Leyendecker: Schreiber "hat nichts auszupacken"

Hans Leyendecker im Gespräch mit Joachim Scholl · 18.01.2010
Der Journalist Hans Leyendecker erwartet nicht, dass der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber vor Gericht auspackt. "Er ist jemand, der ständig droht, dass er Leute in die Grube fallen lässt, nur er hat nicht das Format dazu", sagt Leyendecker, der vor zehn Jahren die Machenschaften des Waffenlobbyisten offenlegte.
Joachim Scholl: Seit heute steht der Waffenlobbyist vor Gericht. Am Telefon ist jetzt Hans Leyendecker, Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung". Seine Recherchen haben die ganze Sache vor zehn Jahren ans Licht gebracht. Guten Tag, Herr Leyendecker!

Hans Leyendecker: Guten Tag!

Scholl: Was glauben Sie denn, packt Herr Schreiber jetzt ordentlich aus?

Leyendecker: Ich glaube, er hat nichts auszupacken. Herr Schreiber ist jemand, der Sprüche klopft – das haben wir eben in dem Beitrag von Herrn Baum noch mal nachvollziehen können –, es ist jemand, der ständig Leuten droht, aber da ist nichts. Ich glaube, er ist ein Vielredner und jemand, der am Ende des Weges ins Gefängnis gehen wird wegen einer profanen Steuerhinterziehung.

Scholl: Wie würden Sie ihn denn so charakterisieren? Sie haben jetzt schon einige Momente genannt. Was ist das für ein Typ?

Leyendecker: Es ist jemand – ich habe selbst mit ihm zu tun gehabt –, dem es tatsächlich gelingt, den Eindruck zu vermitteln, dass er gewinnend ist und dem es gelingt, die Leute totzuquatschen. Alle, die mit ihm zu tun haben, haben eigentlich über dieses Phänomen geredet. Und er ist jemand aus einer anderen Zeit. Er war ein (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) bei Franz Josef Strauß – also ich weiß nicht, die Formulierung formidable Beziehung zu Familie Strauß, die Straußens, die es jetzt gibt, sehen das anders. Die sehen ihn als den Mann, der sich immer an den Vater rangedrängt hat und der fünf Millionen von der Familie in Kanada versenkt hat bei Grundstücksgeschäften. Er ist jemand, der versprechen kann, sofort irgendein Problem wieder zu heilen, weil er über so tolle Beziehungen verfüge, und dem es dann aber ganz selten gelingt, das zu vollziehen, was er angekündigt hat.

Scholl: Wie konnte denn dieser Schreiber zu solch einer großen Nummer im Waffengeschäft werden, mithin also zu dieser einflussreichen Figur, die dann so Hunderttausende, damals D-Mark, ja großzügig verteilt, und zwar immer in bar?

Leyendecker: Ja, es wird ja im Waffengeschäft immer Korruption geben, und ihm ist ein großes Waffengeschäft gelungen, das waren halt die Spürpanzer Fuchs, die damals nach Saudi-Arabien gingen. Bezeichnend für das Geschäft ist ja, dass auf der einen Seite die Saudis erklärt hatten, da darf nicht bestochen werden, auf der anderen Seite selbst wohl saudische Familien viel Geld bekommen haben. Das war sein großes Geschäft. Und es gibt eine Reihe Beispiele international, wo man sagen kann, es hat jemand ein großes Waffengeschäft gemacht, und damit hat er so viel verdient, dass er danach nichts mehr tun muss.

Scholl: Welche Rolle spielte er denn für die CSU oder in der CSU?

Leyendecker: Er spielte in der alten CSU schon eine Rolle als jemand, der jedenfalls an der Seite von Franz Josef Strauß gesichtet wurde. Da waren eine ganze Reihe Leute, die das versuchten, aber Strauß mochte ihn, weil er ein Typ war. Also er hatte zu Hause … kochte er selbst und Strauß mochte das, wie er kochte, und die flogen zusammen irgendwohin und hatten ihren Spaß. Das war so eine Männergeschichte. Mit Stoiber und denen, die danach kamen, hatte er eigentlich – oder Beckstein, Seehofer – hat er gar nichts zu tun gehabt. Von denen war der weit weg. Er versuchte immer wieder zu intonieren, die Bayern müssten sehr vorsichtig sein bei der Strafverfolgung, weil er wüsste ja so ungeheuerliche Geschichten. Da ging es immer darum, dass über den Strauß-Freund Dannecker irgendwie Geld geflossen sei. Aber das sind Geschichten aus einer alten Zeit, die nie nachzuvollziehen waren.

Scholl: Das heißt, die heutige CSU muss sich jetzt auch nicht vor diesem Prozess fürchten?

Leyendecker: Der Einzige, der sich fürchten muss, ist Herr Schreiber.

Scholl: Die Parteispendenaffäre, Herr Leyendecker, ist der große, dunkle Fleck auf Helmut Kohls politischer Weste. Bis heute weigert er sich, die Namen der Spender zu nennen, und man hat damals auch in diesem Zusammenhang von System Kohl gesprochen und immer auch betont, dass Herr Schreiber da auch seine Rolle oder seine Bedeutung hätte. Stimmt das?

Leyendecker: Also Kohl kannte Schreiber nicht. Kohl hat sich anders als andere Parteivorsitzende für Geld interessiert, und tatsächlich ist ja ungeklärt die Frage, von wem Kohl Geld bekommen hat und an wen er es gegeben hat. Er hat es ja nicht aufgegessen, sondern er hat es im politischen Kampf auch eingesetzt. Er hat allerdings Schreiber gegen Schäuble eingesetzt. Schäuble war ja derjenige, der mit Frau Merkel, die damals noch Generalsekretärin war, 1999, versuchte, die Parteispendenaffäre aufzuklären. Es gibt eine Begegnung zwischen den beiden, zwischen Kohl und Schäuble, da ist Schäuble zu Kohl ins Büro gefahren, und Kohl sagte ihm: Guck mal, was ich hier habe. Ich habe hier ein Fax von einem Herrn Schreiber, den kenn ich gar nicht, der sagt ja ungeheuerliche Dinge über mich. Und das ist eine Begegnung zwischen den beiden, da hat Schäuble das Büro verlassen und hat gesagt: Hierhin komme ich nie mehr zurück, weil Kohl versuchte, aus Sicht von Schäuble zumindest, mit Herrn Schreiber Druck auszuüben, weil ja Schäuble im Bundestag nicht über die 100.000 Mark gesprochen hatte, die er von dem Schreiber damals bekommen hat. Und das ist, glaube ich, die Beziehung zwischen Kohl und Schreiber, sonst ist da nichts.

Scholl: Karlheinz Schreiber vor Gericht. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist der Journalist Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung". Kommen wir mal auf den Prozess, Herr Leyendecker. Der Anklagepunkt Bestechung, der ist vom Gericht sozusagen fallengelassen worden, der gilt nicht mehr als Haftgrund, weil das Landgericht davon ausgeht, dass das Delikt verjährt ist. Jetzt geht es also nur noch um Steuerhinterziehung und Betrug. Ist das überhaupt noch ein politischer Prozess?

Leyendecker: Also Schreiber wird schon versuchen, irgendwie ein bisschen Politik reinzubekommen, und ich denke, die Medien werden es auch versuchen. Das ist ja eine merkwürdige Beziehung, die da ist zwischen den Medien, die immer wieder Herrn Schreiber brauchen, um irgendjemand zu warnen. Aber wie gesagt, ich glaube, am Ende führt das zu nichts. Es geht um eine Steuerhinterziehung in großer Höhe, 20 Millionen, da ist eigentlich so der Leitsatz in Bayern, das sind sechs Jahre. Vermutlich werden die Anwälte versuchen, irgendwann einen Deal zu machen, bisher haben sie es noch nicht getan. Die Staatsanwaltschaft ist sehr entschlossen, dazu beizutragen, dass das eine hohe Strafe gibt, auch weil sich Herr Schreiber ja zehn Jahre lang der deutschen Justiz entzogen hat. Ich glaube, in diesem Rahmen wird sich das mehr bewegen. Es wird Geplänkel geben, es werden Bemerkungen von ihm aufgenommen werden. Er ist jemand, der ständig droht, dass er Leute in die Grube fallen lässt, nur er hat nicht das Format dazu.

Scholl: Wolfgang Schäuble, der vom Partei- und Fraktionsvorsitz damals zurücktreten musste, ist nicht als Zeuge geladen. Ist das ein Zeichen, dass man vonseiten der Staatsanwaltschaft die Politik auch heraushalten will, was meinen Sie?

Leyendecker: Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat die Politik da auch nichts drin zu suchen. Also die Punkte, um die es geht, spielen eigentlich nur eine Rolle in dem Schreiber'schen Bereich. Es ist zwar interessant, auf die Politik zu verweisen – ich glaube, Frau Merkel wäre möglicherweise nicht Bundeskanzlerin, wenn es den Fall nicht gegeben hätte. Wir müssen uns erinnern, Schäuble war damals Parteivorsitzender, und er ist über diese Geschichte gestrauchelt. Frau Merkel ist über die Schreiber-Geschichte dann auch Parteivorsitzende geworden. Nur das ist mehr ein Fall für Historiker, es ist weniger ein Fall fürs Gericht.

Scholl: Nun hat man schon Stimmen gehört, die ja von Deals sowieso sprechen mit der Staatsanwaltschaft, dann wird auch drauf verwiesen, dass der Prozess in Bayern stattfindet, wo man immer schon mal auf ein Gerichtsurteil oder auf einen Gerichtsprozess Einfluss genommen haben soll. Was sagen Sie als Insider, als Münchner und als, ja, als investigativer Journalist der "Süddeutschen Zeitung", ist da was dran, an solchen, ja, eher Verschwörungstheorien?

Leyendecker: Ich halte sie für Quatsch. Also die bayrische Justiz verfolgt – das kann man auch an anderen Geschichten sehen, jetzt Landesbank, Siemens – die Klientel, die reiche Klientel ganz anders, als früher gemacht wurde, auch mehr als in anderen Bundesländern. Also das Siemens-Verfahren, das es gab, hätte es in anderen Bundesländern so nicht gegeben. Und da hat sich seit Franz Josef Strauß, da war alles anders, da hatten die Reichen starke Helfer in der Justiz, das ist nicht mehr so. Und ich glaube auch, dem Gericht zu unterstellen, dass es da irgendeine Sauerei machen würde aus politischen Gründen, ist völlig abwegig. Das, was es geben kann, ist aus Gründen der Zeit, dass man sagt, man will nicht allzu viele Verhandlungstage darauf setzen – bisher hat man ja 26 Verhandlungstage, hat die Neunte Kammer angesetzt, dann soll Schluss sein –, dann kann es sein, dass es irgendwo so eine Vereinbarung gibt, aber dazu gehört dann auch ein volles Geständnis von Herrn Schreiber, auch Reue. Und da bin ich mir nicht so sicher, ob er das leisten wird.

Scholl: Bis Mai ist erst mal der Prozess terminiert. Werden wir in dieser Zeit irgendetwas erhellend Neues hören, also zur Parteispendenaffäre, zur Korruption im Waffengeschäft, oder was erwarten Sie sich?

Leyendecker: Sie werden vieles hören, ob es erhellend ist, da habe ich große Zweifel. Bei der Korruption im Waffengeschäft muss man davon ausgehen, alles, was man annimmt und was man für möglich hält, passiert in diesem Bereich.

Scholl: Der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber, seit heute steht er vor Gericht, vor dem Landgericht Augsburg. Das war Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung". Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!

Leyendecker: Danke Ihnen!
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