Letzte Staffel von "Pastewka"

Jeder Bumerang kam auch zurück

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Das Foto zeigt den Schauspieler Bastian Pastewka, der nach oben blickt.
"Ich bin gern Entertainer, ich bin gern Komiker": Bastian Pastewka. © picture alliance / Thomas Banneyer / dpa
Bastian Pastewka im Gespräch mit Dieter Kassel · 07.02.2020
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15 Jahre lang spielte Bastian Pastewka in einer Fernsehserie sich selbst. Nach 99 Folgen ist jetzt Schluss. Bastian Pastewka über die Anfänge der Comedy-Serie, neue Rollen und Fragen, die er nicht mehr hören kann.
Dieter Kassel: Irgendwann – muss ziemlich sicher im Jahr 2005 gewesen sein – saß ich zu Hause vorm Fernseher, habe die Programme so ein bisschen durchgezappt und landete plötzlich bei einer recht unterhaltsamen, lustigen Sendung mit Bastian Pastewka, ein Comedian, der damals gerade schon ziemlich bekannt war, weil er vorher durch die "Wochenshow" und andere Geschichten schon ins Fernsehen gekommen ist.
Ich saß da und dachte mir, was ist denn das, das ist ja nun Pastewka, aber irgendwie auch nicht. Dann begriff ich: Das ist eine Fernsehserie, die auch "Pastewka" heißt, und in der der Mann, der so heißt, einen Mann spielt, der auch so heißt. Das ist ganz lange her, und damals hätte ich wirklich nicht gedacht, dass das 15 Jahre lang so weitergehen würde.
So ist es aber gekommen. Seit gestern ist bei Amazon die zehnte und letzte Staffel dieser Serie "Pastewka" abrufbar. Ist es Ihnen und Ihren Team genauso gegangen wie mir?
Bastian Pastewka: Absolut. Wir haben mit unserer Serie "Pastewka" im Jahre 2004 begonnen. Wir haben erst mal eine Testfolge gedreht, um zu gucken, was machen wir da überhaupt, ist das überhaupt gesellschaftsfähig, bringt das überhaupt was.
Dann hat Sat.1 damals gesagt, sie würden daraus gerne eine erste Staffel entwickeln. Das haben wir auch sehr, sehr lange gemacht, denn, wie gesagt: Wir wussten am Anfang nicht, wie unsere Rezepte funktionieren. Manche sagen, wir hätten es auch bis zum Schluss nicht begriffen, aber wir haben beispielsweise ein relativ großes Ensemble in der ersten Staffel zusammen gesammelt, und uns war zum Beispiel gar nicht klar, dass wir die Figur von Hagen und Bastians Vater, gespielt von Dietrich Hollinderbäumer, so intensiv in den späteren Folgen einsetzen. Das war bei Pilotdreh nicht geplant. Uns ist diese Serie selber ein bisschen zugestoßen und passiert. Es war nicht klar, dass das Ganze 15 Jahre und zehn Staffeln lang währen würde.

Der "dumme Fernsehbastian" will wichtig sein

Kassel: Sie waren nicht der Einzige und sind bis heute nicht der Einzige, der unter seinem echten Namen da auftaucht. Anke Engelke ist natürlich das bekannteste Beispiel, Hugo Egon Balder und viele, viele andere sind dabei. Gab es Kollegen, die das selbst auch erst mal komisch fanden, wenn denen vorgeschlagen wurde, du kannst gerne mitspielen, aber als du und unter deinem Namen?
Pastewka: Eigentlich nicht. Natürlich, als wir angefangen haben mit der ersten Staffel, mussten wir erst allen einmal erklären, was wir da machen: Dass das keine lustige Sketchparade ist, wie man das damals möglicherweise von mir erwartet hat. Aber uns war auch immer klar, alle Gäste, die wir einladen, kommen bei uns nicht schlechter weg als der blöde Bastian, als der dumme Fernsehbastian, der versucht, sich über seine Gäste wichtiger zu machen, als er eigentlich ist. Das war das Prinzip letztlich von allen 99 "Pastewka"-Folgen, die wir gemacht haben. Die vielen Bumerangs, die Bastian im Laufe der ersten Minuten schmeißt, knallen am Ende der Folge alle an seinen Hinterkopf und nicht an den der prominenten Gäste.
Kassel: Ich habe mir ausgedacht, wie wir ein Problem lösen können, das wir beide bei so einem Interview zwangsläufig haben. Ein Kollege hat mal nachgerechnet, schon bei den ersten neun Staffeln haben Sie gut 700 Interviews gegeben, und natürlich wiederholen sich die Fragen und wahrscheinlich nicht nur in den Interviews. Deshalb Folgendes jetzt: Ich werde jetzt drei Fragen nennen, und Sie sagen mir bitte, welche dieser drei Fragen Ihnen jetzt, nachdem Sie die zehnte Staffel produziert haben, eigentlich am meisten auf den Wecker geht. Hier sind die drei Fragen. Frage A: Sind Sie im wahren Leben auch so komisch wie im Fernsehen?
Pastewka: Ich nehme die. Das ist schon die, die mir am meisten auf den Wecker geht. Ich weiß nicht, welche noch kommen, aber lesen Sie mal weiter.
Kassel: Wir können eine Hitparade aufstellen. Die zweite, B, ist: Brauchen Sie, um sich selbst zu spielen, eigentlich ein Drehbuch oder geht das auch so?
Pastewka: Das ist in Ordnung. Das ist eine gute Frage.

"Die Rolle und mein Selbst sind verschmolzen"

Kassel: Frage C ist: Wo liegt überhaupt der Unterschied zwischen der Rolle und dem echten Pastewka?
Pastewka: Frage C kann ich selber nicht mehr beantworten. Meine wirkliche Frau könnte das auch nicht, weil inzwischen Rolle und Figur und mein eigenes Selbst ein bisschen miteinander verschmolzen sind, wie in dieser einen "Akte X"-Folge, wo der Typ sich häutet und wieder er selber ist. So ungefähr ist das.
Die Frage nach dem Drehbuch finde ich vollkommen legitim im Übrigen, denn viele fragen sich, ist Komik immer etwas, was im Moment entsteht oder was geplant ist. Ich kann für mich nur sagen, andere Kollegen arbeiten anders, ich bin ein fürchterlicher Planer. Also ich muss vorbereitet sein.
Ich kann nirgendswo unvorbereitet hingehen, sonst werde ich wahnsinnig. Die Gags, die wir in "Pastewka" hören, so auch in der zehnten Staffel, sind alle gescriptet. Die Frage nach, welcher Bastian real ist, welcher nicht, wie viel ist in der Rolle drin? Einiges was wir in "Pastewka" zeigen, ist mir im wahren Leben auch passiert, nicht die schlimmen Dinge, aber die eine oder andere Anwandlung und natürlich auch die Tatsache, dass ich mich mit Freunden und speziell Frauen lieber über "Raumschiff Enterprise" unterhalte als über irgendwas anderes. Dann allmählich lichten sich die Reihen, die vor mir sind, das kenne ich aus dem wahren Leben. Das haben wir in "Pastewka", in der Serie, auch zelebriert.
Kassel: Eine Geschichte, die sich durch mehrere Folgen zieht, ist, dass Sie am Anfang der ersten Folge aus Afrika zurückgekommen sind und im Parkhaus des Flughafen Frankfurts auf einem falschen Parkplatz waren; der Automat zeigt Unkosten von 6.120 Euro an - heißt das dann wirklich, dass Sie im wahren Leben jedes Mal, wenn Sie an irgendeinem Parkautomaten stehen, sich Witze anhören müssen, das ist wieder teuer geworden?
Pastewka: Ja, aber seitdem ich Comedy mache, und das mache ich schon eine ganze Weile, ist das so, dass die Echos auf das, was ich mache, erstens immer unvorbereitet daherkommen – also ich erwarte sie nicht –, und zweitens lachen die Leute an Stellen, die ich möglicherweise nicht eingeplant habe.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass sich viele Leute auf diese schöne kleine Parkhausgeschichte beziehen, die wir durch die ganze Staffel ziehen, aber manchmal kommt es auch komplett von der Seite. Hin und wieder rufen mir die Leute auch immer noch nach: "Mensch, Sie sind doch der Lück!" Das ist ein Insiderscherz aus unserer allerersten "Pastewka"-Folge aus dem Jahr 2004.
Kassel: Wenn Sie die 99 so betonen, es sollten doch – das haben Sie, glaube ich, am Anfang ein paar Mal gesagt in diesen 700 Interviews – eigentlich 100 werden. Warum jetzt 99? Hat Amazon plötzlich den Geldhahn zugedreht bei der allerletzen?

"Wir haben da was Gutes in der Hand"

Pastewka: Tatsächlich, als wir anfingen, habe ich bei der zweiten Staffel gemerkt, dass wir da was Gutes in der Hand haben - das wird was. Dann habe ich irgendwann in einem Interview gesagt, ich glaube, die 100 würde ich gerne vollmachen. Da hat Sat.1 erst mal hektisch bei meiner Agentur angerufen und gefragt, meint er das ernst. Ich habe es eigentlich gar nicht ernst gemeint, aber tatsächlich hat man uns eine dritte, vierte, fünfte, sechste, siebte Staffel dort machen lassen über viele, viele Jahre.
Zwischendurch habe ich mit Anke Engelke noch alberne Volksmusiksachen gemacht, mit Christoph Maria Herbst einen Weihnachtsfilm gedreht. In der Tat haben wir keine 100. Folge, aber wir haben – und natürlich haben wir die 100 auf diese Weise vollgemacht – nach der 99., also letzten "Pastewka"-Folge noch ein einstündiges Monsterspecial hinten dran, was so wunderschön ist mit Statements von all meinen Comedykollegen, mit Statements sogar von John Cleese und vielen, vielen anderen zu dieser Serie, das ist noch mal ein besonderes Schmankerl. Das hat Regine, meine Agentin, noch eingetütet. Also: Wir haben die 100 vollgemacht. Jetzt ist die Überraschung raus.
Kassel: Ich dachte immer, bei Amazon guckt man werbefrei, aber …
Pastewka: Es ist auch so.
Kassel: Natürlich werden Sie eine gewisse Wehmut verspüren, aber wenn wir jetzt in die Zukunft gucken, haben Sie mal tierisch Lust, wieder wirklich eine Rolle zu spielen, etwas, wo Sie mit vollem Selbstbewusstsein sagen können, das, was ihr da seht, hat mit mir überhaupt nichts zu tun?
Pastewka: Tja, das ist immer so schwer. Ich glaube, ich bin kein wirklich vielseitig einsetzbarer Schauspieler. Ich habe nie eine Schauspielschule besucht. Das, was ich da mache, ist das, was ich mir über die Jahre so an Wissen zusammengekaspert habe. Ich bin gern Entertainer, ich bin gern Komiker. Ich würde nie ein nächstes Projekt angehen, um damit offensiv allen zu zeigen, dass es was anderes ist als das letzte, sei es was Komisches oder Ernstes, denn so kann man in eine Arbeit nicht hineingehen.
Ich freue mich über jede gute Rolle, die mir angeboten wird. Wenn die was zu sagen hat, wenn die was zu spielen hat, wenn die im Konflikt mit dem Leben steht, dann bin ich sofort dabei. Wenn man mir überhaupt was anbietet. Ich bitte jetzt gar nicht so sehr darum, aber das ist sozusagen der Einstieg in das jeweilige Projekt. Die Rolle muss stimmen.
Sie stimmte bei "Pastewka". Auch von "Pastewka" musste ich mich erst mal lösen, um diesen gespielten Bastian Pastewka als eine Rolle zu begreifen und nicht als irgendeinen Typen, der so aussieht wie ich - und ich muss mich nicht weiter vorbereiten. Nein, im Gegenteil, ich musste mir diesen gespielten Bastian auch erst erarbeiten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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