Liebling der Götter

01.11.2010
Gloria Vanderbilt ist eine lebende Legende der New Yorker High Society: Millionenerbin, Schauspielerin, Malerin, Autorin und Designerin. Eine opulent illustrierte Bildbiografie und die gegen sich selbst respektlosen Memoiren der Mutter aller Skandalnudeln ergänzen sich perfekt.
Reich, schön, intelligent, es gibt sie offenbar noch, die Lieblinge der Götter. Gloria Vanderbilt scheint ein solcher zu sein. Seit jeher gehört die Modedesignerin und Malerin, die gelegentlich auch als Schauspielerin auftrat und erotische Romane verfasst, zur High Society New Yorks. Nach ihr modellierte Truman Capote seine berühmte Romanfigur Holly Golightly aus "Frühstück bei Tiffany's". Auch ihre Familie hatte das Zeug zur literarischen Vorlage. F. Scott Fitzgerald zeichnete sie in "Der große Gatsby" nach. Ihr Ururgroßvater war nach John D. Rockefeller der reichste Amerikaner aller Zeiten, ihm gehörten einst ein Dampfboot-Imperium sowie die gesamte Grand Central Station. Als ihr Vater, ein Spieler und Trinker, starb, erbte die 15 Monate alte Gloria ein Millionenvermögen. Nach einem skandalösen Prozess, in dessen Verlauf ihrer lesbisch orientierten Mutter das Sorgerecht entzogen wurde, wuchs sie bei einer Tante auf, der Gründerin des New Yorker Whitney-Museums.

Mit 17 brach sie aus "dem goldenen Käfig" aus und heiratete das erste Mal. Es folgten Ehen mit dem 42 Jahre älteren Dirigenten Leopold Stokowski, dem Regisseur Sidney Lumet und dem Autor Wyatt Emory Cooper, mit dem sie zwei Söhne hat. Der ältere der beiden beging als junger Mann Selbstmord: Er stürzte sich vor den Augen der Mutter aus ihrem Apartment im 12. Stock am East River. Der andere Sohn, Anderson Cooper, berichtet heute als Reporter für CNN von den Krisenherden der Welt. Aber neben den vier Ehemännern gab es zahlreiche Affären, mit dem exzentrischen Milliardär Howard Hughes etwa, mit Roald Dahl, Frank Sinatra oder Marlon Brando, mit dem sie nur eine einzige Nacht verbrachte. Als er sich am Tag danach nicht meldete, bandelte die unglückliche Gloria sofort mit Gene Kelly an. Die New Yorker Gesellschaft schockierte sie dann so richtig, als sie in den 50er-Jahren eine Liaison mit Gordon Parks, einem schwarzen Dichter, einging.

Das alles erfährt man in der Bildbiografie der Journalistin Wendy Goodman, die dem Freundeskreis um Gloria Vanderbilt entstammt. Die zu große Nähe der Autorin zu ihrem Gegenstand ist das Problem des Bandes, der freilich – und das versöhnt mit dem Mangel des Textteils – mit opulenten Illustrationen aufwartet. Abgebildet sind Interieurs in allererster Qualität, Devotionalien wie Albumblätter, Taufkleidchen, besonders geliebte Zigarettendosen, Puppen oder Badezimmer und natürlich jede Menge Porträts. Denn die Society-Lady wurde von nahezu jedem berühmten Modefotografen der Welt Fotografiert, allen voran Richard Avedon.

Erheblich mehr Kurzweil bietet Gloria Vanderbilt selbst. In ihrer Autobiografie berichtet sie weitaus frecher, unverblümter als die befreundete Journalistin. Vor allem kennt sie die Respektlosigkeit gegen sich selbst. Nach dem Motto von Dorothy Parker: "Nichts auf der Welt macht so viel Spaß wie Männer" reiht sie eine Anekdote an die andere. Was sie über die Klatschpresse hinaus hebt, ist der süffisante Plauderton, der erfrischend selbstironische Gestus, mit dem sie sich, ratgebergleich, direkt an den Leser wendet. Nicht zuletzt das unterscheidet sie von den Skandalnudeln, den Paris Hiltons, unserer Tage.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Gloria Vanderbilt: "Damals schien all das wichtig zu sein. Die Männer meines Lebens."
Aus dem Amerikanischen von Andrea Stumpf, Schirmer/Mosel Verlag, München 2010
184 Seiten, 17,80 Euro

Wendy Goodman: Die Welt der Gloria Vanderbilt.
Aus dem Amerikanischen von Ursula Wulfekamp und Matthias Wolf Schirmer/Mosel Verlag, München 2010
224 Seiten, 49,80 Euro