Live von "Intonations" im Jüdischen Museum Berlin

Zwingend notwendige Musik

Das Kammermusikfestival Intonations im Glashof des Jüdischen Museums Berlin
Das Kammermusikfestival Intonations im Glashof des Jüdischen Museums Berlin © Monika Rittershaus/Jüdisches Museum Berlin
Moderation: Volker Michael · 13.05.2020
Die 9. Ausgabe des Kammermusikfestivals Intonations ist im Corona-Modus ein Mini-Festival ohne Publikum - wir übertragen live auch den zweiten Abend aus dem Jüdischen Museum Berlin mit Werken von Mahler, Mozart, Schönberg und Mendelssohn Bartholdy.
Das für Ende April geplante Kammermusikfestival Intonations musste verschoben werden und findet nun Mitte Mai an drei Abenden ohne Publikum und mit leicht veränderten Programm statt. Wir übertragen zwei Abende live aus dem Jüdischen Museum Berlin und den dritten Abend in Aufzeichnung am 28. Mai.

Das deutschsprachige Jerusalem

Die Wiener Musikkultur steht unverändert wie ursprünglich geplant im Zentrum dieses Mini-Festivals, das in der Form von Geisterkonzerten stattfindet. Wien war um 1900 eine Art deutschsprachiges Jerusalem, wegen seiner großen Jüdischen Gemeinde, aber auch wegen seiner Orientalität, also den starken osteuropäischen und südosteuropäischen Einflüssen. Und die meisten Musikerinnen und Musiker, die dort wirkten, waren selbst gar nicht aus Wien, sondern hatten sich die Metropole als Wirkungsort ausgesucht, wenn nicht sogar ihre Anerkennung als Künstler dort hart erkämpft.
Das Kammermusikfestival Intonations im Glashof des Jüdischen Museums Berlin
Das Kammermusikfestival Intonations im Glashof des Jüdischen Museums Berlin© Monika Rittershaus/Jüdisches Museum Berlin
Eine Person steht als Alma Mater hinter dem "Jerusalem International Chamber Music Festival" und dem Berliner Ableger "Intonations" im Jüdischen Museum: Die in Berlin lebende Pianistin Elena Bashkirova. Auch der neunte Jahrgang des überaus erfolgreichen Kammermusikfestivals sollte wieder renommierte Musiker aus vielen Ländern im Glashof des Jüdischen Museums Berlin versammeln – auf Einladung Bashkirovas und eines Freundeskreises. Doch nun ist es im Jahr 2020 ein kleines Festival, das allein im Radio bei uns und im Live-Stream des Jüdischen Museums zu erleben ist.
"Intonations" gehört zu den wenigen dezidierten Kammermusikfestivals der Bundeshauptstadt. Das Publikum strömt eigentlich immer im April ins Jüdische Museum, um anspruchsvolle und oft auch lang dauernde, jedoch immer spannende Programme zu genießen. Nun sind die Musikfreunde auf die Verbreitung über Radio und Internet angewiesen. Doch Elena Bashkirova geht mit ihren Musikerinnen und Musikern mutig voran, um auch anderen Kammermusikfestivals Wege aus dem existenzbedrohenden Lockdown anzuzeigen. Musik muss live gespielt werden - eine Veranstalung wie ein solches Musikfestival ist zwingend notwendig und kann nicht dauerhaft im Stadium des "abgesagt"-Zustands gehalten werden.
Das Pausengespräch zum Festival 2020 mit Elena Bashkirova können Sie hier hören:
Ein kleiner Schwerpunkt liegt dieses Jahr auf der Darstellung großbesetzter Werke in kleinerer Formation - als hätten sie die Nöte unserer Tage vorausgeahnt, haben die Komponisten der Zweiten Wiener Schule - Schönberg, Berg und Webern - die opulenten Walzer der Strauss-Dynastie für Kammerbesetzung arrangiert. Zwei der bekanntesten Werke aus dem reichen Schaffenskatalog stehen auf dem diesjährigen Intonations-Programm, der Walzer "Rosen aus dem Süden" am ersten und der "Schatz-Walzer" am zweiten Abend.

Statt dem "großen Orchestre"

Ebenso reduziert ist die Besetzung in den beiden Klavierkonzerten Wolfgang Amadeus Mozarts, die im Festivalprogramm 2020 auftauchen: Das in C-Dur KV 415 erklingt am ersten Abend mit der Festivalleiterin als Klaviersolistin - mit fünf Streichern in der Rolle des begleitenden Orchesters.
Dieses wie ebenso das am dritten Abend erklingende A-Dur-Konzert KV 414 hat der Komponist selbst sowohl zur Aufführung "bey großem Orchestre mit blasenden Instrumenten" als auch in einer kleinen Streicherbesetzung vorgesehen. Auch er hat also unbewusst vorgesorgt für Zeiten eines damals unvorstellbaren Konzertverbots - eine "Normalisierung" ermöglichen wir, indem wir uns das große Repertoire in kleinen Schritten erschließen, um dann hoffentlich bald wieder das "große Orchestre" hören zu können. Nicht weniger orchestral gedacht ist das so genannte "Kegelstatt-Trio" für Klarinette, Viola und Klavier.

Evergreens des Kammermusikrepertoires

Ob nun bekannte und beliebte oder ausgefallene und neuartige Werke - alle erklingen bei "Intonations" in einer engagierten Version, die die Gäste Elena Bashkirovas liebevoll erarbeitet haben. Im reduzierten Festivalprogramm des Jahres 2020 gibt es besonders viele Evergreens des romantischen Kammermusikrepertoires, darunter auch das Trio und das Quintett für die Klarinette von Johannes Brahms. Eigentlich endet das Intonations-Festival genauso wie das Mutter-Festival in Jerusalem stets mit dem Streichoktett von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Reifes Jugendwerk

Statt des herzerweichenden und begeisternden Jugendwerks des quasi Berliner Komponisten gibt es in diesem Jahr sein Streichquintett aus späterer Zeit. Ein Stück, das den Entwicklungsprozess eines Wunderkindes hin zu einem erfahrenen, der Welt dienenden Künstler erfahrbar werden lässt. Dafür beginnt der zweite Abend der "Intonations" mit einem anderen erstaunlich reifen Jugendwerk - Gustav Mahlers einziges Kammermusikwerk. Der "Quartettsatz" ist eine Teenager-Komposition voll beeindruckender Tiefe und Schönheit, sie läutet den zweiten Abend des Festivals ein.
Hier finden Sie die Links zu den Livestreams des Jüdischen Museums Berlin:
Kammermusikfestival Intonations Live aus dem Glashof des Jüdischen Museums Berlin
Gustav Mahler
Klavierquartettsatz a-Moll

Clara Jumi Kang, Violine
Madeleine Carruzzo, Viola
Tim Park, Violoncello
Denis Kozhukhin, Klavier

Wolfgang Amadeus Mozart
Klarinettentrio Es-Dur KV 498 "Kegelstatt"-Trio

Karl-Heinz Steffens, Klarinette
Hartmut Rohde, Viola
Elena Bashkirova, Klavier

Johann Strauss (Sohn)
"Schatz-Walzer" op. 418 (arrangiert von Anton Webern)

Michael Barenboim, Violine
Malina Ciobanu, Violine
Madeleine Carruzzo, Viola
Eckart Runge, Violoncello
Denis Kozhukhin, Klavier
Heike Gneiting, Harmonium

Felix Mendelssohn Bartholdy
Streichquintett B-Dur op. 87

Mihaela Martin, Violine
Yamen Saadi, Violine
Hartmut Rohde, Viola
Madeleine Carruzzo, Viola
Frans Helmerson, Violoncello

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