"Loud Places" von Jamie xx

Liebeskranke auf der Pirsch

Die britische Band The xx beim Sziget Festival in Budapest 2012. In der Mitte Jamie Smith, der jetzt ein Solo-Album vorlegt.
Die britische Band The xx beim Sziget Festival in Budapest 2012. In der Mitte Jamie Smith, der jetzt ein Solo-Album vorlegt. © dpa / picture alliance / Balazs Mohai
Von Gesa Ufer · 11.06.2015
Nach sieben Jahren Arbeit vollendet ist das Solo-Debüt von Jamie xx, dem Soundtüftler der englischen Indiepop-Band The xx. Eine der ersten Auskopplungen, den Song "Loud Places", hat Gesa Ufer genauer unter die Lupe genommen.
Das ganze Drama packt die Erzählerin bereits in die ersten Textzeilen:
Sie geht dahin wo's laut ist,
um jemanden zum Ruhig-Sein zu finden,
jemanden, mit dem sie in Würde nach Hause gehen kann.
I go to my places
To search for someone
To be quiet with
Who will take me home
Sängerin Romy Madley Croft leiht auch dem Bandprojekt The XX ihre stoische, halb gehauchte Stimme. Jetzt singt sie von dieser jungen Frau, die sich – krank vor Liebeskummer – die Nächte in lauten Clubs um die Ohren schlägt. Und sich vorstellt, wie auch ihr Verflossener ausgeht:
You go to loud places
To find someone who
Will take you higher than...
I took you
Er gehe nachts auf die Pirsch, um jemanden zu finden, der großartiger sei als sie, mutmaßt die Liebeskranke, jemanden, um richtig abzuheben.
Jamie xx integriert auf seinem Debüt-Album ungemein geschickt Versatzstücke klassischer Popsongs. Dabei wird nicht nur die gesampelte Musik zum Echo und Resonanzraum vergangener Zeiten, auch die Texte beginnen, in einem Raum aus verwaschenen Erinnerungen und Träumen ein Eigenleben zu führen.
Ein Sample macht's möglich: Die schwermütige Erzählerin trifft auf ihr männliches Gegenstück. Musikalisch schließt Jamie xx seine düsteren Dub-Step-Beats mit diesem Refrain eines alten Disco-Klassikers kurz. "Wird der Himmel jemals an das hier heranreichen?" fragte Idris Muhammad 1977 in seinem Song "Could Heaven ever be like this".
Ausschnitt Originalsample:
I feel music in your eyes
I have never reached such heights
I feel music in your eyes
I have never reached such highs
Jamie xx motzt diesen Ausschnitt klanglich so auf, als melde sich zu den wummernden Bässen in der Disco der Verflossene plötzlich selbst zu Wort.
Sample:
I feel music in your eyes
I have never reached such heights
I feel music in your eyes
I have never reached such highs
Mit fast biblischem Pathos besingt dieser Mann die Ekstase zweier Liebender auf dem Dancefloor. Die Musik durchdringt alles, sie spricht aus den Augen der Tänzer und führt ihn in geradezu göttliche, nie zuvor erreichte Höhen, in nie zuvor erreichte Rauschzustände.
Ob dieser ekstatische Moment real stattfindet oder nicht, bleibt unklar. Nach dem Abebben dieses Crescendos bleibt der liebeskranken weiblichen Erzählerin nichts anderes übrig, als ihre verflossene Liebe ziehen zu lassen.
Your on ecstacy
Without me
When you come down
I won't be around
Auf EINEN Triumph allerdings hofft sie noch: Den Moment, in dem ihr Ex nach seinem Höhenflug hart aufschlägt, um dann festzustellen, dass sie gegangen ist. Irgendwohin, wo's nicht so laut ist.
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