Leitkultur-Debatte

"Jedes Beschwören von Leitkultur zeigt, dass es keine gibt"

Ein Souvenirhändler am Hauptbahnhof in München bietet Trachten-Figuren zum Verkauf.
Ein Souvenirhändler am Hauptbahnhof in München bietet Trachten-Figuren zum Verkauf. © picture alliance / dpa / Markus C. Hurek
Thomas Hecken im Gespräch mit Max Oppel · 02.05.2017
Wir sind nicht Burka, wir lesen Goethe und Schiller und geben uns zur Begrüßung die Hand - das sind einige Eckpunkte aus Innenminister de Maizières Zehn-Punkte-Katalog zur deutschen Leitkultur. Wir fragen Kulturwissenschaftler Thomas Hecken nach dem Kulturbegriff des Ministers.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat in einem Zehn-Punkte-Katalog zusammengefasst, was er unter "deutscher Leitkultur" versteht.
Für den Kulturwissenschaftler Thomas Hecken zeigt das vor allem, dass es diese deutsche Leitkultur nicht gibt.
"Man lobt die große deutsche Nationalkultur aus, sagt aber, das sei nichts, was man einem vorschreiben müsse, aber man muss es wohl offensichtlich doch vorschreiben, denn es versteht sich nicht von selbst", sagte Hecken im Deutschlandfunk Kultur. "Jedes Beschwören von Leitkultur zeigt geradezu schon, dass es keine gibt. Das ist das objektive Problem solcher Äußerungen."

Zur Kunst fällt de Maizière "rein gar nichts" ein

Grundsätzlich vertrete de Maizière mit seinem Katalog einen sehr weiten Kulturbegriff, so der Wissenschaftler. "Tendenziell fällt ja auch, sagen wir, Fußballkultur, Bierkultur, das könnte ja alles darunter fallen." Problematisch wird es für Hecken, wenn sich de Maizière zur Kunst äußert. Ansonsten seien viele Punkte "zwar konservativ, aber noch irgendwie verständlich", sagte er.
"Man merkt so richtig: im Bereich der Kunst, da fällt ihm so rein gar nichts ein, und das ist natürlich das Problem: wenn er jetzt aktuelle Künstler nennen würde, würde er nur Spaltung produzieren."

Tragen nur Künstler der Vergangenheit zur Einigung bei?

Denn es sei keinesfalls so, dass Kunst und Kultur Einigung hervorbrächten, betonte Hecken.
"Das ist das Problem: Man möchte Einigung haben, hat sie aber de facto nicht. Und indem man sie dann fordert, spaltet man noch umso mehr. Also, das ist einfach dann die Crux dieser Rede der Kulturnation."
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