Leiterin des Gesundheitsamtes Los Angeles

"Gesundheit ist ein Gemeinschaftsgut und ein Recht für alle"

04:43 Minuten
Barbara Ferrer
Sachlich und mitfühlend zugleich: Das Krisenmanagement der Gesundheitsamtsleisterin von Los Angeles kommt in der Bevölkerung gut an. © picture alliance/dpa/Xinhua/Li Ying
Von Kerstin Zilm · 14.05.2020
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Sie provoziert nicht, sie macht keine Schuldzuweisungen, sie hat keinen Twitter-Account: Barbara Ferrer ist gewissermaßen ein Anti-Trump. Im von Corona gebeutelten Los Angeles hat die Leiterin des Gesundheitsamts inzwischen Rockstar-Status.
Bis vor wenigen Monaten hat sie in Los Angeles kaum jemand gekannt. Inzwischen hat Barbara Ferrer Rockstar-Status. Dabei ist sie weder schillernd noch egozentrisch.
Jeden Tag gibt die 56-jährige Leiterin der Gesundheitsbehörde des Bezirks von Los Angeles die neusten Informationen über Infektionen, Todesfälle, Maßnahmen und Regeln bekannt – schulterlange weiße Locken, ungeschminkt, dunkler Blazer über hellem Hemd, kleiner und schlanker als fast alle anderen, die ans Podium kommen.

Sachlich und mitfühlend erklären

Jeden Tag dankt Ferrer zuerst dem Bezirksrat und allen, die die Zahlen und Daten zusammentragen. Jeden Tag wendet sie sich an Angehörige und Freunde der Verstorbenen. Jeden Tag nimmt sie sich Zeit für lokale Fernseh- und Radiostationen, um die aktuelle Lage sachlich und mitfühlend zu erklären.
Fragt sie ein Moderator provokant, was sie von Demonstranten hält, die ohne Mundschutz wütend Lockerungen der Maßnahmen fordern, antwortet die Gesundheitsexpertin, diese seien vielleicht nicht richtig informiert darüber, dass Covid-19 inzwischen die Todesursache Nummer eins in Los Angeles sei.
Geduldig beantwortet sie Fragen von Kindern, wann sie wieder an den Strand dürfen oder zum Baseball spielen. Wie sie den kranken Großeltern begegnen sollen und wo sich diejenigen testen lassen können, die gar keine Krankenversicherung haben.

Es geht nicht um ihre Person

Barbara Ferrer ist ein starker Kontrast zu Donald Trump. Provokationen und Schuldzuweisungen liegen ihr fern. Ferrer hat keinen Twitter-Account. Ihr letzter Facebook Eintrag ist fünf Jahre alt. Ihr Privatleben schützt sie vor Neugierigen. Interviews gibt sie aus ihrem kleinen Büro. Im Hintergrund: Schreibtisch und Kommode, auf denen sich Bücher, Papiere und Ordner türmen. Überall stellt sie klar: Es geht nicht um ihre Person.
Geboren ist Ferrer in Puerto Rico, sie kam zum Studium erst nach Kalifornien, dann an die US-Ostküste nach Boston. Sie hat Uni-Abschlüsse in Kunstgeschichte, Pädagogik, Gesundheitsmanagement und Sozialwesen. Sie war Direktorin einer High School, arbeitete für Stadtverwaltungen und Stiftungen, bevor sie 2017 den Job in Los Angeles bekam. Ihr Ziel – die sozialen Ungerechtigkeiten im Gesundheitssystem der USA zu bekämpfen, wie sie vor einem Jahr den Absolventen des Medizinstudiums an der University of Southern California erklärte:
"Um effektive Arbeit zu leisten, sind wir aufgefordert, mit anderen um Gerechtigkeit zu kämpfen und zu erkennen, dass Gesundheit ein Gemeinschaftsgut und ein Recht für alle ist."

Niemand auf Pandemie vorbereitet

Die Behörde, die sie in Los Angeles leitet, hat einen Haushalt von über 900 Millionen Dollar. Ferrer hat mehr als 4000 Mitarbeiter und ist für die Gesundheit von über zehn Millionen Menschen verantwortlich. Davon sind derzeit mehr als 32.000 mit dem Coronavirus infiziert. Fast 1600 sind gestorben. Los Angeles ist von allen Kommunen Kaliforniens am stärksten von der Pandemie betroffen.
Die steigende Zahl der Toten laste schwer auf ihr und ihrem Team, sagte Ferrer im Interview mit dem Fernsehsender Spectrum. Sie glaube, dass niemand auf das Ausmaß der Pandemie vorbereitet gewesen sei. Und gibt zu: Sie war es auch nicht.
Barbara Ferrer sagt auch ganz ehrlich, dass niemand weiß, wann Los Angeles wieder zum normalen Leben zurückkehren wird, wann alle Geschäfte, Bars, Sportstadien und Konzerthallen wieder geöffnet werden. Aber auch schlechte Nachrichten ändern nichts daran, dass Tausende dankbar dafür sind, von der vertrauenswürdigen Stimme Barbara Ferrers durch diese Krise begleitet zu werden.
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