Leipziger Autoritarismus-Studie

"Die Wählerschaft der AfD ist rechtsextrem eingestellt"

Ein Plakat für die AfD im Bundestagswahlkampf 2017: Vor einem Bild mit Niqab-Trägerinnen steht "Islamisierung stoppen".
Brachiale Rhetorik auf einem Wahlplakat der AfD: Politische Repräsentation für rechte Einstellungen © imago / C. Hardt
Von Christina Lotter  · 07.11.2018
Ausländerfeindlichkeit in Deutschland nimmt laut einer Studie der Universität Leipzig kontinuierlich zu. Vor allem habe sich eines geändert, sagen die Autoren: Mit der AfD gäbe es mittlerweile eine politische Repräsentation.
Regelmäßig untersucht das Zentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Uni Leipzig, wie sich autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland seit 2002 entwickeln. Es werden dabei mehrere Dimensionen abgefragt, zum Beispiel die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus.
Die Ergebnisse zeigen, dass antisemitische Einstellungen insgesamt leicht rückläufig sind, aber Menschen mit solchen Einstellungen eher bereit sind, Gewalt anzuwenden. Ausländerfeindlichkeit, so die Studie, nimmt seit 2016 wieder zu. Sie erreicht aber nicht das hohe Niveau von 2012, das mit der damaligen schlechten Wirtschaftslage erklärt wird. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Zahl der Menschen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild. Studienautor Oliver Decker schränkt aber ein:
"Wir erfassen ja nie die Wahrheit, was die Menschen denken. Wir erfassen mit unseren Befragungen ja nur, was die Menschen von sich offenbaren."
Als Einflussfaktoren für solche Einstellungen gelten unter anderem Autoritarismus. Das bedeutet, so Decker, dass...
"...Personen, die selber eine hohe Unterwerfungsbereitschaft unter Autorität haben, diejenigen sind, die tatsächlich auch am stärksten die rechtsextreme Einstellung zeigen."

Die AfD erreicht ein Wählerreservoir, das der NPD verschlossen blieb

Daneben sind wichtige Einflussfaktoren die Nähe zu Verschwörungstheorien sowie das Gefühl, als Bürger oder Person nicht anerkannt zu werden und staatlichen Institutionen hilflos gegenüber zu stehen. Der Unterschied zwischen Ost und West ist nur insofern relevant, als dass sich die Bevölkerung in Einkommen und Bildung unterscheidet.
Oliver Decker: "Interessanterweise sind es nicht die Menschen, denen es schlecht geht – ganz klarer Befund –, sondern diejenigen, die etwas die Befürchtung haben, dass es nächstes Jahr schlechter sein könnte."
Ein entscheidender Unterschied zu früher ist die politische Repräsentation. Wählten Menschen mit autoritären Einstellungen früher gar nicht oder überwiegend die CDU/CSU oder die SPD, wählen viele von ihnen heute die AfD.
"Früher haben rechtsextrem Eingestellte nicht ihr Kreuz bei der NPD gemacht. Die NPD hatte immer das Problem, dass sie das Potenzial, dass sie so gerne abgeschöpft hätte, nicht erreicht hat. Der AfD gelingt es, dieses Wählerreservoir zu erreichen. Über die Partei der AfD, ob sie rechtsextrem ist oder nicht - das ist eine getrennte Diskussion - die Wählerschaft ist rechtsextrem eingestellt. Wir haben dort tatsächlich mehr als 40 Prozent Ausländerfeindlichkeit, wir haben den höchsten Anteil an antisemitischen Einstellungen in dieser Wählergruppe."

Haltungen, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind

Aber die Autoren der Studie stellen auch klar, dass längst noch nicht alle Menschen mit rechtsextremen Einstellungen bereits AfD-Wähler sind.
Die Studienreihe der Uni Leipzig war bisher als Mitte-Studie bekannt. Warum die Autoren Oliver Decker und Elmar Brähler sich dazu entschlossen haben, den Namen der Studie zu ändern, erläuterten sie bei der Vorstellung auch:
"Wir haben uns entschieden, vom Mitte-Begriff auf den Autoritarismus-Begriff zu wechseln, weil er analytisch viel stärker ist. Der Mitte-Begriff hat einen hohen deskriptiven Gehalt und er war tatsächlich auch so etwas wie ein Pulen in der Wunde und hat deutlich gemacht, dass die Anrufung einer Mitte als Ort des Maßes und der Mäßigung eine Fiktion ist."
Die Umbenennung zeigt auch, dass auch die Studie nun in der Mitte der Öffentlichkeit angekommen ist.

Hören Sie außerdem das Gespräch zu diesem Thema mit Paul Mecheril, Bildungswissenschaftler und Professor für Interkulturelle Bildung am Institut für Pädagogik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

Er sagt über die Ablehnung Geflüchteter: "Es geht sowohl um materielle als auch um symbolische Interessen." Die Geflüchteten, die seit 2015 nach Deutschland kommen, würden in diesem Zusammenhang als Boten ungerechter Weltverhältnisse gesehen, die einen eines Tages selbst betreffen könnten.

Die Verantwortung Europas gegenüber den Geflüchteten und den Menschenrechten stünde dann plötzlich zur Disposition, erläutert er, denn es würde auf diese Weise zu einem Eigeninteresse, Geflüchtete zurückzuweisen, "um mit den Boten die Botschaft zurückzuweisen".

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(inh)

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