Literatur und Kolonialismus

Im Herzen der Finsternis

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Ein undatiertes Sammelbild: Robinson Crusoe weiht Freitag in den Gebrauch von Feuerwaffen ein.
Ein undatiertes Sammelbild zu "Robinson Crusoe": Defoes Roman zeigt die Programmatik des Kolonialismus. © picture alliance / dpa
Von Michael Reitz · 31.01.2020
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Mit Soldaten allein lässt sich keine Kolonie erobern. Es braucht Politiker und Wirtschaftsführer sowie Priester und Schriftsteller. Sie legitimieren Okkupation und Ausbeutung. Nicht selten entlarven sie aber auch die kolonialistische Ideologie.
Daniel Defoes Roman "Robinson Crusoe" von 1719 ist nicht nur die Geschichte eines Abenteuers, weiß der Leipziger Anglistik-Professor Oliver Lindner.
"In dem Verhältnis von Freitag, dem Diener, und Crusoe selbst als dem Herren, werden ganz programmatisch Dinge festgeschrieben, wie eine koloniale Beziehung funktionieren sollte. Das heißt, mit einem dankbaren aufnahmebereiten und immer zur Stelle seienden Diener – und natürlich mit Crusoe, als dem britischen Kolonialherren, der aber mit viel Güte waltet und das Einverständnis des Dieners somit auch hervorbringt."
Knapp 150 Jahre später rechtfertigt Rudyard den Kolonialismus pädagogisch. Nicht Ausbeutung und Unterdrückung bezwecke das britische Empire, sondern die Erziehung und Läuterung der unterworfenen Völker zur fortschrittlichen westlichen Lebensart.

Propaganda und Kritik in literarischer Form

In den Büchern Joseph Conrads scheitern die Charaktere an der kolonialen Wirklichkeit. In "Allmayers Wahn" und "Lord Jim" ist der Weiße nicht überlegen, sondern eine an sich selbst zweifelnde Existenz. Der Leipziger Literaturwissenschaftler Elmar Schenkel, Autor einer Conrad-Biografie, sagt:
"Bei Conrad ist es auch so, dass der Kolonialismus auch eher ein Vorhang ist, den man vielleicht beiseiteschieben muss. Und dann sieht man, das sind universale Probleme, über die er schreibt und die er anspricht. Man lässt sich oft ablenken durch dieses historische Bild Kolonialismus. Das sind dann so Aufklebbilder, die auf Tabakschachteln vielleicht sind oder auf Kaffeedosen. Damit hat es eigentlich nicht so viel zu tun."
Als das Deutsche Kaiserreich im 19. Jahrhundert vermeintlich verspätet den "Platz an der Sonne" einnahm, schrieben ihm heute vergessene Schriftsteller allerlei Lorbeerkränze. Heute erinnern Christian Kracht, Uwe Timm und andere an den deutschen Kolonialismus, der vergleichsweise früh im Ersten Weltkrieg endete, jedoch bis heute Spuren in der Sprache, in Museen, in Rassetheorien hinterlassen hat.
Das Feature aus dem Jahr 2016 können Sie hier nachlesen.
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