Lisa Mosconi: „Das weibliche Gehirn"

Was Hormone und Stress bewirken

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Buchcover Lisa Mosconi "Das weibliche Gehirn
Welche Ursachen Hirnerkrankungen bei Frauen haben können und was man dagegen tun kann, beschreibt Lisa Mosconi in "Das weibliche Gehirn". © Rowohlt Verlag / Deutschlandradio
Von Susanne Billig · 26.01.2021
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Woran liegt es, dass Frauen so viel häufiger als Männer von degenerativen Gehirnerkrankungen betroffen sind? In ihrem Buch liefert die US-amerikanische Gehirn-Expertin Lisa Mosconi Aufklärung wider den wissenschaftlichen Mainstream.
Zwei Drittel aller Alzheimer-Erkrankten sind Frauen. Liegt das nur an ihrer höheren durchschnittlichen Lebenserwartung? In "Das weibliche Gehirn" setzt die angesehene US-Neurologin und Alzheimer-Expertin Lisa Mosconi dieser gängigen These ein entschiedenes Nein entgegen.
Neuere populationsbasierte Studien zeigten, dass Frauen gar nicht mehr so viel länger leben als Männer, weil sie hinsichtlich Stress und ungesundem Lebensstil schon fast aufgeholt haben.

Frauen leben nicht länger

Statistische Modelle, die geschlechtsspezifische Faktoren einbeziehen, zeigten längst, dass auch unabhängig von der Lebensspanne gelte: Auf einen Mann mit Alzheimer entfallen zwei Frauen.
Lisa Mosconi möchte Aufklärung wider den wissenschaftlichen Mainstream leisten. Dazu gliedert sie ihr Buch in drei übersichtliche Abschnitte ("Verstehen", "Forschen", "Handeln") und bemüht sich mit kurzen Kapiteln und klarer Sprache um Verständlichkeit.
Dennoch ist ihr Buch nicht frei von Fachjargon, etwa wenn es um gehirnchemische Vorgänge geht, und ist wegen der vielen medizinischen Detailinformationen nicht immer einfach zu lesen.

Fokus Gehirngesundheit

Anders als ihre Vorgängerin Louann Brizendine, die mit "Das weibliche Gehirn: Warum Frauen anders sind als Männer" einen US-Bestseller landete, ist Lisa Mosconi nicht an unterschiedlichen Denkweisen von Männern und Frauen interessiert – ihr Fokus liegt allein auf der Gehirngesundheit.
Für viele Frauen seien die Wechseljahre ein Wendepunkt, an dem aus medizinischen Risiken handfeste Probleme werden, denn wegen des veränderten Hormonspiegels reagiere das weibliche Gehirn nun besonders anfällig auf Stressoren.
Herzkrankheiten, Fettleibigkeit, Diabetes, Depressionen, Schilddrüsenerkrankungen, Infektionen und chronische Entzündungen gehen bei Frauen mit einem größeren Risiko für kognitiven Abbau einher als bei Männern.

Ausbalancierter Hormonspiegel

Weil ein ausbalancierter Hormonspiegel Frauengehirnen hilft, nimmt die Diskussion der Hormonersatztherapie viel Raum ein. Lisa Mosconi liefert eine Fülle neuester medizinischer Informationen, relativiert überholte Daten und ermutigt Frauen, sich dem Thema unvoreingenommen zu nähern.
Der Hormonersatz empfiehlt sich nicht für jede Frau und jeden Gesundheitszustand, betont die Autorin und bietet neben differenzierten Erörterungen auch ausführliche Fragebogen zur medizinischen Erst- und Selbsteinschätzung an.

Der Lebensstil ist der Schlüssel

Mindestens ein Drittel aller Alzheimer-Fälle, manchen Studien zufolge sogar noch mehr, könnten durch Veränderungen der Lebensweise vermieden werden. Das ist Thema des dritten Buchteils.
Es sind die üblichen Verdächtigen, die auch dem Gehirn guttun: gesündere Ernährung, körperliche Bewegung, geistiges und soziales Engagement, Stressreduktion, guter Schlaf, keine Zigaretten, mäßiger Alkoholkonsum.
Alles das ist heute durch belastbare Studien abgesichert, betont die Autorin und unterstreicht die große Bedeutung dieser Forschungserkenntnisse, zu denen sie auch persönlich viel beigetragen hat: "Das ist die Entdeckung, für die wir so schwer gearbeitet haben. Das sind die Zahlen, von denen wir geträumt haben."

Lisa Mosconi: "Das weibliche Gehirn"
Aus dem Englischen von Jorunn Wissmann und Monika Niehaus
Rowohlt, Hamburg 2020
432 Seiten, 20 Euro

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