Liane Bednarz über Debattenkultur im Netz

"Leise Töne dringen nicht mehr durch"

06:04 Minuten
Über dem weißen Haus steigen Tweets von Donald Trump in den Himmel. (Illustration)
So besser nicht: Donald Trump ist das Paradebeispiel dafür, wie die sozialen Medien benutzt werden können, um verbal auf Gegner und vermeintliche Gegner einzuschlagen. © laif/ NYT/ Redux/ AL DRAGO/
Moderation: Axel Rahmlow · 08.02.2020
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Wenn bei Diskussionen im Netz die Meinungen aufeinanderprallen, wird es oft ungemütlich: Wer anders denkt, wird verbal in den Boden gestampft. Die gemäßigte Mitte müsse sich für eine Debattenkultur stark machen, sagt Journalistin Liane Bednarz.
Vernünftige Diskussionen scheinen im Netz nicht mehr möglich zu sein. Es wird gepöbelt, verspottet, gedroht. Für den Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen steckt hinter diesem unsachlichen Getöse das Aufeinanderprallen verschiedener Filterblasen. Viele User hätten nie gelernt, bei anderen Meinung und Person voneinander zu trennen.
Pörksen beschreibt in der "Zeit", was sich ändern muss, um zu einer konstruktiven Debattenkultur in Foren und in den sozialen Medien zu finden: Verstehen, was der andere sagt und schreibt, Verständnis für die Situation des Diskussionspartners aufbringen. Für Pörksen bedeutet das jedoch keineswegs, für alle Meinungen Verständnis zu haben, sondern sich vielmehr sachlich damit auseinanderzusetzen.

"Ich bin auch nicht frei davon"

Unser Studiogast, die Journalistin Liane Bednarz, teilt die rage fatigue – die "Wut-Erschöpfung" – von Pörksen. Sie sei selbst sehr aktiv im Netz und gehe Online-Debatten nicht aus dem Weg. Sie halte sich jedoch für sehr liberal, was Widerspruch anbelange: "Gerade auf meiner Facebookseite kommentieren wirklich Leute aus allen möglichen Lagern und relativ zivilisiert. Aber ich bin auch nicht frei davon – gerade wenn ich mit jemandem diskutiere, der sehr weit rechts steht, habe ich auch Momente, wo es mir schwerfällt, ganz sachlich zu bleiben und zu widersprechen und mir die Mühe zu machen, vielleicht auch im Detail darzulegen, warum ich das für falsch halte."
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz 
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Wie Pörksen sehe sie ein Problem in der Konsenssehnsucht in der Mitte der Gesellschaft – während sich an die den radikalen Rändern die Stimmung immer weiter aufheize. "Leise Töne dringen nicht mehr durch." Doch genau aus der leiseren Mitte müssten die wichtige Impulse für eine respektvolle Diskussion kommen.
(mkn)

Liane Bednarz, Jahrgang 1974, ist Juristin und Publizistin. Sie veröffentliche zahlreiche Texte unter anderem im "Tagesspiegel", in "Christ & Welt"/Die Zeit", im "European" und auf den Autoren-Blogs "Starke Meinungen" und "CARTA". 2014 wurde sie mit dem Feuilletonpreis "Goldener Maulwurf" ausgezeichnet.

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