"Lieber Thomas" im Kino

Die unaufhörliche Suche des Thomas Brasch

06:45 Minuten
Eine schwarzweiß Aufnahme: Ein nackter Mann sitzt vor einer nackten Frau. Die Frau ist mit schwarzer Schrift beschrieben.
Er liebte das Schreiben und die Frauen: Albrecht Schuch spielt in "Lieber Thomas" den Schriftsteller Thomas Brasch. © Peter Hartwig / Zeitsprung Pictures / Wild Bunch Germany
Von Anke Leweke · 10.11.2021
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Er eckte immer wieder an und blieb sich so treu: der Schriftsteller und Filmemacher Thomas Brasch. Der Film "Lieber Thomas" zeichnet das Leben des deutsch-deutschen Künstlers nach.

Um was geht es?

Momentaufnahmen aus dem Leben des Schriftstellers und Filmemachers Thomas Brasch (1941-2001): Kadettenschule, DDR, BRD und New York. Stets hat sich der Künstler an seiner Umgebung gerieben, sie auf den Prüfstand gestellt, sich widersetzt, um sich selbst gegenüber loyal zu bleiben.

Unser Gespräch mit dem Regisseur Andreas Kleinert [AUDIO]
Zehn Jahre hat Andreas Kleinert an diesem Film gearbeitet. Im Gespräch verrät er, dass ihm Menschen wie Thomas Brasch (im Bild) fehlen. Für Kleinert war Brasch ein Vordenker – sowohl was Themen wie den Rechtsruck angeht, wie auch moderne Lebensmodelle wie Polyamorie.

© picture-alliance / dpa / Dick
Als 1968 sowjetische Panzer durch Prag rollen, verteilt er Flugblätter, fliegt von der Filmhochschule. Nach mehreren Monaten wird er aus dem Gefängnis entlassen, muss dafür aber in einer Fabrik arbeiten. Im Westen eckt er im kapitalistisch orientierten Kulturbetrieb an, kokst, schreibt, dreht seinen ersten Film und drückt sein Lebensgefühl mit Sätzen wie diesem aus: "Wo ich leben will, da will ich nicht sterben."

Was ist das Besondere?

"Lieber Thomas" ist eine im silbrigen Schwarzweiß fotografierte Annäherung an einen Getriebenen. Brasch selbst bezeichnete sich als öffentlichen Träumer. Dieser Film hat etwas von einem Traum, driftet immer wieder ab, Fantasien nehmen Gestalt an und bringen die Realität zum Vorschein.
Eingeteilt in lose Kapitel, wird eine DDR gezeigt, in der junge Frauen Jean Sebergs Kurzhaarschnitt aus Jean-Luc Godards Regiedebüt "Außer Atem" tragen und die Jugend in den Tag hineinlebt. Doch da ist der Vater, ein hohes Tier im Staatsapparat der DDR, die Verkörperung der Autorität. Die eigenen Erfahrungen, Stimmungen, Erkenntnisse verarbeitet Brasch in Büchern wie "Vor den Vätern sterben die Söhne". Als wäre es live, ist man dabei, wenn das Leben zur Kunst und die Kunst zum Lebenselixier wird.

Unser Kulturpodcast Lakonisch Elegant [AUDIO] : Der Schriftsteller, Dramatiker und Filmemacher Thomas Brasch ist vor 20 Jahren gestorben. Warum gilt er bis heute als eine der wichtigsten Stimmen der (DDR)-Literatur? Wir fragen seine Schwester, die Schriftstellerin und Journalistin Marion Brasch.

Der Schriftsteller und Regisseur Thomas Brasch im März 1987.
© picture-alliance / akg-images / Udo Hesse

Fazit:

Gerade weil hier keine Biografie nacherzählt wird, kommt man dem Künstler und Menschen Brasch näher. Dabei erhebt der Film nicht den Anspruch, Brasch verstehen zu wollen. Stattdessen geht er mit dem Künstler auf Suche, wohl wissend, dass diese nie aufhören wird: "Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin."

"Lieber Thomas"
Deutschland 2021, 150 Minuten
Regie: Andreas Kleinert
Mit: Albrecht Schuch, Jella Haase, Peter Kremer, Jörg Schüttauf

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