Lobhudelei

Verabredung der Cineasten

Von Arno Orzessek  · 03.12.2013
Ein neuer Film der Coen-Brüder in den Kinos, schon überbieten sich die Feuilletons mit merkwürdigen Zitatüberschriften. Daneben findet sich aber dennoch Platz für Ausstellungsbesprechungen oder Gedanken über Alice Schwarzers Fundamentalpositionen.
Über dem Interview der TAGESZEITUNG mit den Coen-Brüder steht das Zitat:
"Erfolg hat uns einfach nicht interessiert."
Über dem Coen-Interview der Tageszeitung DIE WELT steht dagegen das Zitat:
"Erfolg? Das ist uninteressant!"
Der Berliner TAGESSPIEGEL aber setzt über sein Coen-Interview das nunmehr irritierende Zitat:
"Da dachten wir: Werfen wir eine Katze rein!"
Nimmt man hinzu, dass Tobias Kniebe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG anlässlich des neuen Coen-Film "Inside Llewyn Davis", dem Porträt eines erfolglosen Folk-Musikers der Vor-Bob-Dylan-Ära, feststellt:
"Die Coens sind inzwischen zu einer Dimension des Humors vorgestoßen, die unerklärlich ist".
Nimmt man weiter hinzu, dass die BERLINER ZEITUNG den Coen-Film unter dem Titel "Böse Menschen haben keine Lieder" "genial" nennt ... .
Und berücksichtigt überdies, dass der TAGESSPIEGEL neben dem erwähnten Coen-Interview auch Rüdiger Schapers Kritik zu "Inside Llewyn Davis" abdruckt, dann heißt das noch lange nicht, dass die hiesigen Feuilletons von einer obskuren Macht thematisch gleichgeschaltet worden wären.
Wohl aber, dass die Coen-Fans unter den Feuilletonlesern auf ihre Kosten kommen, sofern sie am Kiosk in Vorkasse gehen. Das dazu.
"Posing mit Penis, Poesie und Palette" plappert - plakativ mit p-Plosiven protzend - die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Samuel Herzog zieht ein Fazit der Vienna Art Week, das so endet:
"Der Mensch soll 656 Muskeln besitzen - ob es auch 656 Posen gibt, sie einzeln vorzustellen? Sicher ist, das Wien derzeit seine sämtlichen Kunstmuskeln angespannt hat - da fängt man sich leicht einen Augenmuskelkater ein. Dabei dachte Matisse zum Beispiel bei seiner Arbeit wohl weniger an Posing denn an Relaxing - 1908 auf jeden Fall formulierte er: 'Ich träume von einer Kunst, die eine Erholung für das Gehirn ist, so etwas wie ein guter Lehnstuhl, in dem man sich von physischen Anstrengungen erholen kann'."
"Hier bist du Kind, hier darfst du's sein", duzt uns derweil DIE WELT.
Eckhard Fuhr resümiert nach dem Besuch der Baden-Badener Ausstellung "Kindheit - eine Erfindung des 19. Jahrhunderts" und der Begutachtung ernsthafter Kinderporträts namentlich von Karl Blechen und Franz von Lenbach:
"Niedlich ist nichts an ihnen."
Liebhabern zufälliger Bezüge wird auffallen, dass die Überschrift "Hier bist du Kind, hier darfst du's sein" dicht unter einem ganz drallen und halb busenfreien Pin-up des Comic-Zeichners Milo Manara steht.
Der Artikel, in dem Mathias Heine die neue Manara-Werkausgabe bespricht, heißt schlüpfrig-unschlüpfrig: "Click dich doch selbst!"
Was nur bedingt elegant zur Prostitutionsdebatte überleitet, die Meredith Haaf in der SZ fortsetzt.
Haaf beklagt das "altmodische Frauenbild" mancher Prostitutionsgegnerin und kommt, kaum zu glauben, auf Alice Schwarzer zu sprechen:
"Schwarzer hält Frauen offensichtlich nicht für fähig, den Sex, den sie haben, von sich selbst zu trennen. Das Wort 'Frauenkauf', das von Schwarzer oft verwendet wird, ist besonders deutlicher Ausdruck eines Essentialismus, laut dem eine Frau dasselbe ist wie ihr Sex."
Und das findet Meredith Haaf haarsträubend:
"Schwarzer macht Politik mit einer Ideologie, die man ganz einfach patriarchalisch nennen kann."
Zuletzt ein Geschenk-Tipp von WELT-Autor Alan Posener.
"Wer meint, seinen Kindern ein entspanntes Verhältnis zu religiösen Geboten beibringen zu müssen, dem sei ein Buch empfohlen, das nicht zuletzt deshalb als Werk der Weltliteratur gilt, weil dessen Helden mit Pu, Kröterich, Alice, Peter Pan, Michel, Pippi und Co. die moralische Mehrdeutigkeit gemein haben."
In der WELT steht nun ein Doppelpunkt. Dann der Name des Buches. Es ist – tätärä: "die Bibel".
Sie wissen nicht, was Sie dazu sagen sollen, liebe Hörer? Dann sagen Sie doch einfach, was die Coen-Brüdern im TAGESSPIEGEL-Interview sagen – nämlich:
"Damit hätten wir nicht gerechnet."