Londoner Ausstellung "Defining beauty"

Verkörperte Schönheit

Blick in die Ausstellung "Defining beauty: the body in ancient Greek art" im British Museum in London.
Die Göttin der Schönheit (l.) wendet den Besuchern ihr rundes Gesäß zu - Blick in die Ausstellung "Defining beauty: the body in ancient Greek art" © AFP / Leon Neal
Von Jochen Spengler · 24.03.2015
Das British Museum zeigt Kunstwerke der griechischen Antike. Die Schau "Defining beauty" gilt als "Must see" der Saison. Darunter ist auch die Bronzefigur eines nackten Athleten, die erst kürzlich im Meer gefunden wurde.
Dem Museumsdirektor ist der Stolz auf die Ausstellung anzumerken, die schon vor Eröffnung von vielen britischen Zeitungen fünf Sterne bekommen hat und als "must see" und Höhepunkt des Jahres bezeichnet wird. "Defining Beauty" ist laut Neil MacGregor:
"... der Versuch des Museums die Erzählweise des Körpers in der griechischen Kultur zu beleuchten, eine Erzählweise, die beeinflusst, wie wir über uns selbst denken, nicht nur über unseren Körper, sondern auch über uns als Bürger und Verstandesmenschen."
Etwa 150 Objekte sind, wunderbar ausgeleuchtet, in sechs thematisch strukturierten Räumen zu sehen, viele davon aus dem Bestand des Museums, darunter auch einige der Parthenon-Marbles - erstmals in neuer Umgebung und dem Betrachter sehr viel näher präsentiert. Aber es werden auch Kunstwerke aus München, Berlin oder New York präsentiert, darunter - so MacGregor - bedeutende Leihgaben, wie sie das Museum nur selten erhalte, etwa die Bronzestatue eines nackten Athleten, der seinen Körper vor dem Baden kratzt, und die von Kroatien erst vor wenigen Jahren vom Meeresgrund geborgen wurde.
"Das ist ein nationaler Schatz und für uns eine Chance, zu erfassen wie die griechischen Bronzestatuen, von denen so wenige überlebt haben, tatsächlich aussahen. Im Detail, die Perfektion des Körpers zu bewundern. Denn was wir meist als griechische Körper verstehen, sind tatsächlich Marmorkopien der Römer wie die hockende Aphrodite."
Lockend und abweisend: die Göttin der Schönheit
Die Göttin der Schönheit eröffnet die Ausstellung und empfängt den Besucher mit ihrer Kehrseite, wendet ihm ihr rundes Gesäß zu. Er habe sich für diese Anordnung ganz bewusst entschieden, sagt der Kurator Ian Jenkins.
"Wie sie über die rechte Schulter zurückschaut und ihre Finger über die linke Schulter streicht, das scheint uns in ihre Intimsphäre einzuladen. Und dann gehen wir um sie herum, doch sie wehrt uns ab, enthüllt uns nicht ihre Sexualität und wenn wir dann fast ganz herum sind und die Göttin zu finden glauben, da wirkt dieser Arm, der erst einladend schien, so, als würde er uns mit einem Schlag ins Gesicht bedrohen und sie wirft uns einen einschüchternden Blick zu."
Aphrodite war die große Ausnahme in der Griechischen Kunst. Wenn Griechen überhaupt den weiblichen Körper darstellen wollten, dann zeigten sie ihn verhüllt und offenbarten dabei oft mehr als sie verdeckten. Doch das antike Schönheitsideal war männlich, der nackte, muskulöse Körper als Zeichen des Heldentums und nicht der Schwäche oder Scham.
"Die Ästhetik der Kalokagatia, der Vollkommenheit, galt nur für Männer, für Bürger. Frauen waren nur die Ehefrauen, aber ebenso wenig Bürger wie Sklaven oder Landarbeiter."
Und so folgen auf Aphrodite drei große, bekannte männliche Statuen, die dem Besucher als eine Art lebendiges Gegenüber präsentiert werden. Der Diskuswerfer, eine römische Marmorkopie des verlorenen Originals von Myron, Georg Römers Bronze-Rekonstruktion des Speerträger von Polyklet und ein Original: der Flussgott Ilissos von Phidias für den Parthenon-Tempel gefertigt und inzwischen wieder zurück aus Sankt Petersburg, wohin er einige Monate ausgeliehen war. Alle drei Urschöpfer sollen Konkurrenten gewesen und vom selben Lehrer unterrichtet worden sein.
Dass sehr viele Werke der Antike eigentlich farbig bemalt waren, erfährt man in den weiteren Räumen. Ebenso, dass Körperakte als Bildersprache für das menschliche Leben, für Geburt, Sexualität und Tod genutzt wurden. Der Höhepunkt am Schluss: ein bemerkenswerter Dialog der Skulpturen. Noch einmal Neil MacGregor:
"Der Vatikan hat uns den 'Torso vom Belvedere' ausgeliehen. Es ist die römische Kopie einer älteren griechischen Statue. Die Statue galt um 1500 als Perfektion des menschlichen Körpers, das Ideal menschlicher Schönheit. Im Vatikan hat sie Michelangelo nachgezeichnet und als Modell für seinen Adam an der Decke der Sixtinischen Kapelle genutzt. Nur eine Zeichnung hat überlebt und die ist glücklicherweise im Britischen Museum und kann nun erstmals zusammen mit dem Torso betrachtet werden. Und daneben steht die Skulptur, die den Vatikan-Torso von der Spitze der Perfektion verdrängt hat: die Dionysos-Statue der Phaidas Schule vom Parthenon-Giebel, erstmals in Augenhöhe zu sehen."
In einem Raum drei Kunstwerke, die den Europäern verschiedener Epochen jeweils als die Verkörperung menschlicher Schönheit galten.
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