"Lucia di Lammermoor" in München

Liebesthriller in biederen Bildern

Diana Damrau in der Titelpartie von "Lucia di Lammermoor" in München
Diana Damrau in der Titelpartie von "Lucia di Lammermoor" in München © Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Von Jörn Florian Fuchs · 26.01.2015
Das Belcanto-Debüt des Generalmusikdirektors Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper wurde mit Spannung erwartet - und enttäuschte etwas. Petrenko dirigierte detailverliebt, aber gleichförmig. Das Unruhige, Schroffe habe gefehlt, kritisiert Jörn Florian Fuchs.
Die polnische Regisseurin Barbara Wysocka kommt zum Schlussapplaus in einem synthetisch glitzernden Minikleid und setzt dadurch einen hübschen Kontrapunkt zu ihrer eher farblos matten Inszenierung. Gaetano Donizettis berühmter Liebesthriller spielt eigentlich in schottischen Nacht- und Nebelwelten, Wysocka verlegt die Handlung in ein halb verfallenes Hotel oder Büro oder eine Firmenlobby im Amerika der 1960er-Jahre. Milchiges Licht schimmert von oben herein, alte Möbel stehen herum und gleich zweimal wird der Ort sogar zur kurzfristigen Garage für ein schnittiges Automobil.
Mal wie Jackie Kennedy, mal wie Marilyn Monroe
Lucia posiert mal wie Jackie Kennedy, mal wie die Monroe. Wenn sie wütend ist, schickt sie einen sich drehenden Bürostuhl durch den Raum. Das Stück zeigt ja den geistigen und seelischen Verfall einer Frau, die sich in den Spross einer verfeindeten Familie verliebt hat und zum Schein - um den Ihrigen aus der Patsche zu helfen - eine Ehe mit mit einem Anderen eingeht. Aus Missverständnissen erwächst die Tragödie, an deren Ende Lucia und ihr Angebeteter Edgardo tot sind.
Diana Damrau vermag in der berühmten Wahnsinnsarie vollständig zu überzeugen (begleitet vom exzellenten Sascha Reckert an der Glasharmonika), doch zuvor irritierte der Sopranstar durch eine gewisse Künstlichkeit in den Höhen. Die irren Koloraturgirlanden passten in Damraus Interpretation eher zur mechanischen Puppe Olympia aus Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen". Szenisch wirkte Damrau ziemlich allein gelassen, sie rettete sich mit einschlägigem Standardpathos. Besonders albern war das Hantieren mit einer Pistole während der gesamten Wahnsinnsarie, später erschoss sich dann auch noch Edgardo. Pavol Breslik gab seine Partie mit hellem, vielleicht etwas zu mildem Timbre.
Ein kleines Mädchen irrt sinnlos umher
Wer wer ist und wo das Ganze genau spielen soll, bleibt unklar. Man sieht vielleicht eine Pressekonferenz, vielleicht eine Party, vielleicht irgendwelche politischen Verhandlungen und Verwicklungen. Ein kleines Mädchen irrt anfangs und dann immer wieder mal umher, diese Lucia-Verdopplung ist und bleibt Wysockas einzige Regieidee. Wirklich Sinn macht sie nicht.
Mit großer Spannung erwartete man das Belcantodebüt von Münchens Generalmusikdirektor Kirill Petrenko. Es hinterlässt leider zwiespältige Eindrücke. Findet sich bei Barbara Wysocka zu wenig Konzept, so ist es hier zu viel. Petrenko dirigiert über weite Strecken zu detailverliebt, dabei dennoch recht gleichförmig. Mehrfach setzt er merkwürdige Generalpausen. Häufig fehlt das Unruhige und Schroffe sowie der Mut zum Risiko. Berückend schön gelingen allerdings viele kammermusikalische Stellen. Bezeichnenderweise hielt sich der Applaus während der Aufführung in Grenzen, am Ende herrschte großer Jubel, für die Regie gab es einige Buhs. Wysocka verteilte daraufhin Kusshändchen.
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