recht schlechte Image in vielen Fragen beseitigen. Wenn heute der Begriff Sachsen fällt in der Welt, dann denkt man eben zum Beispiel an Übergriffe auf Geflüchtete, dann denkt man an Pegida, und ich glaube nicht, dass das zu überdecken ist durch eine schöne Weltcupveranstaltung. Da muss man schon andere Dinge tun, wie zum Beispiel in politische Bildung investieren."
    Am Tag mehr Energie, als eine Familie im Jahr
    Zais stört sich auch daran, dass im Innenministerium eigens eine Förderrichtlinie geändert wurde, um die Veranstaltung finanziell unterstützen zu können. Und natürlich, so die Grünen-Politikerin, sei eine Skiveranstaltung am Elbufer alles andere als nachhaltig.
    Sie zitiert die Verbrauchsangeban der Veranstalter: "Es werden zum Beispiel 3.000 Liter Wasser pro Stunde benötigt und innerhalb von 24 Stunden hier für diesen Skiweltcup wird so viel Energie verbraucht, wie eine vierköpfige Familie im ganzen Jahr verbraucht, ca 5.500 Kilowattstunden. Und wir haben ja die Schneeproduktion schon eine ganze Weile, die läuft für diese Veranstaltung. Das ist alles wenig nachhaltig. Und wirklich unverständlich, dass man hier so viel Geld investiert um auf Kunstschnee vor historischer Kulisse der Altstadt einen FIS-Weltcup zu bestreiten."
    Sachsen habe ausreichen Wintersportorte. Nicht nur in den Bergen, auch im Dresdner Eisstadion etwa findet am Wochenende die EM der Shorttracker statt. Einen guten Kilometer von der Weltcup-Loipe entfernt. Stadtsprecher Kai Schulz verteidigt das Konzept des Ski-Weltcups, gegen den im Dresdner Stadtrat allein die Linkspartei die Zustimmung verweigert hatte. Begründet mit den kurzen Wegen und der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln hatten hier auch die Grünen zugestimmt.
    "Ökobilanz besser, als im ländlichen Raum"
    Kunstschnee werde bei ähnlichen Veranstaltungen an allen Wintersportorten in den Mittelgebirgen verwendet, sagt Stadtsprecher Schulz: "Während halt, nehmen wir mal wieder das Beispiel Oberhof in Thüringen, 60.000 Zuschauer an einem Wochenende haben, die alle mit dem Auto oder dem Bus anreisen müssen, haben wir hier sozusagen den Vorteil, dass jeder Gast die Möglichkeit hat, mit dem öffentlichen Personennahverkehr, dem Zug oder dem Flugzeug zu kommen. Und insofern eine völlig andere Belastung. Die Ökobilanz solcher städtischen Events fällt in der Regel sogar meist besser aus als im ländlichen Raum."
    Die Stadt werde im Nachhinein Bilanz ziehen und prüfen, unter welchen Bedingungen der Weltcup in den kommenden Jahren in Dresden durchgeführt werden soll. Geht es nach den Plänen der FIS und der Veranstalter, werden mindestens bis ins Jahr 2021 Ski-Weltcup-Rennen in Dresden stattfinden.
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