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Film "Über-Ich und Du"
Der alte Psychologe und der Ganove

Viel Witz zieht der Film "Über-Ich und Du" aus den Marotten und der spleenigen Lebensweise des alten Psychologen Curt Ledig. Der bislang als todernster Filmemacher bekannte Benjamin Heisenberg hat sich offenbar seinen ganzen Witz für diesen Ausflug ins Komödiengenre aufgespart und einen äußerst kurzweiligen, intelligenten Filmspaß fabriziert.

Von Josef Schnelle | 08.05.2014
    Ein interaktives Labyrinth psychoanalytischer Grundbegriffe
    Zwischen Slapstick und Ironie mit groteskem Hintersinn entwickelt sich eine kuriose Freundschaft zwischen einem Gangster und einem Psychologen. (picture-alliance/ dpa/dpaweb)
    "Hi Nick. Du schaffst jetzt die Kohle ran oder Du lernst mich kennen."
    Kleingangster Nick steht unter Druck. Seine einstigen Kumpel sitzen ihm im Nacken. Eigentlich keine neue Situation für ihn. Nick kann damit umgehen. Er sucht sich dann einfach ein neues Domizil, in dem er untertauchen kann. Doch es wird nicht einfacher. Und dann ist da plötzlich diese Gelegenheit: Nick ist zur Stelle, als ein Job vergeben wird - ganz zufällig. Der hochbetagte Psychologe Curt Ledig kann immer noch kluge Dinge in Fernsehinterviews von sich geben, aber im Alltag kann man ihn nicht mehr allein lassen. Das denkt jedenfalls seine Tochter und kümmert sich darum, jemanden zu finden, der ihn durch den Tag begleitet. So ist sie froh als Nick auftaucht. Der ist zwar keineswegs der bestellte Pfleger, doch Nick klärt den Irrtum nicht auf. Er schickt den eigentlichen Pfleger weg, der bald auftaucht, indem er behauptet, Ledig sei plötzlich verstorben. So erübrige sich dessen Anwesenheit.
    Zwischen Slapstick, Ironie und tieferer Bedeutung
    Nick interessiert sich für die wertvollen Bücher des Alten und wähnt sich außerdem in einem sicheren Versteck. Doch der Psychologe ist natürlich quicklebendig und so entwickelt sich schnell eine ungewöhnliche Kumpelkomödie zwischen diesen so verschiedenen Charakteren. Curt macht den schlichten Ganoven zu seinem Studienobjekt. Auch, wenn sich Nick anfangs dem Alten wegen dessen Marotten überlegen fühlt, muss er sich bald eingestehen, dass der alte Fuchs ihm überlegen ist. Ein paar Therapiestunden später ist Nick nämlich in Schwierigkeiten. Räume verschließen sich für ihn. Die ganze Ganovenüberlegenheit schwindet.
    "Das ist Balla Balla" - "Das ist Balla Balla und in die Küche kann ich auch nicht mehr." - "Ich fühl mich wie der letzte Dreck. Sie sind der Gangster. Ich will jetzt wissen, wie Sie mich wieder ins Lot kriegen und entweder wir legen jetzt los oder ich bring Sie sofort wieder zu Ihrer Familie zurück."
    Viel Witz zieht der Film auch aus den Marotten und der spleenigen Lebensweise des Alten. Der bislang als todernster Filmemacher bekannte Benjamin Heisenberg hat sich offenbar seinen ganzen Witz für diesen Ausflug ins Komödiengenre aufgespart und einen äußerst kurzweiligen, intelligenten Filmspaß fabriziert. Vielleicht sollten sich Psychologen häufiger mit kleinen Gaunern an einen Tisch setzen. Zwischen Slapstick, Ironie und tieferer Bedeutung mit groteskem Hintersinn entwickelt sich eine kuriose Freundschaft, die soweit geht, dass der Psychologe den Gangster, den er bald durchschaut, zu Therapiezwecken bis zum Hals in die Erde einbuddelt, damit der zuhört.
    "Ruhe jetzt." - "Stellen Sie sich vor, Sie sind ein kleiner Baum." - "Noch zwanzig Minuten, dann holen Sie mich hier wieder raus. Verstanden? Diese Therapie. Wie lang dauert das?" - "Das hängt von Ihnen ab." -X - "Wir haben zwanzig Minuten ausgemacht. Ich muss aufs Klo." - "Du bist noch nicht soweit."
    Duell der Charaktere auf die Spitze getrieben
    Wenn sich zwei sehr unterschiedliche Typen in einem Film zusammenraufen, dann nennt man das einen "Buddy-Film", einen Film, in dem Kumpel Pointen austauschen. Meist handelt es sich dabei um reine Situationskomik. Meist ist daran kein Psychologe beteiligt und auch kein Regisseur, der dafür einen Sinn hätte. Benjamin Heisenberg treibt seine Geschichte jedoch zum Äußersten. Die Hauptdarsteller - darunter der belgische Star aus vielen Kaurismäkifilmen, André Willms, - haben sichtliches Vergnügen daran, das Duell der Charaktere auf die Spitze zu treiben. Ein Psychologe und ein Gangster. Da kann doch kein Auge trocken bleiben. Am Anfang gibt der Psychologe ein Fernsehinterview, das just dann unterbrochen wird, als er eigentlich seine Verstrickung in die Nazi-Ideologie im Dritten Reich erklären soll. Viel später zeigt sich, dass der Wille die Vorstellung sowieso beherrscht. Nick wird die Erfahrungen, die er gemacht hat, nicht los.
    "Ich weiß nicht was los ist. Hab lauter irres Zeug geträumt. Da war der Alte. Ich hab mich so wahnsinnig schlecht gefühlt." - "Welcher Alte?" - "Der Curt Ledig." - "Der Psychologe Curt Ledig?"