Lernen durch die Hintertür

Von Thomas Reintjes · 22.03.2010
Gezielt nebenbei und somit spielend lernen, das wünschen sich Viele. Unterhaltungselektronik kann dabei helfen. Mobiles Lernen mit Handy und Spielkonsole ist im Kommen, das wurde auf der Bildungsmesse Didacta in Köln deutlich.
Um mit moderner Elektronik unterwegs etwas zu lernen, genügen schon einfachste Mittel. Rasch den MP3-Player mit fremdsprachigen Radiosendungen gefüttert, schon lässt sich im Bus oder beim Joggen das Sprachverstehen trainieren. Für Menschen, die Deutsch lernen, hat die Deutsche Welle ein solches Angebot: langsam gesprochene Nachrichten.

"Deutsche Welle. Deutsch lernen mit Nachrichten. Berlin. Bundeskanzlerin Merkel, CDU, hat die Rekord-Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2010 verteidigt."

Dass es auch unterhaltsamer geht, beweist der Cornelsen Verlag. "Liebe bis in den Tod" heißt einer der Hörkrimis, mit dessen Hilfe sich Deutsch lernen lassen soll.

"'Die Sonne lacht, lass uns spazieren gehen!' Konstanze berührt leicht die Hand ihres Freundes Patrick Reich. 'Geduld, Geduld, Konstanze. Ich möchte in Ruhe meinen Kaffee austrinken. Vergiss nicht, wir sind im Urlaub und haben Zeit, viel Zeit.'"

Was banal beginnt, entwickelt sich zu einer spannenden Handlung, die offenbar zum Dranbleiben und Weiterlernen motivieren soll. Zwischen den Kapiteln muss der Hörer und Leser Aufgaben lösen, beispielsweise aus einer Begriffswolke unpassende Wörter herausstreichen. Das geht natürlich nicht auf jedem beliebigen MP3-Player.

Cornelsen hat die Krimis für Apples iPhone und iPod entwickeln lassen. Knapp vier Euro kostet jede Lern-Geschichte. Zwischen massenhaft Sinnlosem und Nichtsnutzigem findet sich in den boomenden App-Stores für moderne Smartphones eine ganze Reihe guter Lernprogramme.

Unterwegs können Schüler mit ihrem Handy beispielsweise Vokabeln pauken oder Übungsfragebögen für die Führerscheinprüfung ausfüllen. Praktisch, denn anders als Vokabelheft und Übungsbuch ist das Handy immer dabei.

Auf der Bildungsmesse Didacta wurde aber klar: Mobiles Lernen ist noch ganz am Anfang. Professionelle Anwendungen gibt es nur wenige – wie man sie richtig aufbaut, wird noch erforscht - etwa von Maciej Kuszpa von der Fernuniversität Hagen. Er zeigte auf der Messe ein Beispiel-Programm auf seinem Handy, entwickelt für Berufsschüler:

"Das ist ganz simpel aufgebaut. Eine kleine Frage: Wo zeigt der Pfeil einer Diode hin? Das hat direkten Bezug zu dem Schulunterricht. Und jetzt muss der Schüler sich entscheiden: Was ist die richtige Antwort? Ich gehe jetzt bewusst auf eine falsche Antwort und wenn sie weiter gehen, dann sehen sie, das ist leider falsch. Und dann bekommen sie auch eine Erklärung, was das Richtige wäre. Und am Ende bekommt er eine Gesamtauswertung, sodass er ein Gefühl bekommt, ob er die letzte Unterrichtsstunde verstanden hat oder nicht."

Bei der Arbeit im ausbildenden Unternehmen dient das Handy den Jugendlichen als Spickzettel – wenn es peinlich wäre, den Meister schon wieder zu fragen, wie das noch mal war mit den Dioden. Aber von wenigen Ausnahmen in Pilotprojekten abgesehen, hat es das Handy im Schulunterricht schwer. An vielen Schulen sind Handys inzwischen verboten. Und deshalb zeigen die Aussteller auf Messen rund um die Schule auch keine anderswo gehypten Smartphones und Apps.

Durchaus finden die Besucher aber Spielkonsolen, allen voran die von Nintendo. Allerdings werden die eher von Schülern belagert als von Eltern und Lehrern. Und spontan vor die Wahl gestellt, scheinen sie sich eher die Konsolen auszusuchen, die Unterhaltung und Bewegung versprechen.

Autor: "Warum habt ihr euch diese Konsole ausgesucht, wo hier doch so viele andere stehen, wo man was lernen kann?"

Christian: "Weil man eben sich bewegen kann. Und jetzt eben beim DS benutzt man nur Daumen, und das ist nach einer Zeit langweilig. Und hier kann man beim Basketball Slam Dunk machen und alles Mögliche."

Autor: "Könnte man nicht auch vielleicht Spielen und Lernen miteinander verbinden?"

Christian: "Ich glaube nicht. Spielen ist so etwas, da hat man Spaß dabei. Und Lernen ist was, wobei man nicht Spaß hat."

Jan: "Alle Kombinationen, die ich bisher gesehen hab, wo man lernen und spielen soll – war nicht gut. Da hat man mehr gelernt als gespielt."

Christian: "Ich glaube, das würde man eh nicht benutzen."

Vielleicht sind Christian und Jan auch einfach zu alt für Lernspiele. Denn das Lernen durch die Hintertür, mit einer hübschen Rahmenhandlung, das ist eher etwas für Kinder bis zum Grundschulalter. Die berühmten "Was ist was"- Bücher sind ein Beispiel dafür. "Versunkene Schätze" und "Abenteuer Erde" sind die beiden ersten Lernspiele aus der Reihe, die für die mobile Spielkonsole erschienen sind. Wie bei einem klassischen Adventure-Spiel müssen die Kinder Aufgaben lösen und sollen dabei etwas lernen.

Doch, und damit zurück zum Anfang, es geht auch trockener. Silja Gülicher von Nintendo:

"Hier haben wir zum Beispiel Professor Kageyamas Mathematiktraining. Man kann hier zwölf Konsolen miteinander verkoppeln, sodass die Kinder gegeneinander antreten können. Und das Kind, das am schnellsten alle Aufgaben löst, das ist natürlich dann der Erste und kann vom Lehrer entsprechend gelobt werden."

Ob die Spielkonsole im Gegensatz zum Handy wirklich Einzug in das Klassenzimmer halten wird? Das mobile Lernen unterwegs und zwischendurch halten die Fachleute auf jeden Fall für einen wachsenden Markt. Lernwillige Erwachsene scheinen aber eine viel versprechendere Zielgruppe zu sein als Kinder und Jugendliche mit Spieltrieb.