Luke Winslow-King: "Blue Mesa"

Die Momente echten Glücks feiern

Luke Winslow-King, US-amerikanischer Singer-Songwriter und Gitarrist
Auf seinem neuen Album "Blue Mesa" schlägt Bluesmusiker Luke Winslow-King wieder fröhlichere Töne an. © Victor Alonso
Luke Winslow-King im Gespräch mit Mascha Drost · 29.08.2018
Luke Winslow-King lebte lange Zeit in New Orleans und das hört man seinem Album "Blue Mesa" an. "Ich suche nach einem natürlicheren, entspannteren Leben", erzählt er. Bei der Suche hilft ihm: Abhängen an der Bowlingbahn.
Mascha Drost: Herr Winslow-King, Sie haben Ihr Album, dessen Musik sich aus den ur-amerikanischsten Stilen speist, in Italien aufgenommen - das ist der unbluesigste Ort, den ich mir vorstellen kann…
Luke Winslow-King: Ich glaube, da muss ich widersprechen. Ich habe schon jede Menge Zeit in Italien verbracht, und mein musikalischer Weggefährte und Meister Roberto Luti ist ein großartiger Bluesmann, und er kommt aus Italien. Es gibt dort viele fantastische Blues-Festivals und sehr viele Verehrer dieser Musik. Wir sind auf Tour auf ein nettes Studio gestoßen. Wir hatten gerade ein paar Tage frei, die Band war mit dem Material vertraut, also haben wir diese Songs dort aufgenommen.
Drost: Spielt man den Blues in Italien anders, vielleicht ein bisschen heller, leichter?
Winslow-King: Das würde ich so nicht sagen, aber natürlich ist man immer von seiner Umgebung beeinflusst. Einige Songs auf dem Album sind vom italienischen Leben beeinflusst, aber auch andere Orte, an denen wir waren, kann man in der Musik hören.

Rückkehr in die alte Heimat gefeiert

Drost: Okay, dann zurück in die USA: Das Video zu ihrem Song "Chicken Dinner" spielt an drei ganz einfachen, aber ur-amerikanischen Orten, beim Bingo, beim Bowling und bei einer Art Tanztee mit alten Leuten, die da ganz rührend in Petticoats und allem Pipapo eine Sohle aufs Parkett legen. Wofür steht dieser Song?
Winslow-King: Ich habe 15 Jahre lang in New Orleans gelebt, aber ich komme eigentlich aus Michigan im Norden der USA. Das Video feiert gewissermaßen meine Rückkehr in die alte Heimat. Und es gibt in der Americana-Musik diese Bilder, die alle gerne sehen, wie im Film "Oh Brother, Where Art Thou", also Züge, Gefängnisse, so etwas.
Aber es gibt auch die versteckteren Aspekte typischer amerikanischer Kultur wie Bowling-Bahnen oder Bingo-Hallen, die nicht so sehr gefeiert werden. Und die Dinge, die übersehen werden, sind oft die authentischsten.

Drost: Also eine Hommage an die einfachen Dinge des Lebens?
Winslow-King: Ja. So wie ich Musik mache und um die Welt reise und mich mit meiner Musik präsentiere, möchte ich, wenn ich nach Hause komme, genau das Gegenteil: Ich hänge dann an der Bowling-Bahn ab mit Leuten, die Polizisten, Feuerwehrmänner oder Postboten sind oder in der Autowerkstatt arbeiten. Das bereichert mich, hilft mir, mich zu erden, ich fühle mich dann mit der Welt verbunden und das hilft mir, inspirierende Musik zu machen.
Drost: Und vielleicht steht das ja auch für ein heiles, unbeschwertes Amerika, was gar nicht so leicht ist in diesen Tagen.
Winslow-King: Ja, wahrscheinlich. Ich bin mir sicher, dass die Leute an der Bowling-Bahn und die Bingo-Spieler auch ihre Probleme haben…
Drost: Sie sehen sehr glücklich aus…
Winslow-King: Ja, in dem Moment. Es geht im Leben darum, diese Momente echten Glücks zu feiern.
Drost: Sie haben lange Zeit in New Orleans gelebt, wie hat sich die Musikszene dort in den letzten Jahren verändert, und wie politisch ist Musik auch geworden?
Winslow-King: Es hat sich auf jeden Fall viel verändert, besonders seit dem Hurrikan Katrina. Ich bin mit 19 Jahren nach New Orleans gezogen und habe fast mein gesamtes Erwachsenenleben dort verbracht, ich bin jetzt 35 Jahre alt. Und ich habe meinen musikalischen Partner Roberto Luti dort getroffen, genauso wie unseren Drummer. Unsere Musik dreht sich schon sehr um das Erbe von New Orleans, aber wir werden auch durch andere Dinge beeinflusst.
Das Erbe dort ist so groß, es wird nie verschwinden, da können noch so viele Stürme kommen, oder große Unternehmen, die versuchen, das Leben dort zu ändern. Aber klar, diese Kultur wurde schon sehr kommerzialisiert, und es wird schwieriger, den Kern, die Wurzeln dieser Kultur zu finden. Aber es wird nie ganz verschwinden.

"Ich suche nach einem natürlicheren Leben"

Drost: Und wie finden Sie diese Wurzeln?
Winslow-King: Als ich 19 war, habe ich jeden Tag auf der Straße musiziert, für ein paar Dollars, und abends in den Bars, das waren zehn unbeschwerte Jahre. Ich habe auch Klassische Musik studiert. Aber ich habe es mir gut gehen lassen und von meiner Musik gelebt. Aber dann kam meine Karriere in Gang, ich war immer mehr unterwegs, in der ganzen Welt.
Jetzt bin ich 35, und ich möchte gerne Zeit beim Angeln verbringen, und mit meiner Familie. Und nach New Orleans fahren und ein paar Gigs spielen und meine alten Freunde treffen. Ich suche nach einem natürlicheren, entspannteren Leben.
Drost: Sie wollen also der großartigen musikalischen Geschichte dieser Stadt nichts hinzufügen?
Winslow-King: Wow. Das wäre ein sehr großes Vorhaben. Ich nehme die Aufgabe sehr ernst, ein Repräsentant von New Orleans zu sein, wenn ich auf Tournee bin. Ich versuche, möglichst ehrlich und authentisch zusein. Ich glaube, das ist auch die Wurzel dieser Musik, ehrlich zu sein, und sein Publikum mit einzubeziehen. Nicht diese Musik auszustellen wie in einem Museum, diese Musik ist ein Ereignis. Aber wenn die Leute mich zur musikalischen Geschichte von New Orleans dazuzählen möchten, dann wäre ich sehr geschmeichelt.
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