Kino-Kolumne Top Five

Geniale und skurrile Geistesgrößen

05:37 Minuten
Eine Forschergruppe lässt Ellen Ripley in "Alien - Die Wiedergeburt" geklont auferstehen.
Eine Forschergruppe lässt Ellen Ripley in "Alien - Die Wiedergeburt" geklont auferstehen. © imago images / United Archives
Von Hartwig Tegeler · 15.08.2020
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Erfinder und Wissenschaftlerinnen lieferten reichlich Stoff für die Filmgeschichte. Dabei beflügelten die genialen und kreativen Figuren insbesondere das Science-Fiction-Genre. Unsere Bestenauswahl birgt entsprechend reichlich Abgedrehtes.

Platz 5 - "Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All" von Robert Wise (1971)

Eine Raumkapsel bringt einen für Mensch wie Tier tödlichen, einzelligen Organismus aus dem All auf die Erde. Notfall-Plan: Dr. Stone begibt sich mit seinem Team ins unterirdische Sicherheitslabor unter der Wüste von New Mexiko. Verräterisch, wenn Dr. Stone nach Auslösung des Bio-Alarms auf höchster Stelle zu Hause von der Party geholt wird, dabei aber kein bisschen verzweifelt wirkt.
Was bedeuten für den Mann der Forschung schon Ehe, Familie, das normale Leben, wenn es doch die wunderbare Abschottung des wissenschaftlichen Labors gibt? Auf der psychodynamischen Ebene die Entsprechung zur Werkstatt im Keller. Bin dann mal weg! Die Welt retten! Oder – ebenso wichtig - ein neues Fliegengitter auf den Rahmen ziehen. Kann dauern!

Platz 4 - "Alien – Die Wiedergeburt" von Jean-Pierre Jeunet (1997)

Wenn der Operateur das Alien aus Ripleys Bauch schneidet, spüren wir ein urtümliches Entsetzen über eine Wissenschaft, der es primär um das technisch Machbare geht. Ein Albtraum, wenn die nun geklonte Monstertöterin im Raumschiff-Labor die missglückten ersten Stufen ihrer Klonwerdung sieht. Eines der Wesen, das sie selbst ist, aber auf grauenhafte Weise deformiert, fleht Ripley an, es zu töten. Was sie mit einem Flammenwerfer tut.
Im Hintergrund die gnadenlosen Gen-Wissenschaftler, bei denen wir albträumen, dass ihre Ebenbilder schon in den Laboren unserer Welt zu finden sein könnten. Horror ist der Tiefenstrom dieses Science-Fiction-Films.

Platz 3 - "Medicine Man – Die letzten Tage von Eden" von John McTiernan (1992)

Noch einmal Rettung der Welt. Hier durch einen schrägen Wissenschaftler. Sean Connery – sanft lächelnd, in sich ruhend. Womit er Dr. Crane, die es zu ihm in den Amazonas-Dschungel verschlägt, zur Weißglut treibt. "Es gibt 500.000 Wissenschaftler auf dieser Welt, und ich lande bei einem Späthippie mit Pferdeschwanz", meint die Wissenschaftlerin aus New York, die er nur "Dr. Bronx" nennt.
Eine Pflanze als Heilmittel gegen Krebs – Dr. Campbell hatte es gefunden, aber nun wieder verloren. Der Wissenschaftler als Held eines Öko-Märchens macht sich gut; auch als – am Ende erfolgloser – Kämpfer gegen die Abholzung des Regenwaldes. Also Wahrheitssuche im Verbund mit richtiger politischer Intention. Sean Connery mit grauem Pferdeschwanz wollen wir das gerne glauben.

Platz 2 - "Unheimliche Begegnung der dritten Art" von Steven Spielberg (1977)

Ein Besetzungs-Coup, der Spielberg gelang: die Rolle des Wissenschaftlers, der alles dafür tut, Kontakt mit Außerirdischen aufzunehmen, besetzte er mit dem französischen Regisseur François Truffaut. Der Meister der Novelle Vague strahlt in seiner flirrenden, dynamischen Körperlichkeit durchgängig ein großes Staunen aus. Staunen und Verwunderung über die Phänomene des Kosmos, denen es ohne Vorurteile oder Xenophobie zu begegnen gilt. In der Haltung des Wissenwollens.
Am Ende fragt François Truffaut, der Wissenschaftler, Richard Dreyfuss, den Elektriker, der sich mit den Außerirdischen in ihrem Raumschiff auf die Reise durchs All begeben wird: "Monsieur Neary, was sollen Sie? - Ich will nur wissen, dass das alles wirklich passiert." Das Credo von Aufklärung und Wissenschaft. Wie das der gedanklichen Freiheit bei der Suche nach Wissen und Wahrheit.

Platz 1 - "Agora – Die Säulen des Himmels" von Alejandro Amenábar (2009)

Hypatia: Dozentin für Philosophie, Mathematik und Astronomie in der Stadt Alexandria im Jahr 391 nach Christus. In den Kämpfen zwischen Christen, Juden und den Angehörigen der alten, heidnischen Kulte, versucht sie zu vermitteln. "Ich glaube an die Philosophie", das ist ihr Credo. Rachel Weisz spielt eine Denkerin, die das Plädoyer für Toleranz, Vernunft und Humanismus lebt und dafür ihr Leben gibt.
Man wird in dieser spannenden Geschichte, die vor 1600 Jahren spielt, spielend Analogien zur Gegenwart finden. Hypatia ist eine charismatische Wissenschaftlerin, die nicht getrieben ist von Profitgier oder Omnipotenzwahn, sondern die Indoktrination und Intoleranz bekämpft. Hypatia ist also als Wahrheitssuchende eine Lichtgestalt, wie sie das Kino liebt.

Und aktuell ...

Nach dem großen internationalen Erfolg von "Dark" geht Netflix am Donnerstag nun mit einer weiteren deutschen Serie an Start: "Biohackers" heißt sie – und im Zentrum steht die undurchsichtige Wissenschaftlerin Tanja Lorenz. Gespielt wird sie von Jessica Schwarz, die in ihrem Labor mit Biotechnologien von morgen experimentiert – nicht immer legal - und die an der Uni als Dozentin arbeitet. Mehr dazu hier:

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