PJ Harveys Soundtrack zu "All About Eve"

Eine Erzählung, die keinen Text braucht

05:36 Minuten
PJ Harvey steht vor einem Mikrophon mit einem Saxophon in der Hand.
PJ Harvey, die Grand Dame der britischen Musikszene, greift mal zur knarzenden Gitarre, mal zum jazzigen Saxophon. © picture alliance/AP Photo
Von Claudia Gerth · 16.10.2019
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Die Sängerin PJ Harvey, ungekrönte Königin der britischen Subkultur, hat erstmals einen Soundtrack komponiert: Die Musik für das Theaterstück "All About Eve" ist fast rein instrumental. Einen Song jedoch singt eine sehr bekannte Schauspielerin.
"Bitte anschnallen, meine Herrschaften. Ich glaube, es wird eine stürmische Nacht." Ein ikonischer Satz aus "All About Eve" – "Alles über Eva" – hier gesprochen von Gillian Anderson in ihrer Rolle als Margo Channing. Ein Schlüsselmoment, in dem die Theaterdiva bemerkt, dass die viel jüngere Eva nicht mehr zu ihr aufschaut, sondern zur Konkurrentin geworden ist.
In "Alles über Eva" geht es um Eitelkeit, Ehrgeiz, um Jugendwahn und letztlich um Integrität, aber vor allem darum, was eine Frau für den Erfolg opfern muss. Im Leben wie im Showbusiness. Ein Sujet, das auch der mittlerweile 50-jährigen Polly Jean Harvey, auf ihr eigenes Leben übertragen, nicht fremd sein dürfte. War sie vielleicht selbst einmal kurz eine Eva und eiferte Patti Smith nach, so ist sie nun eine Grand Dame der britischen Musikszene und hat in ihrer Karriere immer den schwereren Weg der künstlerischen Integrität gewählt. Nun hat sie sich zum ersten Mal und gemeinsam mit James Johnston und Kenrick Rowe, der Herausforderung eines Soundtracks gestellt.

Wie ein grob gewebter Teppich

Lag bislang ihr Fokus zu gleichen Teilen auf Musik und Gesang, bereitete ihr die Arbeit am Soundtrack besonderen Genuss, da sie sich frei von jeder Songstruktur bewegen konnte. Es entstanden Instrumentalstücke, die zunächst anders zu sein scheinen, als ihre bisherigen Songs.
Mal versonnen, mal treibend repetitiv oder aufwühlend angespannt sind die Stücke, die ganz nach ihrer Funktion in der Handlung zum Beispiel "Ascending", also aufsteigend, oder "Descending", absteigend, heißen. Sie funktionieren dramaturgisch unterstützend, verstärken und evozieren Gefühle.
Und bei genauem Hinhören bemerkt man dann doch die typische Arbeitsweise von PJ Harvey: Die Textur der Stücke ist wie ein grob gewebter Teppich. Auch der trägt seine einzelnen Fäden sichtbar und ist rückseitig doch viel komplizierter gemacht, als auf den ersten Blick zu erkennen.

Synthesizer und Streicher statt Gitarre

Sind die einzelnen Fäden in ihrer Musik früher eher eine heulende oder knarzende Gitarre, ein bedrohlicher Basslauf oder zuletzt ein freejazziges Saxophon gewesen, so sind es auf ihrem "All About Eve"-Soundtrack nun Synthesizer-Drones, Klavier und Streicher. Gerade die Streicher, die sich in den Gehörgang schneiden, als ob sie plötzlich aus dem Dickicht stoßen.
Die Stücke haben also eine narrative Qualität, auch ohne Text. Eine von zwei Ausnahmen ist "The Sandman", gesungen von Gillian Anderson. In dem Song bricht sich das Selbstmitleid der Figur Margo Channing Bahn. Sie fühlt sich ihres Alters wegen minderwertig gegenüber Eva. Doch am Ende bemerkt sie, dass sie etwas hat, das viel wertvoller ist, als die Jugend: Sie hat Stil und Eleganz. Dinge, die auch auf den Soundtrack von PJ Harvey zutreffen. Ein Album, das sich nicht nahtlos in ihr Schaffen einreiht. Für einige wird die Musik ohne den Kontext des Bühnenstücks nicht funktionieren. Doch für diejenigen, die bei zeitloser, atmosphärischer Musik ihren eigenen Gedanken nachgehen können, schon.
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