Literaturkritik im Netz

Geschnatter einer lebendigen Szene

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Grafik: Lesende Menschen.
Unter dem Hashtag "Bookstagram" gebe es eine lebendige Kritikerszene mit großer Reichweite. © imago images/fStop Images/alte Mueller
Sieglinde Geisel im Gespräch mit Frank Meyer · 11.09.2020
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Durch das Internet nehme die Deutungshoheit professioneller Literaturkritiker ab. Führt diese Demokratisierung auch zu einem Qualitätsverlust? Das Spektrum, wie im Netz über Literatur gesprochen wird, sei groß, sagt die Kritikerin Sieglinde Geisel.
Das Forschungsprojekt rez@Kultur" target="_blank" href="https://www.uni-hildesheim.de/rezkultur/">rez@Kultur der Universität Hildesheim untersuchte drei Jahre lang, wie Literatur online rezensiert und besprochen wird. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wie Literatur online bewertet wird. Darüber wurde auch bei der Tagung "rezensiv" gesprochen, erzählt die Literaturkritikerin Sieglinde Geisel.
Siegrid Löffler sagte im Deutschlandfunk Kultur über die Literaturkritik in Blogs und sozialen Netzwerken, das sei "Stammtischgeschnatter". Sieglinde Geisel als ehemalige Feuilletonredakteurin der NZZ hat die Skepsis über das Onlinewesen hautnah erlebt und findet die Demokratisierung der Literaturkritik interessant. Sie betreibt daher selbst das Onlinemagazin Tell. Es gebe durchaus auch viel professionelle Literaturkritik im Internet, sagt sie. Diese besetze meist Nischen. Auf fixpoetry beispielsweise gehe es um Lyrik, auf tralalit um die Übersetzung von Literatur.

Bei der Tagung, erzählt Geisel, habe die unterschiedliche Art und Weise, sich online mit Literatur auseinanderzusetzen eine Rolle gespielt. In Miriam Zehs Präsentation sei es um die Gamification der Literaturkritik gegangen. In Blogs würden Bilder gepostet, wie viele Bücher eines Autors der Rezensent gelesen habe. Das habe Züge vom Leistungssport.
Karina Elm habe analysiert, wie Literaturkritik auf Instagram funktioniere. Unter dem Hashtag "Bookstagram" gebe es eine lebendige Kritikerszene mit großer Reichweite. Literaturkritik in Form eines Fotos. Ein Buch und ein lächelndes Gesicht, sei als wohlwollende Kritik zu deuten. Es entstünden sogar eigene Kunstwerke der Nutzer, die mit dem Werk in einen Dialog träten. Dirk von Gehlen habe das in seiner Keynote "Co-Kreation" genannt.
Die meisten Leser hätten ein Bedürfnis, über die gelesenen Bücher auch zu sprechen. Für die Wahrnehmung der Bücher und für die Auseinandersetzung mit Literatur bringe dies sehr viel, meint Geisel. Dafür sei das Internet das ideale Medium.

(nis)
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