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Universität und Beruf
"Dualstudierende müssen sehr viele Kompromisse machen"

Studierende schätzten am Dualen Studium die Verzahnung von Theorie und Praxis, sagte Hochschulforscherin Sigrun Nickel im Dlf. Allerdings stelle diese Form der Ausbildung eine Doppelbelastung dar - Unternehmen seien gefordert, die Studierenden dabei besser zu unterstützen.

Sigrun Nickel im Gespräch mit Regina Brinkmann | 15.10.2018
    Junge Frau mit Schutzbrille an einem Geraet im Labor.
    Früh ins Berufsleben einsteigen und schon Geld verdienen - mit dem Dualen Studium ist das möglich, doch es gibt auch Nachteile (picture alliance / McPhoto)
    Regina Brinkmann: Duales Studium - dieser Begriff fällt in "Campus und Karriere" immer häufiger. Auch das zeigt, dass diese sehr praxisnahe Studienform zugenommen hat. 2005 haben weniger als ein Prozent aller Studienanfänger sich für ein solches Studium entschieden. 2014 waren es schon fast fünf Prozent, und dieser Trend dürfte sich noch fortsetzen. Das prognostizieren die Forscher vom Centrum für Hochschulentwicklung, CHE, die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung das duale Studium und berufsbegleitende Studienangebote näher untersucht haben. Einen Überblick über die Ergebnisse hat für uns Sigrun Nickel. Sie leitet am CHE die Hochschulforschung. Guten Tag, Frau Nickel!
    Sigrun Nickel: Ja, guten Tag!
    Brinkmann: Frau Nickel, warum hat das duale Studium immer mehr Zulauf?
    Nickel: Weil viele Studierende es sehr schätzen, dass Theorie und Praxis miteinander verzahnt werden, dass sie die Möglichkeit haben, relativ frühzeitig in das Berufsleben hineinzukommen. Es ist auch ein wesentliches Motiv, dass man parallel zum Studium schon etwas Geld verdienen kann zum Lebensunterhalt, aber in erster Linie oder einen sehr hohen Stellenwert hat diese Verzahnung zwischen dem, was so eher theoretisch an der Hochschule gelehrt wird und was durch die Praxis im Berufsleben dann auch gleichzeitig erworben wird. Dadurch erhoffen sich die Studierenden dann ganz häufig sehr gute Einstiegsmöglichkeiten im Anschluss an das Studium in den Arbeitsmarkt.
    Im Studium eingeschränkt
    Brinkmann: Werden denn die Erwartungen in größten Teilen erfüllt?
    Nickel: Das ist sehr individuell. Es ist so, dass die Studierenden sehr häufig Probleme haben, Theorie und Praxis sozusagen unter einen Hut zu bekommen, also sprich, das Studium an der Hochschule und das, was im Job so läuft und auch in der Ausbildung von ihnen gefordert wird, dann tatsächlich unter einen Hut zu bekommen. Das stellt sehr hohe Anforderungen an die Beteiligten. Es ist so, dass die Dualstudierenden zumindest in unserer Befragung gesagt haben, dass sie durch die Erwerbstätigkeit sehr viele Kompromisse machen müssen, sich oft schwer tun, die Lehrveranstaltungstermine an den Hochschulen tatsächlich einzuhalten. Die müssen ja dann vor Ort in der Hochschule an Lehrveranstaltungen teilnehmen, parallel zu dem, was sie ja praktisch im Betrieb auch machen. Das heißt konkret, es fällt ihnen zum Teil schwer, sich ausreichend vorzubereiten. Das gilt nicht nur für die Lehrveranstaltungen, sondern auch für die Prüfung, was ja relativ wichtig ist, denn da werden ja Noten vergeben. Aber ein weiterer Aspekt ist auch, dass Dualstudierende dann kritisieren, dass sie gar nicht so an der Hochschule verankert sind, das heißt, sie kriegen wenig mit von den - in Anführungsstrichen -"normalen" Studenten, Studierendenleben, also Teilnahme an sozialen Geschehen, Parties und was es da sonst noch alles gibt oder auch die sozialen Kontakte, die sich da ergeben. Da fühlen sie sich schon ein Stück weit eingeschränkt, weil sie sehr viel Zeit am Arbeitsplatz verbringen.
    "Arbeitgeber gefordert, sich stärker zu engagieren"
    Brinkmann: Wird denn diese Doppelbelastung, die Sie auch eingangs eben erwähnt haben, von den Unternehmen überhaupt wahrgenommen?
    Nickel: Also da gibt es auf jeden Fall noch starken Verbesserungsbedarf, haben wir jedenfalls festgestellt. Die Unternehmen sind da schon gefordert, die Studierenden noch besser zu unterstützen bei der Wahrnehmung dieser Doppelbelastung. Es gibt schon viele Unternehmen, insbesondere größere, die beispielsweise spezielle Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Dualstudierenden bereitstellen, aber das ist in vielen anderen, gerade mittelständischen Unternehmen nicht der Fall. Da sind Arbeitgeber durchaus gefordert, sich da noch stärker dann zu engagieren.
    "Sich genau informieren"
    Brinkmann: Wie kann ich das denn, bevor ich so ein Studium dann ergreife, herausfinden, ob ich sozusagen ein Unternehmen vor mir habe, das mich dann auch ausreichend unterstützt, bevor ich eigentlich in so eine Falle hineingerate?
    Nickel: Ich muss mich, ich sollte mich vorher ganz genau informieren, wer kooperiert da mit wem, mit welchen Unternehmen kooperiert die Hochschule, mit welchen Hochschulen kooperiert das Unternehmen, und dann mir genauere Informationen auch verschaffen, beispielsweise auch bei Gewerkschaften, was die für Erfahrungen haben mit dem dualen Studium an den jeweiligen Unternehmen. Also ich denke, eine Information ist wichtig. Wir haben rausgefunden in unserer Befragung, dass viele Dualstudierende sich nicht ausreichend vorher informiert haben und auch nicht informiert fühlten, die erst im Laufe des Studiums festgestellt haben, was diese Besonderheiten dann genau sind, wie hoch auch die Doppelbelastung ausfällt. Ich denke, das ist noch viel auch an Nachholbedarf, was jetzt die Öffentlichkeitsarbeit vonseiten der Unternehmen und auch der Hochschulen anbelangt, aber solange das noch so ist, sind die Studierenden beziehungsweise Studieninteressierte sollten sich da auf jeden Fall schlau machen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.