Literatur

"Man muss Selbstgefälligkeiten meiden"

Von Stephanie von Oppen · 09.05.2014
Wer oder was ist Europa? Diese Fragen diskutieren zahlreiche europäische Schriftsteller und Intellektuelle derzeit in Berlin. Literatur in Europa hat eine neue Brisanz - einige Stimmen von der Konferenz.
"Also ich glaube nicht, dass ein Schriftsteller ein Europaprojekt unterstützen muss, er muss etwas tun was andere nicht können, ich vergleiche es mit der Musik, wenn ich die unsterbliche Musik von Rachmaninow höre, dann werde ich auch ein bisschen unsterblich, die Aufgabe ist, das Gefühl der menschlichen Würde in meinem Leser aufzuwecken, und was die aktuelle Politik angeht, wird der Name Putin nie in meinen Büchern auftauchen, zu viel der Ehre."
Der russische Autor Michael Shishkin lebt in der Schweiz. Er beobachtet und kommentiert von dort die Vorgänge in der Ukraine und Russland. Seine ukrainische Kollegin Oksana Sabuschko erlebt in ihrem Land derzeit ein wieder erwachtes Interesse an Literatur:
"Wenn die Menschen ihr Vertrauen in die Politiker verlieren und ihr Leben auf dem Kopf steht, weil internationale Abkommen nichts mehr wert sind, weil nur noch Macht und Gewalt herrscht, dann entdecken die Menschen Kultur und Literatur als eine sehr starke Quelle moralischer Kraft."
Maja Haderlap, deren slowenische Familie ihre Wurzeln im österreichischen Kärnten macht sich Gedanken über die Rolle der Minderheiten.
"Die Funktion von Minderheiten in politischen Konflikten ist immer eine sehr prekäre, wie jetzt die Existenz von Russen in der Ukraine. Minderheiten werden in Kriegssituationen immer instrumentalisiert, zermalmt, sonst haben sie eine verbindende Funktion zwischen Staaten, dass sie sich öffnen, für eine Mehrsprachigkeit, für einen Dialog. Für die Literatur gilt eine ähnliche Situation, das heißt, man muss sich mit diesen Widersprüchen auseinandersetzen, das ist eine gute Schule darin, dass man Selbstgefälligkeiten meiden muss."
Vor europäischer Selbstgefälligkeit warnt die dänische Autorin und frühere UNO-Mitarbeiterin Jane Teller. Sie kritisiert, wie hehre Werte spätestens an den Außengrenzen der EU ihre Bedeutung verlieren:
"Da gibt es all diese ethischen Werte, die wir für uns als Europäer in Anspruch nehmen. Sie klingen jedoch wirklich hohl, wenn man es von außen betrachtet. Wir müssen uns bemühen unsere eigenen Standards wirklich einzuhalten, um glaubwürdig zu bleiben."
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