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Drei Jahre „Schlagzeile von morgen“
Was vor der Haustür passiert

Seit drei Jahren ist @mediasres auf Sendung: das einzige werktägliche Medienmagazin im Radio. Von Anfang an ist auch die „Schlagzeile von morgen“ dabei - ein Querschnitt der journalistischen Arbeit in Lokalredaktionen. Zum Jubiläum ein Überblick.

Von Stefan Fries | 02.04.2020
Eine Lokalzeitung wird über andere Zeitungen gehalten.
Oft spiegelt sich im Lokalen auch das, was uns sonst im ganzen Land bewegt (picture alliance/Lino Mirgeler/dpa)
"Schönen guten Tag, liebe Hörer, mein Name ist Hanno Hannes..." (Lauenburgische Nachrichten am 23. April 2018)
"Grüß Gott, mein Name ist Ulli Pieler…" (Amberger Zeitung am 4. April 2019)
"Ja, schöne Grüße aus der Goldstadt Pforzheim, am Tor zum Schwarzwald…" (Pforzheimer Zeitung am 2. Juli 2019)
"Ja, hallo, ich bin Heiko Schulze…" (Uckermark Kurier, 18. Dezember 2019)
"Moin moin aus Kiel…" (Kieler Nachrichten am 22. Januar 2020)
Es ist eine kleine Reise durch Deutschland, die @mediasres seit drei Jahren unternimmt. Jeden Tag in einer anderen Lokalredaktion irgendwo im Land – bei einer der mehr als 500 Tageszeitungen und noch viel mehr Lokalredaktionen, die es gibt.
"Emder Zeitung, die Mantelzeitung mit der kleinsten Vollredaktion in Deutschland" (Emder Zeitung am 29. März 2017)
"Bei uns im Haus erscheinen drei Zeitungstitel: in Weiden ‚Der neue Tag‘, in Amberg die ‚Amberger Zeitung‘, die ‚Sulzbach-Rosenberger Zeitung‘…" (Der neue Tag am 24. Januar 2018)
"…zwei Tageszeitungen auf Norderney. Das eine ist die ‚Norderneyer Badezeitung‘ und das andere ist der ‚Ostfriesische Kurier‘…" (Norderneyer Badezeitung am 30. Oktober 2018)
Mehr als 500-mal haben uns Redakteurinnen und Redakteure aus dem ganzen Land erzählt, welches Thema sie gerade beschäftigt – in der: "@mediasres – Die Schlagzeile von morgen"
"Unser Titel lautet: Vor dem Zwiebelfest köchelt es wieder." (Esslinger Zeitung am 31. Mai 2017)
"Beim Aufprall muss es richtig Platsch machen" (Main-Echo am 28. August 2017)
"Eine starke Zunahme des Kiffens" (Badische Zeitung, Stadtredaktion Freiburg am 17. Mai 2017)
Blaulicht-Themen gehen immer
Mit 16 Lokalredaktionen deckt die "Märkische Oderzeitung" nicht nur ein riesiges Verbreitungsgebiet ab, sondern berichtet auch über das benachbarte Polen. Vor allem Polizeimeldungen sorgen für hohe Klickzahlen – aber auch Themen wie Kita-Gebühren und die Rückkehr des Wolfs.
Baustellen, Kriminalität - und Tiere
Entwickelt hat die Reihe vor drei Jahren Deutschlandfunk-Redakteur Stefan Koldehoff zusammen mit dem Team von @mediasres.
"Wir haben uns überlegt, dass die Leute eigentlich nicht nur interessiert, was Donald Trump oder Herr Erdogan oder Frau Merkel, sondern das, was vor der Haustür passiert. Und das berichtet natürlich keiner besser als die Lokalzeitungen, und das spiegelt sich nirgendwo besser als in deren Schlagzeilen."
Ein paar der häufigsten Themen: Baustellen, Kriminalität, Verkehrsunfälle, das lokale Wirtschaftsleben und interessante Menschen aus Dorf und Region. Besonders beliebt auch: Tiere.
"Besucher haben bei uns die Hirsche im Kaisergarten zu Tode gefüttert. Die Menschen begreifen es nicht, die dahingehen, sie nehmen immer Kraftfutter, besonderes Futter mit, obwohl da eigentlich Fütterungsverbot ist." (WAZ Oberhausen am 17. Februar 2020)
"Gestern Nacht hielt ein 80 Zentimeter kleines Bennett-Känguru Einsatzkräfte in der 20.000-Einwohner-Stadt Vreden auf Trab. Und der Einfangversuch von Feuerwehr und Polizei scheiterte leider." (Münsterland Zeitung am 28. März 2019)
"Die Konkurrenz schläft nicht"
Auch der Versuch, Redaktionen im Land davon zu überzeugen, bei der Schlagzeile von morgen mitzumachen, scheitert manchmal, sagt Stefan Koldehoff.
"Als wir denen dann aber gesagt haben, was wir wollen, ist, euch ernst nehmen, zeigen, wie wichtig die Arbeit ist, die Ihr vor Ort leistet, da hat sich das dann langsam entspannt, bis hin zu einem Anruf, an den ich mich erinnere, da sagte mir dann der Mensch am anderen Ende: Mensch, das ist ja schön, dass Sie endlich auch mal anrufen, wir haben schon drauf gewartet."
Aber nicht jeder wartet darauf und will mitmachen. Schon deshalb sind die abgebildeten Zeitungen nicht repräsentativ fürs Land. Die Gründe für Absagen sind oft Termindruck und gelegentlich auch ein wenig Bammel vor einem Auftritt im Radio. Und noch einen Grund gibt es, sagt Redaktionsassistentin Lena Stracke, die die Zeitungsredakteure rekrutiert.
"Ich hab auch die Rückmeldung bekommen, dass die Schlagzeile von morgen nicht vorgelesen werden kann, weil: Die Konkurrenz schläft nicht, und dann möchte man das noch nicht um kurz vor vier im Radio hören."
Was macht eine Lokalzeitung erfolgreich?
Der Branchendienst Meedia hat 2016 die Elbe-Jeetzel-Zeitung aus Lüchow zur Lokalzeitung mit den treuesten Lesern gekürt. Fast ein Viertel der nicht mal 50.000 Einwohner liest sie täglich. Das sind 11.000 verkaufte Exemplare.
Das Lokale spiegelt, was im ganzen Land spielt
Glücklich, wer als Zeitung noch eine Konkurrenz hat. In vielen Städten und Kreisen gibt es die längst nicht mehr. Die Zeitungskrise hat dazu geführt, dass oft die größere Zeitung am Ort die kleinere geschluckt hat und deren Inhalte gleich mitliefert. Oft spiegelt sich im Lokalen auch das, was uns sonst im ganzen Land bewegt.
"Elf Mitarbeiter des Mindener Klinikums mit Corona-Virus infiziert" (Mindener Tageblatt am 19. März 2020)
"Und das Ganze beschäftigt sich natürlich mit der Klimakrise und welche Auswirkungen das Ganze auf unsere Region in Lüchow-Dannenberg haben könnte." (Elbe-Jeetzel-Zeitung Lüchow-Dannenberg am 27. November 2019)
"Wir haben hier in Döbeln ein pensioniertes Lehrer-Ehepaar, Gisela und Dietrich Schilder, die den Flüchtlingen das Ankommen und das Deutschlernen erleichtern möchten…" (Döbelner Anzeiger, 16. August 2017)
Und, was uns im ganzen Land bewegt, ist für mindestens eine der rund 11.000 deutschen Gemeinden etwas Lokales.
"Morgen werden wir über den Gedenktag zum Amoklauf von Winnenden, der vor zehn Jahren passiert ist, berichten." (Winnender Zeitung am 11. März 2019)
"Im Kasseler Lokalteil werden wir morgen uns natürlich wieder mit den Folgen des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke kümmern…" (Hessische Niedersächsische Allgemeine am 8. Juli 2019)
Deutschsprachige Zeitungen gibt’s übrigens nicht nur in Deutschland.
"Mein Name ist Gwin Lissen, ich bin Chefredakteur der deutschsprachigen Tageszeitung ‚Der Nordschleswiger‘ in Dänemark. Wir berichten teils über die deutsche Minderheit in Süddänemark, teils über das Geschehen in Nordschleswig und Dänemark." (Der Nordschleswiger am 26. September 2017)
Und in Deutschland nicht nur deutschsprachige Zeitungen:
"Hallo, Jørgen Møllekær, Chefredakteur der Flensborg Avis, der dänischen Minderheitszeitung in Flensburg, ganz nördlich in der Republik." (Flensborg Avis am 30. Januar 2019)
Am wichtigsten aber ist für viele Menschen nicht die große Politik, sondern die kleine – und manchmal auch die ganz kleine.
"Gestatten, Offenburgs neuer Kinderbürgermeister. Der wird nachher in der Kinderspielstadt gewählt, und wir sind gespannt, welche Pläne der junge Mann hat: Pudding und Eis für alle, weniger Arbeit und mehr Spielzeit könnte er vielleicht als erste Amtshandlung anordnen." (Offenburger Tageblatt am 5. September 2017)