Literarischer Adventskalender (3)

Roman „Glantz und Gloria"

02:14 Minuten
Buchcover zu Henning Ahrens: Glantz und Gloria
Ein böses Märchen, wie ein Bilderbuch auf Speed: "Glantz und Gloria" von Henning Ahrens. © S. Fischer
Von Wiebke Porombka · 03.12.2019
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Henning Ahrens erzählt hier ein bitterböses Märchen über die deutsche Provinz, wo Dessouspartys gefeiert und dunkle Gestalten auf dem Friedhof Naziparolen grölen. Unsere Literaturredakteurin Wiebke Porombka schenkt es ihrem Jugendfreund Tino.

Worum geht es?

Ich verschenke dieses Jahr "Glantz und Gloria" von Henning Ahrens. Der Roman beginnt mit einer verwegenen Fahrradfahrt: Mit geschlossenen Augen braust Rock Oldekop, der Held des Romans, durch Wald und Wiesen, in das titelgebende Glantz. Dort will er seiner traumatischen Kindheit auf die Spur kommen. Glänzend ist hier in Glantz allerdings wenig. Wen wundert’s? Düster heißt das Mittelgebirge, in dem das Örtchen liegt. Und so stößt Oldekop nicht nur auf die eigenen Traumata, sondern vor allem auf gesellschaftliche Abgründe. Auf Friedhöfen werden mitternächtliche Dessouspartys gefeiert, dunkle Gestalten mit kahlrasierten Schädeln grölen Naziparolen, Schweinemastanlagen werden gesprengt, und immerzu brausen Lieferwagen durch die Kulissen, beladen mit Paketstapeln aus dem Online-Versandhandel.

Was ist das Besondere?

"Glantz und Gloria" liest sich wie ein böses Märchen, wie ein Bilderbuch auf Speed und wie ein politisch hochaktueller Roman über die deutsche Provinz. Aus den Fugen geraten ist hier alles. Nicht nur die Chronologie.
Fraglich bleibt, ob sich da noch irgendwas etwas kitten lässt. Was Henning Ahrens aber aus den Scherben kompiliert, das ist ebenso so schrill wie irrwitzig komisch und zugleich knallernst. Grandioser kann ein Abgesang auf Ressentiment und Dumpfheit nicht klingen.

Wem wollen Sie es denn schenken?

"Glantz und Gloria" schenke ich natürlich meinem Freund Tino. Hey Tino, weißt du noch, damals, als wir mit unseren Rädern den Deich runtergerast sind? Du immer ein bisschen schneller als ich. Bremsen durfte man erst direkt an der Wasserkante. Und weil der Deich weit weg ist und wir längst nicht mehr so waghalsig, solltest du unbedingt diesen Roman über einen schrägen, tollkühnen und auch reichlich melancholischen Radler lesen. Er wird dich, da bin ich sicher, wappnen gegen die Zumutungen der Gegenwart und dir so ordentlich den Kopf durchpusten wie eine Abfahrt am Deich.

Henning Ahrens: "Glantz und Gloria"
S. Fischer Verlag/Frankfurt am Main 2015
176 Seiten, 18,99 Euro

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