Literatur aus Haiti

Kein Ende des Klassenkampfes

Haus in Port-au-Prince, Haiti
Haiti - armes Land mit reicher Literatur © Stephanie Rohde - Deutschlandradio
Der Schriftsteller Lyonel Trouillot im Gespräch mit Barbara Wahlster · 02.01.2015
Haiti ist eines der ärmsten Länder der Welt und hat gleichzeitig eine reiche Literaturtradition, über die hier jedoch wenig bekannt ist. Einer der wichtigsten Schriftsteller Haitis ist der in Port-au-Prince lehrende Literaturprofessor Lyonel Trouillot.
Lyonel Trouillot gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller Haitis. Sein Roman "La belle amour humaine" ("Die schöne Menschenliebe") wurde 2011 in Frankreich für den Prix Goncourt nominiert und ist in diesem Jahr auch auf Deutsch erschienen. Er schreibt viel auf Französisch und gehört damit möglicherweise innerhalb der haitianischen Literaturszene zu einer aussterbenden Gattung.
"Ich glaube, dass die Literatur in französischer Sprache leider verschwinden wird", sagt Trouillot, der in Port-au-Prince Französische und Kreolische Literatur lehrt. "Auf der anderen Seite entsteht, anders als auf den restlichen französischen Antillen, eine kreolische Literatur. Und in zehn Jahren, da bin ich mir sicher, wird es großartige kreolisch schreibende Schriftsteller geben."
Eine Antwort auf soziale Fragen finden
Neben seiner schriftstellerischen Arbeit engagiert sich Trouillot auch als Förderer junger Literatur und in der Demokratiebewegung: Das größte Übel in Haiti sei die Abwesenheit eines gemeinsamen Bürgerverständnisses und die riesigen sozialen Unterschiede. Insofern sei "viel Reparaturanstrengung für einen sozialen Ausgleich nötig", beklagt er.
"Ich lache gern über meine Freunde im Westen, die das Ende des Klassenkampfes ausgerufen haben und allmählich geht ihnen auf, dass es durchaus noch soziale Kämpfe auszufechten gilt, die sie vielleicht nicht einmal gewinnen werden."
Kritik an Hilfsorganisationen: "Diese Leute sind eine Karikatur"
Kritisch äußert sich Trouillot auch gegenüber in Haiti tätigen Hilfsorganisationen: "Haiti hat lange ohne sie existiert", betont er. Unter anderem wirft er ihnen vor, eine "Karikatur" von Haiti zu verbreiten.
"Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie eine junge Europäerin sagte, sie sei in dieses Land gekommen, um ihre Fantasien umzusetzen. Ich habe wirklich gehört, wie der Vertreter einer großen internationalen Organisation sagte, Haiti sei das Land der Übertreibungen. Als sei sein Land das der Untertreibungen!"
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