Literarischer Adventskalender (5)

Sachbuch: "Identitäten"

02:54 Minuten
Das Buchcover ist vor einem aquarellierten Hintergrund zu sehen.
Identitäten sind fiktional und von diesen fiktionalen Zugehörigkeiten erzählt dieses Buch. © Hanser Verlag
Von René Aguigah  · 05.12.2019
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Was macht uns aus? Nationalität, Religion, Hautfarbe? In keiner dieser Kategorien steckt eine einzige Identität, sagt Kwame Anthony Appiah in seinem klugen Buch. Sachbuchredakteur René Aguigah schenkt es seinem 20-jährigen Sohn.

1. Worum geht es?

Ich verschenke ein Buch namens "Identitäten". Und wenn man am Schönsten sagen will, worum es hier geht, dann wird man das englische Original zitieren, da heißt das Buch: "The lies that bind", also "Die Lügen, die binden". Das ist ein bisschen das Thema. Identitäten sind seit einigen Jahren ein politisch brenzliges Thema. Also viele Deutsche, viele Amerikaner, viele Ungarn, viele Österreicher fragen sich, ein bisschen von rechts, wie sie sich am besten in ihrer Identität verankern können. Und es gibt Frauen, transsexuelle Menschen, Schwarze, Braune, Marginalisierte, die sich ebenfalls in ihrer Identität verankern wollen. Und in diese Debatte, eine politische Debatte genauso wie kulturelle, da greift dieses Buch ein. Und zwar nicht auf so eine Weise, dass es sagt, ich bin links, ich bin rechts. Sondern das ist ein Buch, das klärt, so wie klares kaltes Wasser. Ein Buch, das einfach den Blick frei macht.

2. Was ist das Besondere?

Tatsächlich dieses klares-kaltes-Wasser-Mäßige. Das ist ein philosophisches Buch, das ist geschrieben von einem Autor namens Kwame Anthony Appiah. Der ist gelernter analytischer Philosoph, gleichzeitig ein begnadeter Erzähler. Er hat Wurzeln in Ghana, in England und in den USA. Und genau diese dreifache Herkunft thematisiert er schon im Prolog und macht dadurch klar, es gibt nicht nur eine einzige Identität. Klar ist, wir sind nicht alle so bildungsaristokratische Menschen wie dieser Princeton Professor Mr. Appiah.


Darum gibt es am Anfang auch eine kleine Theorie der Identität, die trotz allem deutlich macht: Egal, in welche Kategorie ich gucke, Gesellschaft, Geschlecht, Religion, Land, "Race", was man so schwierig auf Deutsch mit Rasse übersetzt, in keiner dieser ganzen Kategorie gibt es diese eine einzige Identität, sondern das ist eigentlich eine Fiction, die wir uns vormachen. Das ist ein bisschen die Pointe dieser Theorie, die er da vorstellt - und das aber schön erzählt und ebenso begrifflich klar.

3. Wem wollen Sie es denn schenken?

Ich schenke dieses Buch meinem Sohn. Mein Sohn ist Anfang 20 und er ist im Augenblick für ein halbes Jahr am anderen Ende der Welt. Und als er gesagt hat, warum er jetzt so lang verschwindet an diesen Ort, wo Menschen aus unterschiedlichen Orten der Welt zusammen kommen, war seine Antwort: Ich möchte einmal da sein, wo mich keiner fragt, wo ich eigentlich herkomme. Und damit er nicht nur ein halbes Jahr solche Sachen erlebt, sondern das auch ein bisschen theoretisch grundiert, kriegt er dieses Buch.

Kwame Anthony Appiah, "Identitäten. Die Fiktionen der Zugehörigkeit"
Aus dem Englischen von Michael Bischoff
Hanser/ München 2019
336 Seiten, 24 Euro

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