Lockdownstrategie der Politik

Die Sorge vor der dritten Welle

03:41 Minuten
Jens Spahn (r-l, CDU), Bundesminister für Gesundheit, Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Klaus Holetschek (CSU), Vorsitzender Länder-Gesundheitsministerkonferenz und bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, geben eine Pressekonferenz zur Corona-Lage im Lockdown.
Die Coronazahlen genau beobachten und abwägen, lautet derzeit die Devise von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. © picture alliance / dpa / Kay Nietfeld
Von Johannes Kuhn · 19.02.2021
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Kommt eine neue Coronawelle, und wenn ja, wie heftig? Die Infektionszahlen durch die britische Mutante könnten - das zeigt Flensburg - alle schönen Öffnungspläne der Politik über den Haufen werfen. Gesundheitsminister Spahn mahnt zur Vorsicht.
Die Interpretation der aktuellen Corona-Entwicklung ist derzeit eine schwierige Angelegenheit. "Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt - der rückläufige Trend der letzten Wochen setzt sich offenbar nicht mehr fort", warnt denn auch Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI).
Der bundesweite Sieben-Tage-Inzidenzwert pendelte sich diese Woche bei knapp unter 60 ein. Die Neuinfektionen gingen in den vergangenen Tagen nicht oder nur leicht zurück.
Das besonders kalte Wetter könnte eine Rolle gespielt haben, aber auch der wachsende Anteil der ansteckenderen Covid-Mutante B.1.1.7. Genau lässt sich das jedoch nicht sagen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn diagnostiziert eine Seitwärtsbewegung und mahnt zur Vorsicht: "Das Bedürfnis nach einem Ende des Lockdowns ist spürbar, es ist geradezu greifbar. Aber wir müssen beim Öffnen sehr behutsam und umsichtig vorgehen, um auch das Erreichte nicht zu verspielen."

Thüringen hat schon verlängert

Das nächste Bund-Länder-Treffen am 3. März soll Kriterien und Reihenfolge für Öffnungen festlegen. Thüringen hat angesichts steigender Zahlen den Lockdown bereits bis Mitte März verlängert. Insgesamt ist aber das Infektionsgeschehen auch regional stark unterschiedlich.
Das müsse sich in den Maßnahmen widerspiegeln, forderte der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann am Morgen in der ARD: "Es kann nämlich nicht angehen wie hier bei mir in der Nähe von Schweinfurt schon seit Tagen eine Inzidenzzahl von unter zehn ist - und in Flensburg eine Zahl von fast 190 pro Hunderttausend pro Woche. Dass da die gleichen Maßnahmen ergriffen werden. Hier müssen wir natürlich differenziert vorgehen und regional auch die Möglichkeit in Aussicht stellen, Öffnungen auch zu geben."
Auch Jens Spahn rechnet mit einer Ausdifferenzierung, erinnert aber daran: In der Praxis sei das gar nicht so einfach umzusetzen.
"Wenn der eine Landkreis im Lockdown ist und der andere mit einer geringen Inzidenz, und alle fahren dann drüben einkaufen: Das ist nicht Sinn der Sache. Und deswegen müssen wir eben miteinander auch dann regional die Dinge klug abgestimmt machen."

Selbst bei Wert 35 noch Abstufungen

Kluge abgestimmte Konzepte fordert auch Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder. Man müsse schnell auf mögliche Anstiege reagieren können. Selbst bei Inzidenzwerten unter 35 müsse es Abstufungen geben, zum Beispiel im Handel.
"Wir werden uns überlegen, dann auch in verschiedenen Stufen zu operieren. Das kann von Öffnungen sein, das kann von Öffnungen mit kleinerer Quadratmeterzahl bis hin zu dem Konzept 'Click und Meet', also mit einzelnen Terminvergaben gehen. So dass wir dann für den Handel insgesamt eine Öffnungsperspektive erarbeiten, die man dann den Inzidenzen anpassen kann."
Das sagte Söder nach einer Videoschalte mit bayerischen Kommunalpolitikern, Spahn und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Während der Handel noch wartet, sind seit dieser Woche Kitas und Grundschulen in den ersten Bundesländern wieder geöffnet. Ab kommenden Montag kehren weitere 2,3 Millionen Grundschüler in den Präsenzunterricht zurück. Dann werden die Gesundheitsminister von Bund und Ländern auch über die Änderung der Impfpriorisierung beraten.

Kitapersonal und Lehrkräfte sollen geimpft werden

Wenn es nach Gesundheitsminister Spahn geht, sollen Erzieher und Grundschullehrer in der Impfreihenfolge vorgezogen werden:"Aus unserer Sicht kann man das deswegen auch herleiten und rechtfertigen, weil bei Kitas und Grundschulen – vor allem bei Kitas – das Thema Abstand und Hygiene nicht so umgesetzt werden kann wie etwa in der Oberstufe."
Um den Ausbau der Impfstoffproduktion in Deutschland voranzutreiben, setzt die Bundesregierung nun einen Sonderbeauftragten ein. Die beim Wirtschaftsministerium angesiedelte Koordinierungsaufgabe soll Christoph Krupp übernehmen. Der Vertraute von Finanzminister Olaf Scholz leitet bislang die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.
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