Leuchtende Schlichtheit und Schönheit

31.05.2007
"Der Tod des Teemeisters" ist ein fremder, kühler, strenger und doch auch berührender Roman, in dem der japanische Schriftsteller Yasushi Inoue seine Kunst des verhaltenen Erzählens zur Vollendung bringt. Er schreibt hier eine Prosa von so leuchtender Schlichtheit und Schönheit, dass die Lektüre immer wieder einer Meditation zu gleichen scheint.
Was für ein fremder, kühler, strenger und doch auch berührender Roman, in dem der große japanische Schriftsteller Yasushi Inoue seine Kunst des verhaltenen Erzählens zur Vollendung bringt. "Der Tod des Teemeisters" gilt als sein künstlerisches Vermächtnis.

Er schreibt hier eine Prosa von so leuchtender Schlichtheit und Schönheit, dass die Lektüre immer wieder einer Meditation zu gleichen scheint, einem Wandeln in Harmonie und Leere. Das Lesen wird zum Sich-Hingeben. Ungeduldige Leser allerdings könnten zunächst etwas irritiert herumdümpeln in diesem fast monotonen, handlungsarmen Wortfluss eines einfachen Mönchs, der sich an seinen verstorbenen Herrn erinnert.

Zehn Jahre hat Honkakubo dem Teemeister Rikyu gedient, eine historische Figur, der im 16.Jahrhundert die hohe Kunst der Teezeremonie begründete und zelebrierte, den Weg des Tees, der schlichten Strenge lehrte und ging (Wabi). Der seine eigene Philosophie des Tees entwickelte, aus der Zeremonie eine spirituelle Übung machte, einen Teepavillon in einen "Raum für Zen-Mediation" verwandelte.

Rikyu war berühmt, beliebt, geschätzt und erhielt aus heiterem Himmel - so scheint es - vom Herrscher den Befehl, sich zu töten. Er hätte wohl um Gnade bitten und sein Leben retten können. Was er nicht tat - und nun rätseln seine Freunde, rätselt Honkakubo über die Umstände seines Todes.
Wurde der große Rikyu Opfer höfischer Intrigen? Denn natürlich haben Teemeister Macht. Leben keineswegs fern vom Weltgetümmel. Sie können ihre Herrscher beraten oder gegen sie arbeiten. Bereiten Krieger auf Tod und Schlachten vor. Inoue beschreibt Teezeremonien und lässt wie nebenbei die Atmosphäre der Günstlingswirtschaft und Konkurrenz, des Misstrauens und des Einschmeichelns beklemmend spürbar werden.

Oder hat Rikyu den Befehl zum Freitod ausgeführt, weil er ihn ausführen wollte? Weil er erkannte hatte, dass das Ziel des wahren Teewegs der Tod sei? "Das Nichts vernichtet nichts, auslöschen kann nur der Tod." Nur, was ist es, das der Tod auslöscht? Das Ich? Das Ego? Die Unfreiheit in sich?
Hatte Rikyu seinem Ich entsagt? Und ist das die höchste Form der Teekunst? "Wer sich dem Weg des Tees ernsthaft verschrieben hat, der gibt sich nicht mit Banalitäten ab", heißt es an einer Stelle. Um Gnade für sein Leben zu bitten, wäre demnach banal?

Es ist ein Roman über Macht, Verrat und Freiheit. Über den Sinn des Lebens und des Todes. Und ein Roman über den Tee, die Teezubereitung, die Gerätschaften. Inoue tuscht delikate Pinselzeichungen von Kohlebecken und Frischwassergefäßen, von Teedosen und –schalen, Teespateln und Deckelablagen, von Bildrollen und Tabletts. Jede Schale hat ihre Geschichte und ihren Namen, jede Dose ist eine Kostbarkeit, ein Kunstgegenstand. "Mein Gastgeber bediente sich einer Seto-Teedose namensTsujido und einer schwarzen asymmetrischen Seto-Teeschale, von der ich schon gehört hatte." Und niemand versteht es so gut, Gerätschaften Namen zu geben, wie Meister Rikyu. "Sie waren stets frisch und trocken wie eine kühle Brise."
Ein Buch über Teehäuser und Teemeister. Über die Harmonie der Bewegungen bei der Zubereitung des Tees und die schlichte oder kühne Eleganz des Kredenzens.

Der Schreibstil Inoues folgt dem Teestil Rikyus. Rein und unverziert. Kühl und harmonisch. Eine karge, scheinbar unvollkommene Ästhetik. Eine Prosa, die betört gerade weil sie angeblich nicht betören will.

Rezensiert von Gabriele von Arnim

Yasushi Inoue:
Der Tod des Teemeisters

aus dem Japanischen von Ursula Gräfe.
Suhrkamp Frühjahr 2007,
169 Seiten, 19,80 Euro.