Lunchtime-Konzert in London

Die freche Seite der Klarinette

Blick auf eine Klarinette, deren Klappen im Vordergrund liegen, während im Hintergrund der Schalltrichter unscharf zu erkennen ist.
Die Klarinette bestach schon Mozart durch ihren wohlherben Klang. © IMAGO / fStop Images / Junior Gonzalez
Moderation: Volker Michael · 02.06.2021
Das Duo Michael Collins und Michael McHale präsentierte in der Londoner Wigmore Hall wichtige Werke für Klarinette und Klavier aus England, Frankreich und den USA. Die meisten setzen auf die romantische Volltönigkeit der Klarinette, andere aufs Virtuose.
Sie haben eine schöne Tradition: Die Lunchtime-Konzerte der BBC in der Londoner Wigmore Hall, die seit Anfang Mai 2021 auch wieder mit Publikum stattfinden. Am 17. Mai gastierten die zwei hervorragenden britischen Musiker Michael Collins (Klarinette) und Michael McHale (Klavier).
Der Klarinettist Michael Collins steht neben dem geöffneten Flügel, an dem der Pianist Michael McHale spielt.
Der Klarinettist Michael Collins ist eine Star der Last Night of the Proms, der hier mit dem Pianisten Michael McHale spielt.© Tomoko Hidaki/Website Michael McHale
Ziemlich ausgefallen war das Programm ihres Konzerts: es gab Musik von Charles Marie Widor, Arnold Bax, Robert Muczynski und Joseph Horovitz. Charles Marie Widor kennen die meisten Menschen vor allem als Organisten und Orgelkomponisten. Dabei hat er alle Genres bedient, auch die Kammermusik. Aus dem Jahr 1898 stammt sein elegantes Introduction et Rondo op. 82 für Klarinette und Klavier.
Arnold Bax gehört zu den englischen Musikern, die selbst im eigenen Land nicht so recht bekannt geblieben sind. Trotz seiner Kreativität und vieler Ehrungen, die er zu Lebzeiten empfangen hat. Arnold Bax starb 1953, was man seiner Musik nicht anhört, denn sie klingt eher wie spätes 19. Jahrhundert. Das war für Bax eine ganz bewusste Entscheidung.

Fokus auf den Rhythmus

Robert Muczynski lebte bis 2010 in Arizona. Er wurde als Sohn polnisch-slowakischer Einwanderer in Chicago geboren, wo er unter anderem beim russischen Exilkomponisten Alexander Tscherepnin studierte. Auch er hielt sich von avantgardistischen Strömungen fern und pflegte einen Stil von fortschrittlicher Tonalität mit einer besonderen Neigung zu jazzigen Rhythmen und starker Energiegeladenheit.
Das drückt sich auch in seinen Time Pieces von 1983 aus, vier Stücken für Klarinette und Klavier. Der Titel "Zeitstücke" zeigt an, dass die zeitliche Ordnung der Töne, also der Rhythmus, eine wichtige Rolle spielt.

Am Ort der Uraufführung

Ein lokales Produkt stand am Ende dieses Konzerts. Vor ziemlich genau 40 Jahren wurde die Sonatine für Klarinette und Klavier von Joseph Horovitz in der Wigmore Hall uraufgeführt. Dieser Komponist wurde 1926 in Wien geboren und lebt bis heute in London.
Gerade ist er 95 Jahre alt geworden, und er hat das Konzert von zu Haus aus verfolgt, erzählte der Pianist der BBC. Nach London war der geborene Wiener noch vor dem so genannten Anschluss mit seinen Eltern emigriert.
Prince Charles in Ehrenloge steht neben dem älteren Komponisten Joseph Horovitz, der eine schwarze Dokumentenrolle in der Hand hält.
Prince Charles verleiht dem Komponisten Joseph Horovitz 2017 persönlich den Doktortitel im Royal College of Music.© IMAGO / i Images
Auch Joseph Horovitz liebt die rhythmische Vielfalt, die aus anderen Musikstilen in die klassische Konzertmusik hineinwachsen kann. Das wird auch an seiner Sonatine von 1981 deutlich. Joseph Horovitz gilt als Fachmann für Musik für Bläser, vor allem für Blechbläserensembles und Blasorchester. Eine Tradition, die in Großbritannien recht stark ausgebildet ist.
Die Sonatine für Klarinette und Klavier ist nicht weniger durchdacht und speziell auf den Klang dieser Instrumente zugeschnitten.

Blick nach Frankreich

Bereits ein Jahr zuvor unter harten Lockdown-Bedingungen spielten Collins und McHale ein französisches Programm. Daraus gibt es hier einen Auszug.
Camille Saint-Saëns komponierte seine Klarinettensonate für einen befreundeten Musiker im Jahr 1921. Dabei setzte Saint-Saëns ganz auf die klassisch-romantischen, fließenden Vorbilder und ließ Modernes fast außen vor.

Modern und frech

Poulenc dagegen zeigt in seiner Klarinettensonate, eines seiner letzten Werke, dass er die Techniken seiner Zeit voll und ganz auszuschöpfen vermochte. Trotz unglaublicher Modernität darf sich die Klarinette gesanglich und anziehend zeigen und zum Schluss von ihrer frechen Seite. Der Schlusssatz der Sonate gehört zu den beliebtesten Sätzen unter den Klarinettisten, vor allem weil er so viel Spielfreude vermittelt.
Aufzeichnung vom 17. Mai 2021 in der Wigmore Hall, London
Charles-Marie Widor
Introduction et Rondo op. 72
Arnold Bax
Sonate für Klarinette und Klavier D-Dur
Robert Muczynski
Time Pieces op. 43
Joseph Horovitz
Sonatina für Klarinette und Klavier
Aufzeichnung vom 18.06.2020 in der Wigmore Hall, London
Camille Saint-Saëns
Sonate für Klarinette und Klavier op. 167
Francis Poulenc
Sonate für Klarinette und Klavier

Michael Collins, Klarinette
Michael McHale, Klavier

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