Lesart Spezial

Katarina Bader und Asli Sevindim im Gespräch mit Claus Leggewie · 13.06.2010
Katarina Becker spricht über ihr Buch "Jureks Erben - Vom Weiterleben nach dem Überleben", das ihre Freundschaft zu einem polnischen Auschwitz-Überlebenden beschreibt. Asli Sevindim äußert sich über Armin Laschets "Aufsteiger-Republik", das die Integrationspolitik analysiert.
Claus Leggewie: Guten Tag zu einer neuen Ausgabe von Lesart Spezial. Ich bin Claus Leggewie, Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts. Und wir machen diese Sendung im Schauspiel Essen im Grillo-Theater in Kooperation mit Deutschlandradio Kultur und unserem Medienpartner, der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", und natürlich nicht zuletzt der Buchhandlung "Proust".

Ich habe heute zwei hoch interessante Gäste hier, zum einen Katarina Bader - ich sage mal dazu, wann Sie geboren sind, weil es vielleicht für die Sendung nicht ganz uninteressant ist -, 1979 geboren. Sie hat in München, Krakau und Warschau Journalistik, Politikwissenschaft und osteuropäische Geschichte studiert und danach eine journalistische Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule bekommen und arbeitet gegenwärtig als wissenschaftliche Assistentin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Sie hat ein wunderbares Buch geschrieben. Das heißt "Jureks Erben – Vom Weiterleben nach dem Überleben". Und das ist vor kurzem bei Kiepenheuer & Witsch erschienen. Und darüber wollen wir heute als erstes reden, unter anderem dann auch mit Asli Sevindim. Sie ist, sage ich jetzt auch mal dazu, 1973 geboren in Duisburg-Marxloh. Sie ist Journalistin, Rundfunkmoderatorin und auch eine Schriftstellerin. Sie ist eine der ersten, würde ich sagen, deutsch-türkischen Moderatoren im deutschen Fernsehen, moderiert zum Beispiel die Nachrichtensendung "Aktuelle Stunde" im WDR.

Sie hat ein Buch geschrieben, "Candlelight Döner – Geschichten über meine türkische Familie", und ist im Kulturhauptstadtjahr 2010 in der Metropole Ruhr eine von vier künstlerischen Direktoren oder Direktorinnen für das Themenfeld "Stadt der Kulturen". Sie wird heute unter anderem auch zu dem Buch von Armin Laschet Stellung nehmen mit dem Titel: "Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance". Das ist vor einigen Wochen ebenfalls bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.

Zunächst aber zu dem "Weiterleben nach dem Überleben". Frau Bader, Sie haben eine ganz unlogische Freundschaft, sind Sie eingegangen mit Jurek Hronowski. Wer ist Jurek Hronowski?

Katarina Bader: Ja. Jurek war 60 Jahre älter als ich. Und ich bin ihm bei so einer organisierten Zeitzeugenbegegnung begegnet in der Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz. Da habe ich damals teilgenommen an einem Seminar für Schülerzeitungsschreiber. Da war eben dieser Jurek. Und wir haben eigentlich erst mal so ein ganz förmliches Gespräch gehabt. Und ich war auch so ein bisschen verlegen.

Und dann habe ich aber gemerkt, dass der jemand ist, der einen total dazu gebracht hat zu fragen und nachzufragen und der auch über keine Frage irgendwie erschrocken war. Jurek hatte vier Jahre in Auschwitz überlebt als junger Mann. Also, als ich ihn kennen gelernt habe, war ich 18. Als er 18 war, kam er nach Auschwitz und ist dort eben vier Jahre festgehalten worden und zwar einfach, weil er Anführer von einer Pfadfindergruppe war. Also, er ist kurz nach dem Einmarsch der Deutschen verhaftet worden, nicht, weil er irgendwie Widerstand geleistet hätte, aber einfach, weil die Deutschen dachten, dass das ein Mann ist, der potenziell Widerstand leisten könnte.

Und der hat eben dann später mit Jugendgruppen gearbeitet und auch mit meiner Gruppe gearbeitet. Und dieses Gespräch hätte eigentlich eine Stunde dauern sollen. Und es ging dann über vier Stunden. Und wir haben ewig geredet und sind dann irgendwann in die Kantine der Jugendbegegnungsstätte umgezogen und haben da wirklich die ganze Nacht eigentlich hindurch geredet bis in die Morgenstunden. Und das war der Anfang einer sehr ungewöhnlichen Freundschaft, die mich sehr geprägt hat.

Claus Leggewie: Sie haben dann praktisch jetzt seine Biographie geschrieben, er ist 2006 in Warschau gestorben, und haben dann über eine Geschichte, so eine Hommage, die Sie an ihn gemacht haben, die in einer Online-Zeitung jetzt erschienen ist, große Reaktionen bekommen. Das heißt, ganz viele Leute haben sich an Sie gewandt und haben Ihnen Informationen, Mutmaßungen über Jurek eigentlich mitgegeben. Und daraus haben Sie jetzt ein – ich glaube – 370 Seiten starkes Buch gemacht.

Warum schreibt jemand, der – deswegen habe ich es eben erwähnt – 1979 geboren ist, ein Buch über diese alte Kamelle?

Katarina Bader: Zunächst war das einfach für mich wirklich ein ganz besonderer Mensch und ganz wichtiger Mensch. Ich schreibe aber in dem Buch ja nicht nur über Jurek, sondern ich rekonstruiere Jureks Lebensweg dadurch, dass ich über Menschen schreibe, die ihm zu verschiedenen Zeiten begegnet sind und ihm zu verschiedenen Zeiten nahe waren. Und Jurek war eben ein großer Charismatiker und hat immer wieder Leute für sich begeistert und Leute allen Alters. Also, er hat 40 Jahre lang mit deutschen Jugendlichen gearbeitet. Manche dieser Jugendlichen sind jetzt selber schon wieder Rentner. Aber es war immer eine Geschichte der sofortigen Begeisterung.

Gleichzeitig war Jurek am Ende seines Lebens ein sehr einsamer Mensch. Also, auf seiner Beerdigung waren irgendwie nur acht Menschen. Und diesen Widerspruch wollte ich eigentlich lösen. Also, ich wollte verstehen, wie jemand, der so charismatisch war, der so leicht mit Leuten in Kontakt kommen konnte, der so Freundschaften entstehen lassen konnte, gleichzeitig ein so einsamer Mensch sein konnte am Ende seines Lebens, der mit seiner eigenen Familie auch einen ganz schlechten Kontakt hatte.

Claus Leggewie: Das ist eine schwere Frage, aber was ist der Grund für diese Diskrepanz? Jurek hat zehntausend Deutschen, wenn es nicht mehr waren, seine Geschichte erzählt. Und an seinem Grab stehen acht, unter anderem Sie.

Katarina Bader: Jurek war jemand, der eben mit diesen schrecklichen Erlebnissen, die er als sehr junger Mann erlebt hat, offensiv eigentlich umgegangen, das aber nicht von Anfang an, das habe ich auch erst nach und nach erfahren, als ich dann recherchiert habe. Das war mir nicht klar. Er hat am Anfang versucht, zu vergessen. Nachdem er 1945 noch nach dem Todesmarsch befreit wurde, hat er erst mal nicht darüber geredet und hat versucht, eine Familie zu gründen und ein möglichst normales Leben zu führen und hat einen Sohn gekriegt und hat diesem Sohn nie irgendwas erzählt von Auschwitz.

Aber es gab eben Szenen, das hat mir der Sohn dann erzählt, als ich ihn besucht habe. Ich habe den Sohn von Jurek erst nach Jureks Tod kennen gelernt. Es gab eben so Szenen, dass der Junge nachts aufs Klo geht und sein Vater, irgendwas fällt um, es gibt ein Geräusch, sein Vater springt aus dem Bett und fängt einfach an zu schreien und schreit "Schutzhäftling 227 meldet sich gehorsam zur Stelle". Solche Geschichten zeigen einfach, wie schwer traumatisiert Jurek war durch diese vier Jahre Auschwitz.

Und er hat es dann, aber eben viel später erst, als das Verhältnis zu seinem Sohn, das von Anfang an sehr belastet war, eigentlich zerrüttet war ein großes stückweit, hat er es eben geschafft, doch zu erzählen, hat aber – und das ist meiner Meinung nach kein Zufall – Fremden erzählt und Deutschen erzählt und nicht seiner eigenen Familie erzählt. Also, es gibt wirklich dieses Paradox, dass ich mal ausgerechnet habe, dass Jurek mit diesen zehntausend Deutschen gesprochen haben muss in diesen 40 Jahren, also, er ist irgendwie ein Prominenter, ohne je in den Massenmedien gewesen zu sein. Ich kriege auch jetzt noch ständig Briefe von Menschen, die ihn kannten.

Er hat diesen Menschen allen erzählt und sehr offen erzählt, aber ich glaub, dass eben in seiner eigenen Familie und bei seinem eigenen Sohn letztlich die Nähe zu groß war. Weil Fremden kann man eine schlüssige Geschichte erzählen und eine Geschichte, in der man auch eine Stärke hat. Und die Menschen, die einem am nächsten sind, die sehen eben auch die Schwäche. Die erleben einen eben auch nachts, wenn man nicht schlafen kann.

Claus Leggewie: Frau Sevindim, Sie haben die Geschichte gelesen. Wie wirkt sie auf jemand, der jetzt in einer türkischen Familie groß geworden ist?

Asli Sevindim: Also, sie wirkt zunächst einmal sehr berührend. Ich war absolut gefesselt davon, wie nah Sie sich gekommen sind. Sie haben es ja gerade angesprochen. Da hat jemand diese traumatischen Dinge, die sein Leben so sehr geprägt haben, nicht seiner eigenen Familie, also den Menschen anvertraut, die ihm eigentlich am nächsten sein müssten, sondern jemandem, der ganz, ganz von weit weg kommt. Als ich das gelesen habe, das Buch, hat ja eigentlich gar keine Rolle gespielt, dass meine Eltern nicht aus diesem Land stammen. Aber ich stamme aus diesem Land.

Und das hat mich dann noch mal berührt, weil eben auch Auschwitz, obwohl, also, ich war bisher nicht da, ich hab mich nicht getraut, bin ich auch ganz ehrlich, obwohl sich mal die Gelegenheit geboten hat, hinzufahren, hab ich auch noch mal festgestellt, wie sehr das auch mit mir verwoben ist – auch Auschwitz. Und das ist eine ganz faszinierende Feststellung, weil Sie natürlich als Deutsche vieles thematisieren und ja überrascht sind und auch bewegt und berührt sind, weil Jurek Ihnen das erzählt und so vielen anderen tausend Deutschen auch. Und ich lese das als Tochter türkischer Eltern und kann ganz vieles, was Sie sagen und schreiben und denken, nachempfinden. Ich fand das sehr bewegend.

Claus Leggewie: Frau Bader, erzählen Sie uns doch ein bisschen, wie Sie das Buch gemacht haben.

Katarina Bader: Also, am Anfang wollte ich dieses Buch eigentlich gar nicht schreiben. Das Buch hat sich mir ziemlich aufgedrängt, muss man sagen. Ich hab eigentlich dann erst mal nach Jureks Tod nur diesen Zeitungsartikel über ihn geschrieben. Und dann habe ich eben diese vielen Briefe gekriegt von Menschen, die ihn auch kannten, hab gemerkt, eigentlich spiegeln sich in Jureks Leben die deutsch-polnischen Beziehungen wider, in allem, also in dieser schrecklichen Phase des Zweiten Weltkriegs, aber dann auch in der langsamen, sehr komplizierten und immer wieder durchbrochenen Versöhnung und dem Wieder-miteinander-ins-Gespräch-kommen.

Und in diesem Leben der Menschen, die ich dann besucht habe – also, ich bin dann einfach los gefahren und hab die Leute, die mir Briefe geschrieben haben und geschrieben haben, "ich kannte diesen Jurek auch und dieser Jurek war auch für mich ein wahnsinnig wichtiger Mensch". Und Manche haben auch geschrieben, "aber am Ende habe ich mich schrecklich mit ihm überworfen und wir haben furchtbar gestritten und wir hatten keinen Kontakt mehr". Das war auch das, was sich immer wiederholt hat eigentlich. Und ich bin dann zu den Leuten hingefahren und hab die besucht und hab mit denen geredet und hab mir von der Freundschaft mit Jurek erzählen lassen, hab dabei aber auch gespürt, dass die immer auch ihre eigene Geschichte erzählen müssen, um mir von Jurek erzählen zu können.

Also, da war zum Beispiel eine Frau, die einfach aus einer Vertriebenenfamilie stammt und die selber auf der Flucht geboren ist, im Februar '45 in irgendeinem Flüchtlingsauffanglager, und für die die Begegnung mit Jurek eine ganz große Aussöhnung irgendwie dargestellt hat, auch mit der eigenen Familiengeschichte. Oder ein Mann, der als Kind auf der Napola war, also auf der Nazi-Eliteschule. Und so habe ich gemerkt, dass in den Lebensgeschichten von Jureks Freunden eigentlich sich die deutsche Aufarbeitung wirklich widerspiegelt. Also, man hat sich das nicht besser ausdenken können fast.

So habe ich irgendwann entschieden: Ja, ich muss das alles zusammenschreiben und es muss ein richtiges Buch werden. Und das Buch wurde dann auch immer dicker. Und wichtig war dann eben, dass auch Jureks Sohn bereit war, mit mir zu reden. Also, daran hing's dann letztlich.

Claus Leggewie: Erzählen Sie, wo Sie den getroffen haben, den Sohn?

Katarina Bader: Ja, das war eine ganz besondere Art von Gespräch. Weil, Jureks Sohn ist in die USA ausgewandert schon 1979, also in dem Jahr, in dem ich selbst geboren bin, und hatte dann kaum mehr Kontakt mit seinem Vater. Und immer, wenn sie versucht haben Kontakt zu haben, haben sie gestritten. Und Tomek, Jureks Sohn, ist truck driver, also, fährt in einem riesigen Truck kreuz und quer durch die Staaten, immer Ostküste, Westküste und zurück. Und er hat lang so gezögert, ob er mit mir reden will. Und irgendwann hat er aber ganz plötzlich gesagt, weißt du was, ich denke sowieso die ganze Zeit an meinen Vater. Komm einfach, setz dich zu mir in den Truck und ich denke laut. Und wir sind dann durch die Wüste gefahren in diesem riesigen Truck. Und das war eine wunderbare Form, ein Interview zu führen oder ein Gespräch zu führen. Weil, wir konnten beide nicht weglaufen, obwohl wir es manchmal gern getan hätten, weil Tomek, Jureks Sohn, hat ein ganz anderes Verhältnis zu seinem Vater und hat mir Dinge erzählt, die ich fast nicht ertragen konnte. Weil, für mich war Jurek ein zwar nicht immer einfacher, aber doch sehr gütiger, liebevoller Ersatzgroßvater.

Und er war aber ein schrecklicher Vater. Das muss man einfach so hart und traurig sagen. Und das dann zu erfahren, war hart. Aber wir saßen in diesem Truck, konnten auch immer wieder mal eine halbe Stunde nichts sagen, wenn wir nicht mehr konnten, und konnten aber auch nicht weggehen und haben dann immer, wenn es zu hitzig wurde, kam das ganz von allein, das habe ich auch später beim Bänderanhören sehr gemerkt, dass dann ganz von allein so was kam, dass er oder ich sagte: "Ach, dieser Berg da drüben hat ja 'ne komische Form", oder so. Und dann konnte man sich wieder ablenken und konnte es wieder besser aushalten. Also, das war ein schönes Gespräch.

Claus Leggewie: Frau Sevindim, war Ihnen Jurek sympathisch?

Asli Sevindim: Sympathisch ist schwer zu sagen, aber er war so menschlich vertraut trotz allem. Ich fand das ganz faszinierend, wie Sie beschreiben, welche Erwartungshaltung Menschen an ihn hatten. Also, weil er eben in Auschwitz war, musste er sich eigentlich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Er sollte eben über bestimmte Dinge sprechen und über andere nicht. Wie kommt jemand, der in Auschwitz ist oder war auf die Idee, über Geschäfte zu sprechen, über ganz alltägliche Dinge, die uns alle vielleicht miteinander bewegen.

Oder auch dieser ganz nüchterne und kurze Satz gegen Ende des Romans nach dem Gespräch mit Tomek, wo Sie sagen, "er hätte einen Vater gebraucht und keinen Zeitzeugen", also auch diese Diskrepanz, was alles in ein Leben eigentlich passen soll und passen muss. Und es passte ja aber trotzdem. Also, er hat das in sich vereinen können, also auch die Gebrochenheit dieser Figur und auch, dass sein Auschwitz-Trauma in seinem Sohn fortlebt.

Katarina Bader: Das ist eben auch, weshalb ich immer sagen würde – und das hab ich jetzt auch wirklich gemerkt… Also, ich bin ganz oft, während ich dieses Buch geschrieben habe, wirklich einfach auf Partys und so, wenn man so gefragt wird: "Und was machst du beruflich?", wenn man dann sagt: "Ich schreibe gerade die Biographie eines Auschwitzüberlebenden", dann läuft jeder meines Alters einfach weg. Jeder muss plötzlich jemanden begrüßen oder Getränke holen und kommt nie weder. Niemand will mehr darüber reden.

Aber dann hab ich trotzdem die Erfahrung gemacht, dass es eine andere Ebene gibt. Also, eigentlich wollen wir nur nicht mehr auf so eine unmittelbar moralisierende Art drüber reden oder mit bestimmten Floskeln. Wir haben alle so ganz viel Floskeln gehört und die werden immer wiederholt, aber wir wissen gar nicht mehr, was die heißen. "Wir müssen das wissen, damit es nie wieder passiert" und diese Dinge.

Und dann habe ich aber eben trotzdem auch gemerkt, dass mir plötzlich ganz viele Leute ihre Lebens- und ihre Familiengeschichte erzählen und dass auch in den deutschen Familien ganz viel aus dem Zweiten Weltkrieg fortwirkt bis heute und dass mir plötzlich jemand erzählt, ja, er hatte diesen merkwürdigen Großvater, der offensichtlich ein gesuchter Kriegsverbrecher war und der immer bei Familienfesten im Hinterzimmer plötzlich heimlich auftauchte und der ihm als kleines Kind wie so eine Art Robin Hood vorkam, aber der einfach ein gesuchter Kriegsverbrecher war. Und so Geschichten höre ich jetzt ständig von Menschen meiner Generation und ich fange einfach an zu verstehen oder hab durch das Buch verstanden, dass es für uns sehr wohl noch wichtig ist und dass wir immer noch ganz viel Unaufgearbeitetes in unseren Familiengeschichten haben. Also, es ist nicht vorbei für unsere Generation, im Gegenteil. Unsere Generation kann vielleicht über manche Fragen noch mal anders nachdenken und anders reden. Und ich glaub, das ist eigentlich eine wichtige Aufgabe, die wir auch annehmen könnten und die uns helfen würde.

Asli Sevindim: Ja. Ich hab mal mit einem guten Bekannten, den hatte ich eingeladen zu uns nach Hause, der war ganz fasziniert davon, dass wir uns alle ständig in den Armen lagen und die Kinder knutschten die Mama und keine Ahnung, also, es war einfach auch sehr viel körperliche Nähe da. Und ich hab erst Tage später von ihm gehört, dass er das in seiner Familie gerade bei den Frauen – bei der Großmutter, bei der eigenen Mutter und bei den Tanten, die eben eine bestimmte Zeit miterlebt haben und auch den Krieg mitgemacht haben, er hat sich das jedenfalls so erklärt – hat er diese Nähe nicht erleben können.

Auch das ist zum Beispiel etwas, das kann ich – vielleicht als jemand, der gar nicht diese Geschichte hat, auch meine Eltern haben diese Geschichte nicht, die sind 1971 nach Deutschland gekommen – nicht wissen, aber das zu erfahren, ist so unendlich wichtig. Es gibt bei ganz vielen Einwanderern dieses Klischee, dieses Vorurteil von den kühlen, distanzierten Deutschen. Plötzlich tun sich ganz neue Erklärungen auf. Und deshalb ist, glaube ich, auch eine bestimmte Form von Information und von Reden und von Sichtbarmachen so unendlich wichtig. Hier ist Jurek, er ist ein Mensch. Wir erfahren nicht Daten, Fakten und die großen historischen Gesten, sondern wir sehen, was das in einem Leben anrichtet, in einem Menschenleben.

Katarina Bader: Also, was Sie sagen, auch von außen zu kommen und das dann zu erfahren, ich glaube, dass man da eben auch noch mal was Besonderes beitragen kann, also, wenn man die Deutschen und ihre Geschichte dann ohne selber die Familienbelastung sozusagen rumzutragen anguckt und doch in diesem Land lebt. Also, ich fand's ganz beeindruckend. Ich habe in der Jugendbegegnungsstätte Auschwitz eine Gruppe von türkischen Müttern, eine Elterninitiative aus Kreuzberg getroffen.

Als ich für "Jureks Erben" recherchiert hab, war da plötzlich die ganze Kantine, also genau die Kantine, in der ich dieses erste lange Gespräch mit Jurek geführt hab, voll mit türkischstämmigen Frauen, sehr viele auch mit Kopftuch. Und es war total spannend. Und ich hab dann eben auch mit denen darüber diskutiert. Warum sind sie da? Und sie sagen, wir leben in Deutschland und wir müssen das wissen. Also, wir werden unser Land nicht verstehen, ohne diese Geschichte mitzukriegen.

Claus Leggewie: An diesem fröhlichen Ton merken Sie, dass dieses Buch ohne jede Moralkeule geschrieben ist. So hat ja Martin Walser das mal ausgedrückt, "die Moralkeule, die geschwungen wird". Es ist genau das Buch, was man produziert, wenn man dieser Generation angehört. Ältere Generationen haben zwischen sich und Jurek immer die eigene Familiengeschichte gestellt und haben deswegen diesen Jurek so stilisieren müssen. Das durfte zum Beispiel kein böser Mensch sein. Und in diesem Buch lernt man, dass er ein sehr böser Mensch gewesen ist gegenüber seiner Frau uns seinem Kind, dass er Dinge gemacht hat, von denen man sagt, ja, aber das kann doch ein von uns so idealisiertes, stilisiertes Opfer überhaupt nicht tun. Und endlich ist gewissermaßen der Blick auf die Person frei durch Ihr Buch. Ein ganz neuer Entwurf zu dem Thema NS-Vergangenheit von Katarina Bader, "Jureks Erben – Vom Weiterleben nach dem Überleben", bei Kiepenheuer & Witsch.

Wir kommen jetzt zu dem zweiten Buch. Frau Sevindim, sind Sie eine Aufsteigerin?

Asli Sevindim: Ja, wenn man sich jetzt angucken würde, wie Armin Laschet das definiert, wahrscheinlich schon, also, dass die Kinder von ehemaligen Gastarbeitern den sozialen Aufstieg schaffen, also aus der Arbeiterschicht sozusagen dann eine Schulbildung, Studium, einen Beruf, der außerhalb der dreieinhalb Berufe liegt, die sonst Migranten zugestanden werden – vom Gemüsehändler bis zum ich weiß nicht was -, dann wahrscheinlich schon. Aber wenn man so das große Gesamte sieht, würde ich sagen: ein entspanntes und sich zurechtfindendes nettes kleines Leben.

Claus Leggewie: Das Buch heißt "Die Aufsteigerrepublik". Und es behandelt, steht schon im Titel, ganz programmatisch auch und sehr mit Emphase Zuwanderung als Chance. Gerade kürzlich wurde ja noch mal gesprochen über den Integrationsbericht, den letzten, wo eben das eigentlich bestätigt wird. Die Geschichten, die wir hören über das Scheitern von Immigranten, gerade auch in der zweiten oder dritten Generation, die sind übertrieben. Wenn man sozusagen das Gros nimmt der Einwanderer, auch der zweiten und dritten Generation, ist das eine Erfolgsgeschichte. Können Sie das so teilen, den Optimismus von Armin Laschet? Wir müssen noch dazu sagen, wer er ist.

Asli Sevindim: Armin Laschet, der erste und einzige Integrationsminister in Deutschland, noch Minister in Nordrhein-Westfalen, der eine ziemlich überraschende und auch für viele Einwanderer sensationelle Integrationspolitik geprägt hat, gestartet hat, der – muss man auch sagen – an der Stelle viele Herzen gewonnen hat, weil viele Einwanderer eben zum ersten Mal das Gefühl hatten, dass sie wirklich ernst genommen werden und dass da nicht nur einer auch in diesem Fall nur die Moralkeule schwingt, die Integrationskeule, die immer lautet: Du sollst gefälligst Deutsch sprechen. Da gehe ich jetzt einfach mal von aus, dass das eine Selbstverständlichkeit sein sollte.
Ja, also sehe ich das auch so? Das hängt immer von der Tagesform ab.

Das hängt immer von den Dingen ab, die man live und in Farbe selbst erlebt und hört, und hängt dann auch immer davon ab, was man eigentlich gerne möchte. Und das, was Armin Laschet in diesem Buch macht, er entwirft einfach eine Zukunftsvision. Und diese Zukunftsvision, die er da entwirft, ist eben nicht mehr das alte Erzählen von "Du sollst dich einfügen und anpassen", wobei da ja immer die Frage ist, woran soll sich denn jetzt der Migrant anpassen. Ich habe immer zwei Lieblingsdeutsche als Beispiel, an die ich mich anpassen soll. Dann dürfen sich die Leute das immer aussuchen, ob das jetzt Herr Stoiber ist oder Herr Ströbele. Denn so weit ist die Palette an Möglichkeiten. Und Armin Laschet beschreibt aber eine Gesellschaft und eine Mentalität, in der es möglich sein sollte, unabhängig von Herkunft doch den Aufstieg zu schaffen. Und "Aufstieg" hört sich jetzt so ein bisschen groß und pathetisch an. Ich finde, jeder sollte einfach die Möglichkeit haben, sein Leben zu leben. Das wäre schon mal eine ganz nette Geschichte.

Claus Leggewie: Können Sie das Buch ein bisschen beschreiben, was wir drin lesen, was Sie interessiert hat, Frau Bader?

Katarina Bader: Also, am meisten hat's mich immer interessiert, wenn's ganz konkret wurde, also, wenn er wirklich konkret beschrieben hat zum Beispiel in den 90er Jahren, als es eine kleine Gruppe auch innerhalb der CDU gab, die sich eingesetzt hat für eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, aber eben auch ganz genau beschreibt, wie die große Mehrheit der CDU sich da dagegen gestellt hat und wie die dann auch wirklich mit Beschimpfungen leben mussten die ganze Zeit. Und da, finde ich, wird dieses Buch immer richtig interessant. Und da finde ich es auch schön, dass er einen sehr selbstkritischen Ton findet und auch einen Ton, der sehr reflektierend und oft auch kritisch ist, ja, dem politischen Betrieb gegenüber, auch seiner eigenen Partei gegenüber. Da find ich's ganz arg spannend.

Es gibt einzelne Stellen, da finde ich, dass es dann auch ein bisschen – also, das ist jetzt wieder wahrscheinlich sehr dieses meiner Generation, aber manchmal ist es auch sonntagsredenhaft, würde ich jetzt einfach mal so hart sagen wollen. Also, es ist ein wichtiges Thema von der Sonntagsrede, die man wahrscheinlich auch nicht oft genug halten kann, aber, ja, schön finde ich immer, wenn's ganz konkret wird.

Asli Sevindim: Es gibt eine wunderhübsche Stelle, finde ich, wo einfach auch so die Strategie von Armin Laschet sehr deutlich wird, wo er beschreibt – also, er versucht auch mal ein bisschen aufzubrechen, er versucht uns klar zu machen, durch welche Brille wir gerade gucken. Da gibt’s zum Beispiel die Stelle, an der er über Parallelgesellschaften beschreibt. Und er beschreibt, wie er in den katholischen Kinder… Er ist erst mal im katholischen Krankenhaus natürlich zur Welt gekommen, getauft und katholischer Kindergarten. Und er hat immer noch sein Konto bei einer katholischen Bank und sagt dann: Warum ist es eigentlich ganz normal, in einer Kirchengemeinde zu arbeiten und zu machen und zu tun und zu helfen. Es ist aber Parallelgesellschaft, wenn man das in einer Moscheegemeinde tut. Und da, finde ich, hat er einfach sehr pragmatische und alltagsnahe Beispiele, die einem ein bisschen so den Blick vielleicht noch mal, so die Perspektive so ein bisschen einstellt.

Katarina Bader: Ja, und das hat mir auch sehr gut gefallen. Also, auch wenn er dann aus seinem eigenen Leben zu erzählen anfängt, wird’s immer super.

Claus Leggewie: Ja, der niederrheinische Katholik, der in der Parallelgesellschaft groß geworden ist. Es wird ihm ja der Vorwurf gemacht, nicht nur wegen dieses Buches, sondern auch generell wegen seiner Politik, dass er die Probleme übersieht. Übersieht er die Probleme?

Asli Sevindim: Definitiv nicht. Also, ich hab in ganz vielen Debatten Armin Laschet auch knallhart erlebt. Es gibt einfach ganz bestimmte Voraussetzungen, die zu erfüllen sind. Die benennt er auch klar. Ich meine, er ist derjenige, der mit angegangen ist, dass eben ganz viele Kinder in unserem Land in sehr jungem Alter erst mal ja daraufhin vorbereitet werden, dass sie die deutsche Sprache beherrschen. Ich meine, es ist doch verrückt, Kinder in die Schule zu schicken und sie beherrschen die Grundvoraussetzung nicht. Das ist ja wie Atmen. Ja, ich muss doch irgendwie verstehen können, was da vorne passiert. Er ist derjenige, der das mit angepackt hat.

Aber er findet, und das ist vielleicht für Viele nicht ganz nachvollziehbar, in der öffentlichen Debatte eben auch den Weg, sich da hinzustellen, wo viele Einwanderer stehen, und nachzuempfinden, einfach sich da mal hineinzusetzen, was das für ein Gefühl sein muss, zum Beispiel seit 40 Jahren hier zu leben, seit 40 Jahren hier gearbeitet zu haben, mitgemacht zu haben, sag ich jetzt mal, sich ein Leben aufgebaut zu haben. Also, meine Eltern sind mit exakt null Worten Deutsch hierher gekommen, exakt null. Die sind total bekloppt gewesen.

Wenn ich in Urlaub nach Italien fahr, da können Sie aber davon ausgehen, dass ich mindestens einkaufen kann. Ja. Die kommen in ein fremdes Land. Und ich finde, wenn Menschen es schaffen, trotz allem sich ein Leben aufzubauen, ihre Kinder zu erziehen und ihnen auch noch irgendwie einen Beruf mit auf den Weg zu geben, dann kann man da auch mal nach 40 Jahren hingucken und sagen: Hey, gar nicht so verkehrt gelaufen.

Claus Leggewie: Wir reden aber jetzt doch noch mal über das, was Laschet immer angekreidet wird: Du übersiehst die Probleme. Du redest dir Deutschland schön. Da gibt’s ein paar Aufsteiger. Das sind ganz wenige. Das Gros der Einwanderer macht nicht mit, lässt sich nicht integrieren usw. usf. – Das ist ja sozusagen der Standard, den wir auch schon an dieser Stelle, der uns hier auch an dieser Stelle schon mal entgegengeschlagen ist, als wir über Moscheen geredet haben. Da wird’s ja besonders dramatisch.

Woran liegt denn eigentlich das individuelle Scheitern, was es ja auch gibt? Kann man dafür allgemeine Gründe überhaupt benennen? Oder ist es so, dass wir uns dann auch jeden einzelnen Fall angucken sollten, ähnlich wie …?

Asli Sevindim: Also, man kann ganz viele Gründe benennen. Es gibt sicher individuelle Gründe, mit Sicherheit. Es gibt aber auch Gründe, die ziehen sich durch ganze Milieus hindurch. Also, eine Familie, die bildungsfern ist, da ist es nun wirklich völlig egal, ob das eine polnische, türkische, italienische oder deutsche Familie ist, da hat ein Kind einfach – das geht schon mit einem Rückstand ins Spiel, ist so. Das heißt, das sind Eltern, die können bei bestimmten Hausaufgaben nicht helfen. Die können eben da nicht helfen, da nicht unterstützen, haben vielleicht das Bewusstsein nicht dafür, dass man auch mal in die Bibliothek gehen kann und die Kinder mit Büchern versorgen kann.

Das ist einfach auch eine soziale Frage. Mit Sicherheit gibt es individuelle Dinge, aber es gibt eben auch die großen strategischen Fehler, die Versäumnisse. Ich meine, wie kann ein Land wie Deutschland, das ein Einwanderungsland ist de facto… Wir haben ganze Städte, in denen 50 Prozent der Kinder Migrationshintergrund haben. Das ist erst mal nix dramatisch Schlimmes, aber hat eben ganz viele soziale Implikationen. Wir können wir da unser Bildungssystem nicht schon längst darauf vorbereitet haben? Das ist verrückt. Wir leben, unsere ganzen Institutionen, egal, wo Sie hingucken, hinken alle ungefähr 20 Jahre hinterher.

Claus Leggewie: Faruk Sen, der hier mal das Zentrum für Türkeistudien in Essen geleitet hat, hat gesagt: "Die Türken sind die Juden von heute."

Asli Sevindim: Nein, natürlich nicht.

Claus Leggewie: Das sind dann die Übertreibungen, mit denen wir es zu tun haben. Da wird sozusagen, das individuelle Problem wird zu einem kollektiven Stigma gewissermaßen erhoben und der deutschen Gesellschaft kollektiv etwas zugeschoben. Trotzdem ist es so, dass wir – auch jetzt im Moment wird sehr viel über die Türkei geredet – eigentlich über die Türkei auch nichts wissen, dass auch ein solches Zentrum für Türkeistudien eigentlich nicht wirklich sich mit der Türkei beschäftigt.

Ich glaube, dass Armin Laschet in diesem Buch sehr deutlich macht, wie sozusagen die innenpolitische Dimension ist – also, Zuwanderung als Chance. Wir sollten uns endlich als Einwanderungsland begreifen und eine vernünftige Integrationspolitik machen.
Dazu gehört zum Beispiel: Nur ein Prozent unserer Lehrkräfte haben einen Migrationshintergrund. Das betrifft nicht nur die Türken, sondern auch die ItalienerInnen usw. usw. Es gibt natürlich noch eine andere Dimension, sozusagen das deutsch-türkische Verhältnis, was sich ja im Moment relativ deutlich auch wandelt.

Asli Sevindim: Ich finde, das ist zum Beispiel ein ganz entscheidender Punkt, dass man da aber auch trennen kann. Ich möchte, dass – wenn Armin Laschet über Einwanderer schreibt – dass er dann über "seine" Türken schreibt. Die Türken, die hier leben, gehören hierher. Ich will mich nicht debattiert sehen oder verortet wissen in die Türkei. Ich rede über das Land, in dem ich lebe. Und das ist Deutschland.

Claus Leggewie: Am Schluss unserer Sendung dürfen unsere Gäste immer noch ein Buch kurz vorstellen, was sie empfehlen. Fangen Sie an, Frau Sevindim?

Asli Sevindim: Ein Buch, das ich jetzt zum zweiten Mal lese, weil es unglaublich atmosphärisch ist: "Die grauen Seelen" von Philippe Claudel, einem französischen Schriftsteller. Der Roman beginnt damit, dass ein kleines Mädchen ermordet aufgefunden wird. Und ein Kommissar versucht dann diesen Fall aufzudecken. Ich habe selten ein Buch gelesen, das mich so gefesselt hat, das atmosphärisch so dicht geschrieben ist. Und, ja, normalerweise weint man ja bei Filmen. Und das ist ein Buch, das einem, wirklich einem die Kehle zuschnürt. Ich kann's nur dringendst empfehlen. – Aber bitte bei Sonnenschein lesen. Es ist tieftraurig.

Katarina Bader: Ja. Ich würde gern vorstellen von Julian Barnes "Nichts, was man fürchten müsste". Ich hatte mir eigentlich, nachdem ich "Jureks Erben" fertig geschrieben hab, vorgenommen, nur noch wahnsinnig lustige Bücher zu lesen. Dann hab ich dieses Buch über Tod geschenkt gekriegt, weil, "Nichts, was man fürchten müsste" ist der Tod. Aber es ist ein wahnsinnig lustiges Buch. Also, es ist ungewöhnlich, aber ist so. Es beginnt mit dem Satz: "Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn", was ich schon einen schönen Satz finde. Und es geht dann eben ganz viel darum: Ja, was bleibt von einem Menschen, wenn er stirbt? Wie lebt man mit dem Tod, wenn man nicht an Gott glaubt? Und es geht aber auf sehr lustige und alltägliche und auch teilweise anekdotenhafte Art darum. Und deshalb finde ich das Buch sehr schön und sehr empfehlenswert. Es geht einfach auch um so Fragen: Wie ist es, wenn man den Hausrat seiner Eltern zum Werkstoffhof bringt usw.? Und was bedeutet das?

Genau. Und ich fand diese Frage eben auf eine ganz andere Art eine Annäherung an das Thema, mit dem ich mich so viel beschäftigt hab, nämlich: Was bleibt von einem Menschen, wenn er stirbt? Und ich glaub eben, dass seine Geschichten bleiben und dass das was vom Wichtigsten ist.

Claus Leggewie: Was ist denn Ihr nächstes Buch, Frau Bader?

Katarina Bader: Mein nächstes Buch ist jetzt erst mal meine Promotion, genau, die ich ja weggelegt hab dafür und die ich jetzt grad endlich fertig schreibe. Und da war ich sehr froh.

Claus Leggewie: Wenn die Kulturhauptstadt zu Ende ist, schreiben Sie ein neues Buch, Frau Sevindim?

Asli Sevindim: Ja, ich plane schon.

Claus Leggewie: Können Sie uns schon verraten so grob, in welche Richtung das gehen wird?

Asli Sevindim: Es wird davon handeln, welche Innereien in den internationalen Küchen verarbeitet werden.

Claus Leggewie: Das war Lesart Spezial aus dem Schauspiel Essen. Das produzieren wir, das Kulturwissenschaftliche Institut, zusammen mit dem Schauspiel Essen, der Buchhandlung "Proust" und unserem Medienpartner, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Wir haben heute zwei Bücher vorgestellt: Armin Laschet, "Die Aufsteigerrepublik", und Katarina Bader, "Jureks Erben", beide erschienen bei Kiepenheuer & Witsch. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag.


Katarina Bader:
Jureks Erben - Vom Weiterleben nach dem Überleben

Kiepenheuer & Witsch 2010

Armin Laschet:
Aufsteiger-Republik. Zuwanderung als Chance

Kiepenheuer & Witsch 2009
Cover: "Katarina Bader: Jureks Erben"
Cover: "Katarina Bader: Jureks Erben"© Kiepenheuer & Witsch
Cover: "Armin Laschet: Aufsteiger-Republik"
Cover: "Armin Laschet: Aufsteiger-Republik"© Kiepenheuer & Witsch