Liebeserkärungen aus der Feder berühmter Literaten

Michael Lentz im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 20.09.2011
Besonders berühmte Schriftsteller haben sich beim Verfassen von Liebeserklärungen oftmals nicht vom "Duktus der Literatur" lösen können, sagt Michael Lentz, Co-Kurator der Ausstellung "Ich liebe Dich!" im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Ergebnis seien teilweise groteske und humorlose Briefe von Goethe, Kafka und Co.
Sigrid Brinkmann: Ein rotes Herz hat der Lyriker, Erzähler und evangelische Pfarrer Eduard Mörike einst für seine Mutter gemalt. Er hat es mit Blümchen verziert und die Worte "es schlagt vor dich" hineingepinselt. Diese kindliche Liebeserklärung findet sich in einer Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, wo Zeugnisse zusammengetragen wurden, in denen die drei magischen Worte "Ich liebe Dich" vorkommen.

Michael Lentz schreibt Prosa, Theaterstücke und Lyrik. Er ist Poetry-Slammer und seit fünf Jahren Inhaber eines Lehrstuhls für literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. "Offene Unruh" heißt sein jüngster, 2010 erschienener Band mit 100 Liebesgedichten. Ein paar Jahre zuvor hat Michael Lentz einen Roman geschrieben, der den knappen Titel "Liebeserklärung" trägt. Daraus wird er heute Abend in Marbach lesen, denn das Deutsche Literaturarchiv eröffnet eine Ausstellung, die die Formel "Ich liebe dich" in 66 und 6 literarischen Variationen präsentiert. Jetzt ist Michael Lentz für Fazit am Telefon. Guten Abend!

Michael Lentz: Guten Abend!

Brinkmann: Das Liebesbekenntnis kann ganz und gar einzigartig sein, eine rührende und tief gehende Offenbarung. Es kann, und jeder hat das vielleicht schon gehört und gelesen, völlig beiläufig dahingesagt werden. Es kann auch geheuchelt und gelogen klingen. Wie groß, Michael Lentz, ist das Spektrum der Zwischentöne?

Lentz: Ja, Sie haben ja schon Vieles erwähnt. Ich glaube, dass dann, wenn man denkt, man wäre besonders ungekünstelt, man vielleicht sich der Gefahr aussetzt, besonders manieriert herüberzukommen oder zu wirken. Ich glaube, je mehr man darüber reflektiert, wie etwas in diesem Kontext einer Offenbarung, dass man jemanden liebt und so weiter, je mehr man darüber reflektiert, desto mehr wird man sein eigener Beobachter und so mehr kriegt man dann vielleicht Probleme, dass man tatsächlich so natürlich herüberkommen kann, wie man das möchte. Also oft tritt genau das Gegenteil ein von dem ein, was man intendiert. Allerdings ist uns ja allen klar, gerade bei einer so sensiblen Materie, in Anführungszeichen, ist natürliches Verhalten und natürliches Artikulieren ein Wunschtraum von uns allen. Das ist ein Ideal an sich und das gelingt den Wenigsten. So auch in der Literatur. Also die Autoren, die wir ausgewählt haben für die Ausstellung in Marbach "Ich liebe dich!", alles ausgewiesenen Autorinnen, Autoren, und Dichter, Dichterinnen. Das merkt man besonders schön dann, welches Spektrum man besitzt und wie man rüberkommt, wenn man die Briefe von diesen Autoren liest. Die können sich oft von dem Duktus der Literatur nicht richtig lösen. Sie schreiben oft Briefe, auch wie sie Literatur machen und versuchen das natürlich zu vermeiden. Und da gibt es auch sehr komische, sehr grotesk komische Anreden, wo alles viel zu viel ist, oder besonders sachliche Sachen, wo es völlig humorlos ist und wo die Anrede wir von 'nem Beamten geschrieben hervorkommt.

(...)

Sie können das vollständige Gespräch mit Michael Lentz mindestens bis zum 20.02.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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