Literaturnobelpreis für Peter Handke

Trauer um das Traumland der Kindheit

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Eine Buchhandelskette in Wien präsentiert den österreichischen Schriftsteller Peter Handke auf einem Extratisch.
Werke von Peter Handke werden nun wieder weit vorne auf den Büchertischen der Buchläden stehen. © picture alliance / apa / Hans Klaus Techt
Helmut Böttiger im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 10.10.2019
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Das Spätwerk Peter Handkes gilt als umstritten, verteidigte er doch in den Jahren des Jugoslawien-Krieges verbissen den serbischen Präsidenten Milošević. Man kann Handke diesbezüglich nur bedingt politisch verstehen, glaubt Helmut Böttinger.
Der österreichische Literaturnobelpreisträger Peter Handke durchlief in seinem Schaffen die verschiedensten Stationen. Mindestens drei solcher Perioden macht der Literaturkritiker Helmut Böttinger aus: ein Frühwerk, die Bestseller-Jahre als Popautor und ein umstrittenes Spätwerk.
"Auffällig ist, dass sich Handke im Lauf seiner Tätigkeit stark entwickelt und viele Wendungen genommen hat. Sein erster Roman, 'Die Hornissen', den er als 24-Jähriger veröffentlicht hat, ist sehr stark vom Noveau Roman geprägt. Nach diesen experimentellen Anfängen war seine größte Zeit, in der er Bestseller-Autor war, in den 70er-Jahren. Mit Büchern wie 'Der kurze Brief zum langen Abschied', 'Die Angst des Tormanns beim Elfmeter' und 'Wunschloses Unglück'. Da hat er tatsächlich die Bestsellerlisten gestürmt."
In dieser Zeit großer Popularität sei Handke zum führenden Popautor überhaupt geworden, vor allem mit Geschichten über seine Sozialisation in einem Kärntner Dorf:
"Diese autobiografische Befreiung führte zu einem Erzählton, der in den 70er-Jahren schon sehr einzigartig war und ihn zum führenden Popautor überhaupt gemacht hat."
Doch dann habe er diese Popliteratur wieder überwunden, im Gegensatz zu vielen seiner Altersgenossen, so Böttinger. Stattdessen habe Handke nach einer neuen politischen Sprache gesucht. Diese führte ihn zu seinem umstrittenen Spätwerk.

Das verlorene Märchenland Jugoslawien betrauern

Das Eintreten für den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević habe viele Freunde und Weggefährten Handkes so sehr befremdet, dass sie sich von ihm abwandten. Warum Handke in dieser Hinsicht eine große Verbissenheit an den Tag legte, erklärt Böttinger so:
"Man kann Handke diesbezüglich nicht unbedingt politisch verstehen. Er spricht von dem verlorenen Jugoslawien, das ist das Traumland seiner Kindheit. Seine Mutter war slowenischer Herkunft und das nahegelegene Jugoslawien war für ihn eine Märchenlandschaft, eine Mythenlandschaft. Dass dieses Jugoslawien zerstört worden ist, hat ihn umgetrieben."
Handke sei ein sehr impulsiver Mensch, er könne sehr jähzornig werden. Mit diesem seinem "überstürmenden poetisch-romantischen Temperament" habe er sich oft an politischen Tagesverhältnissen gerieben. Und dieser Umstand habe ihn auch immer umstritten gemacht.
(aba)
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