Linken-Politiker Bartsch unterstützt Parteichef Ernst in Kandidatenfrage

Dietmar Bartsch im Gespräch mit Gabriela Wuttke · 20.04.2012
Dietmar Bartsch, Bundestags-Fraktionsvize der Linken, hat sich nun doch hinter die Position von Parteichef Klaus Ernst gestellt, die Frage der künftigen Parteiführung erst nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu klären. Allerdings machte Bartsch deutlich, dass er eine andere Entscheidung bevorzugt hätte.
Gabriela Wuttke: Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine – würde das Paar auch noch als Führungspaar der Linkspartei aufrücken, dann wäre das eine verdoppelte Doppelspitze. Braucht die Linkspartei das, will sie das, was will sie überhaupt? Bevor wir darüber mit dem einzigen offiziellen Bewerber für den Parteivorsitzenden-Posten, mit Dietmar Bartsch, sprechen, hören wir, worauf Oskar Lafontaine gestern Abend als Wahlkampfhelfer in Schleswig-Holstein beharrte.

Oskar Lafontaine: Es ist nun mal so, eine neue Führung wird eben auf Parteitagen gewählt, die kann man nicht vorher, wenn man so will, ernennen oder ausrufen, wenn das gerade dem einen oder anderen populär erscheint. Und bei uns ist der Parteitag im Juni, und sie können davon ausgehen, dass wir dort eben die Führungsfrage lösen werden.

Wuttke: Lasst euch überraschen, so kann man Oskar Lafontaines Aussage in andere Worte fassen. Am Telefon um 7.50 Uhr begrüße ich Dietmar Bartsch, stellvertretender Bundestagsfraktionschef, als Bundesgeschäftsführer der Illoyalität gegenüber Lafontaine bezichtigt und bislang einziger offizieller Bewerber um den Posten des Parteichefs. Schönen guten Morgen, Herr Bartsch!

Dietmar Bartsch: Guten Morgen! Ich muss ja gleich widersprechen, was die Frage der Illoyalität betrifft, ich habe das mehrfach gesagt, sage das wieder: Es gibt überhaupt keinen Grund, ich war niemandem gegenüber illoyal, ich habe das ...

Wuttke: Ich habe nicht gesagt, dass sie illoyal waren, ich habe nur gesagt, Sie sind dessen bezichtigt worden. Herr Bartsch, alles ist gut.

Bartsch: Okay, alles klar.

Wuttke: Fühlen Sie sich, fühlt sich Ihre Partei, wenn Sie so weit für sie sprechen wollen, von Lafontaine an der Nase herumgeführt, wenn er weiter den Geheimnisvollen gibt?

Bartsch: Nein, das ist ja kein an der Nase herumführen. Oskar Lafontaine hat insoweit recht, wir wählen auf dem Parteitag in Göttingen, und Sie können ganz sicher sein, wir werden nach dem Göttinger Parteitag eine neue Parteispitze haben. Göttingen wird für die Linke ein enorm wichtiger Parteitag, es muss von dort ein Aufbruch ausgehen, wir müssen wieder zurück auf die Erfolgsspur, und deshalb ist es auch notwendig, das sehr, sehr gründlich vorzubereiten, und ich rate der Partei ausdrücklich nicht, das nur auf die Führungsfrage der beiden Vorsitzenden zu konzentrieren, sondern wir brauchen ein inhaltliches Angebot, und wir brauchen ein Team, was uns auf die Erfolgsspur zurückführen kann.

Wuttke: Sie überraschen mich jetzt, denn Sie trommeln doch dafür, dass die Führungsfrage vor dem Parteitag geklärt werden soll – heute Morgen nicht mehr?

Bartsch: Nein, schauen Sie, wenn wir in Göttingen sind, werden wir nicht am Sonnabend früh sagen, wer kandidiert, und dann entscheiden wir. Nein, das ist völlig klar, dass wir auch im Vorfeld Gespräche führen müssen. Wir haben die besondere Situation, dass sowohl in Schleswig-Holstein als auch in Nordrhein-Westfalen jetzt vorzeitig gewählt wird, und da ist doch ganz klar, dass sich die Partei konzentrieren muss auf diese Wahlkämpfe. Wir sind dort nicht in einer komfortablen Situation, sondern wir müssen und wir werden kämpfen bis zum Wahlabend jeweils um 18 Uhr, und da haben die wahlkämpfenden Landesverbände ein Interesse, dass das nicht durch diese Debatte überlagert wird.

Und meine Auffassung ist, jetzt ist da so ziemlich alles zu gesagt, ich habe meine Position klargemacht, hätte mir gewünscht, dass der Vorstand der Partei ein Prozedere, ein Verfahren, wie wir das hinbekommen, vorschlägt. Da ist die Entscheidung gefallen, dass man nach den Wahlen das machen soll. Ich habe meine Position klargemacht, aber nun ist da auch meines Erachtens so ziemlich alles gesagt, weil man kann ja niemanden zwingen. Mein Angebot habe ich im November des letzten Jahres als inhaltliches Angebot unterbreitet – das steht, und ich freue mich, dass jetzt der eine oder andere auch für den Vorstand seine Kandidatur angemeldet hat, und ich wünsche mir, dass wir in Göttingen das so hinkriegen, dass es dort nicht in einer Auseinandersetzung endet, die uns allen schadet.

Wuttke: Wenn Sie jetzt also Petra Pau ein wenig alleine stehen lassen und auch die Kollegen aus Ihrer Partei in Schleswig-Holstein, die nämlich sehr gerne schon mal vorab wüssten, wer die Partei in Zukunft führen könnte, weil dann ihr Wahlkampf einfacher würde, brauchen Sie jetzt Zeit, um eine Kandidatin zu suchen, die die Voraussetzungen erfüllt, mit denen Sie zusammen für eine Doppelspitze vielleicht erfolgreich kandidieren könnten, ist das der Grund für Ihre Geduld?

Bartsch: Nein, ich lasse weder Petra Pau noch die wahlkämpfenden Landesverbände alleine stehen. Ich habe meine Position dazu gesagt, die ist unverändert, aber man kann ja solche Dinge nicht erzwingen und sagen, also ihr Mitglieder habt jetzt Folgendes zu tun, und das kann man auch nicht bei Einzelnen erzwingen.

Meine Position dazu ist klar, es wäre für einen demokratischen Meinungsbildungsprozess auch innerhalb der Partei und für ein Gesamttableau wichtig, dass man bestimmte Fragen klärt. Ich nehme mal eine andere Frage zum Beispiel, wir haben jetzt zwei Bundesgeschäftsführer. Wollen wir das wieder oder wollen wir das nicht? Wir haben vier Stellvertreter, wollen wir die bisherigen, wollen wir dort eine andere? Das sind ja Dinge, die auch eine wichtige Rolle spielen, und da bin ich ausdrücklich bei denjenigen, aber noch mal, die Wahlkämpfe sind jetzt Priorität Nummer eins. Es ist in der anderen Frage alles gesagt, und man kann das ja nicht mit Waffengewalt in irgendeiner Weise erzwingen. Das ist meine Position, und die ist da unverändert, ich habe da nichts zu korrigieren.

Wuttke: Aber wenn sie sagen, es ist alles gesagt, dann ist das offensichtlich bei Sahra Wagenknecht nicht angekommen, denn sie hat noch mal etwas hinzugefügt, nämlich dass die Partei Gesichter aus dem Westen in der Führungsspitze braucht und dass die Partei gegenüber der SPD nicht weichgespült aufgestellt sein sollte. Herr Bartsch, tut mir Leid, Sie müssen da jetzt durch: Schickt Lafontaine seine Lebensgefährtin mit der eigentlichen Botschaft schon voraus?

Bartsch: Ich sehe da im Übrigen keine Differenz. Natürlich muss die Linke auch Gesichter aus den alten Ländern zeigen. Wir haben das, wir haben erfolgreiche Politikerinnen und Politiker in Ost und West. Sahra Wagenknecht hat ja nicht gesagt, dass der Osten nicht präsentiert sein soll, das im Übrigen wäre auch eine völlig irre Vorstellung. Die Mehrzahl der Mitglieder kommt aus den neuen Ländern, hier sind wir Volkspartei, und das muss selbstverständlich deutlich präsentiert sein in der Parteispitze.

Wuttke: Ja, das heißt doch aber, Sahra Wagenknecht wäre dann die Frau aus dem Osten, Oskar Lafontaine der Mann aus dem Westen.

Bartsch: Wissen Sie, das ist nur eine Frage, die beide, sowohl Sahra Wagenknecht als auch Oskar Lafontaine ausgeschlossen haben, dass so etwas überhaupt zur Debatte steht. Und was die Abgrenzung zur SPD betrifft, da sehe ich überhaupt kein Problem: Wir – das ist meine Auffassung – müssen aber zu allererst sagen, der politische Gegner sind die Neoliberalen in CDU/CSU und FDP.

Das Land wird derzeit schlecht regiert, es wird uns anderes suggeriert, aber wir haben eine Krise bei den unteren und mittleren Einkommen, es wird Leiharbeit, es wird prekäre Beschäftigung ausgebaut, es gibt viele Punkte, die wir zu kritisieren haben. Die SPD trägt leider wichtige Entscheidungen, was die Finanzkrise betrifft, auch was andere politische Felder betrifft, mit – das kritisieren wir, das ist auch weiterhin zu kritisieren –, und sie hat die Chance in meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen-Anhalt, in Thüringen, in vielen Ländern vergeben, mit uns zusammenzuarbeiten. Das ist nicht das Problem, aber ich strebe auch immer ...

Wuttke: Aber das Problem Piratenpartei haben Sie jetzt gerade eben nicht angesprochen.

Bartsch: Ich sage auch sehr gerne etwas zur Piratenpartei. Ich wollte zur ...

Wuttke: Ist ja schon Konkurrenz.

Bartsch: ... zur Sozialdemokratie aber noch den einen Satz ergänzend sagen, natürlich müssen wir immer auch bündnisfähig in der Sache sein, und das machen wir an inhaltlichen Kriterien fest. Was die Piratenpartei betrifft, erleben wir einen unsagbaren Hype, der auch durch Medien befördert wird. Wir müssen das sehr, sehr ernst nehmen, ich mache mir aber große Sorgen, weil in der Piratenpartei keine Klarheit herrscht. Wer rechtsextreme Ansichten duldet, wer auch antisemitische Positionen duldet, das ist hochproblematisch.

Sie sind eine Antipartei, sind in gewisser Hinsicht schick, wir müssen uns mit ihr auch als politischem Konkurrenten deutlich auseinandersetzen. Ich bin auch nicht sicher, wo die Entwicklung dort hingeht, ich bin aber in einem sicher, dass alle Parteien auch die Gefahr, die bei den Piraten steht, erkannt haben, und das gilt auch für die Linke, das gilt gerade in unserem Engagement, auch was Netzpolitik, was die ganzen Urheberrechtsfragen betrifft, da müssen wir auch ein Stück weit besser werden.

Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" vom Deutschlandradio Kultur Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag. Herr Bartsch, besten Dank und machen Sie es gut!

Bartsch: Dankeschön!


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