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IQB Bildungstrends 2019
Deutlich schlechtere MINT-Ergebnisse in acht Bundesländern

Wie gut Neuntklässler in Mathe und Naturwissenschaften sind, hängt davon ab, in welchem Bundesland sie zur Schule gehen - so ein Fazit aus der neuen Bildungsstudie der Kultusministerkonferenz. Einige Länder haben offenbar richtig schlecht abgeschnitten.

Von Philip Banse | 18.10.2019
Der Forscher Rudolf Binder (r) beobachtet am 25.09.2015 im Schülerforschungszentrum Südwürttemberg in Bad Saulgau (Baden-Württemberg), wie Schüler Luca Braunger (Mitte) eine bestimmte Menge gefärbtes Wasser mit einer Pipette entnimmt.
Lehrer sollen lernen, ihre Fächer wie Mathe, Physik und Chemie besser zu vermitteln - denn die meisten Schüler finden MINT-Fächer schlichtweg uninteressant. (dpa/ picture alliance / Felix Kästle)
Knapp 45.000 Neuntklässler wurden getestet für den IQB Bildungstrend 2018. Wie gut sind sie in Mathe und den Naturwissenschaften? Im Schnitt über alle Bundesländer ist das Ergebnis recht eindeutig: Die Schüler und Schülerinnen der 9. Klassen sind so gut wie beim letzten Test vor sechs Jahren. Und das, obwohl mehr Schüler in Regelschulen gehen, die früher auf Sonderschulen geschickt worden wären. Und obwohl deutlich mehr Kinder mit Migrationshintergrund in die Schulen gehen - in fünf Bundesländern haben fast die Hälfte der Schüler Migrationshintergrund. Vor diesem Hintergrund sagt die Leiterin der Untersuchung, Petra Stanat:
"Stabilität angesichts der Veränderung in der Heterogenität der Schülerschaft kann man als Erfolg werten, denke ich."
Hart trifft es drei ostdeutsche Bundesländer
Doch diese bundesweite Leistungsstabilität wird eben nur im Durchschnitt erreicht, weil vier Länder mit besonders vielen Schülern deutlich besser sind als der Rest, nämlich Bayern, Sachsen, Thüringen und - mit Abstrichen - Sachsen-Anhalt. Vier Bundesländer sind so gut oder schlecht wie vor sechs Jahren, aber in acht Bundesländern sind die Schüler in Mathe und den Naturwissenschaften deutlich schlechter geworden, besonders hart trifft es drei ostdeutsche Bundesländer - unter anderem Mecklenburg-Vorpommern - die aber insgesamt immer noch im Mittelfeld landen, weil sie vor sechs Jahren sehr gut waren. Der hessische Kultusminister und Präsident der Kultusministerkonferenz Alexander Lorz auf die Frage: Warum haben besonders im Osten Länder so stark nachgelassen und warum ist Sachsen gleichzeitig so stark?
"Das ist eine Frage, die wir noch nicht abschließend beantworten können. Das ist erst mal eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme, aber in den zuständigen Ministerien rauchen bestimmt schon jetzt die Köpfe, um sich genau über diese Dinge Gedanken zu machen und das herauszufinden."
Mädchen sind bei MINT mit Jungen fast gleichauf
Und die Untersuchung wirft noch mehr Fragen auf. Denn vor allem die Schüler und Schülerinnen an den Gymnasien sind deutlich schlechter geworden in Mathe und den Naturwissenschaften - und zwar ohne, dass sich die Schülerschaft anders entwickelt hätte als in anderen Schultypen. Warum? Präsident der Kultusministerkonferenz Alexander Lorz:
"Das ist auch eine der großen Fragen, die uns diese Studie aufgibt, wo wir jetzt nach Erklärungen suchen müssen."
Interessantes fördert die Studie über den Unterschied zwischen Jungen und Mädchen zutage. Mädchen sind Jungen mittlerweile in fast allen mathematischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen ebenbürtig und oft besser.
"Aber, und das ist immer wieder frappierend, die Mädchen sind immer weniger als Jungen davon überzeugt sind, dass sie gut sind in Mathematik und Naturwissenschaften."
Sagt die Studien-Leiterin Petra Stanat.
Selbstwahrnehmung bei Jungen oft positiver
Selbstwahrnehmung und tatsächliche Leistung sind bei den Kindern also oft nicht Deckung. Jungen halten sich öfter für besser als sie sind, Mädchen halten sich für schlechter als sie sind. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe:
"Es ist ja schön, dass die Jungs nach wie vor glauben, dass sie Mathe und Naturwissenschaften die Besseren sind. Aber die Zahlen zeigen, das sind sie eigentlich nicht mehr. Und wenn wir dann noch einbeziehen die Ergebnisse der letzten Studien in Deutsch und Englisch, wo die Jungs zum Teil katastrophal abgeschnitten haben, dann kann man wohl sagen, die eigentliche Aufgabe vor der wir stehen, ist, uns darum zu kümmern, dass die Jungs diese Leistungsnachteile überwinden."
Mädchen dagegen müssten eher psychologisch gestärkt werden, dass sie wirklich gut sind, sagt Studien-Leiterin Stanat:
"Das ist deshalb auch so wichtig, weil Interesse das Selbstkonzept selbst stark beeinflusst: Welchen Leistungskurs ich wähle, welches Studienfach ich wähle, welchen Beruf ich wähle."
Aus- und Weiterbildung von Lehrern verbessern
Wer sich fragt, warum Frauen im Schnitt weniger verdienen, könnte hier also ansetzen. Was also ist zu tun, damit Schüler und Schülerinnen in Mathe, Physik, Bio und Chemie nicht nur besser werden, sondern auch in allen Bundesländern möglichst gleich gut werden? Da herrschte – das klang ja schon durch - viel Ratlosigkeit bei den anwesenden Politikern. Nur zwei konkrete Ansätze wurden genannt: Aus- und Weiterbildung von Lehrern und Lehrerinnen verbessern, damit die mit den immer gemischteren Klassen besser klarkommen und vor allem - zweitens - ihre Fächer wie Mathe, Physik und Chemie besser vermitteln können. Denn teils finden über die Hälfte der Kinder Mathe und Naturwissenschaften einfach uninteressant.