Leidenschaft in all ihrer Herrlichkeit

18.07.2013
In ihrem neuen Buch erzählt Susann Pásztor von zwei Menschen, die sich Hals über Kopf verlieben, ein leidenschaftliches Wochenende miteinander verbringen - um danach für immer auseinanderzugehen. Pásztor macht das ungezügelte Begehren wieder literaturwürdig.
Wann ist es Liebe? Nach dem ersten, oft alles umstürzenden Augenblick oder dann, wenn man nicht mehr weggehen kann? Nach längerer Abstinenz werden solche Fragen um die Liebe im deutschen Gegenwartsroman wieder gern verhandelt. Selbst die Passion, das ungezügelte Begehren, bisher eher vom Trivialgenre verwaltet, sind wieder literaturwürdig. So auch in Susann Pásztors Roman. Zunächst wenig dramatisch, ist die Handlung auf wenige Tage verdichtet. In dieser Zeit vollziehen sich Verwicklungen und Leidenschaften, die das Leben der Hauptfigur vollkommen durcheinanderbringen.

Mila, eine Enddreißigerin, ist alleinstehend, kinderlos, ohne ernsthaften Job, ohne Freunde, dafür mit einem reichen Erbe ausgestattet und einer handfesten Neurose, die sie im Zwei-Wochen-Takt einer Therapeutin vorträgt. Auf deren Anraten besucht sie ein buddhistisches Schweigeseminar, wo sie Simon kennenlernt, einen verheirateten Berater für Solaranlagen. Hals über Kopf verlieben sich die beiden ineinander, tauchen für 48 Stunden in einem Hotel unter, um danach – ohne Nachnamen, E-Mail-Adressen oder Handynummern ausgetauscht zu haben - für immer auseinanderzugehen.

Doch Mila will die große Liebe nicht verlieren und setzt alles daran, diesen Mann wiederzusehen, obwohl er unmissverständlich gesagt hat, dass es eine Fortsetzung nicht geben darf. Dass die Geschichte sich an den Zutaten des Unterhaltungsromans bedient, ist unbestreitbar. Dass der Roman dabei nicht ins Triviale kippt, jedoch ebenfalls.

Denn Susann Pásztor, der mit ihrem Romanerstling "Ein fabelhafter Lügner" vor drei Jahren eine der ungewöhnlichsten Familiengeschichten über die Enkelgeneration des Holocaust gelang, ist eine geschickte Dramaturgin. Sie weiß, wie man Figuren durch getrennte Türen in die Handlung schickt, um ihr Schicksal über viele Kapitel in der Schwebe zu halten. Wie man das billige Happyend vermeidet und doch einen überraschenden Ausgang findet.
Außerdem ist die Autorin eine hellsichtig melancholische Beobachterin menschlichen Paarungsverhaltens. Nein, das ist keine Beziehung, wie man heute so gerne sagt, wenn Mann und Frau sich zusammentun; das ist eine Leidenschaft, in all ihrer Herrlichkeit, Seelennot, ihrem Katzenjammer. Und die Autorin fürchtet sich nicht davor, dem Begehren immer wieder neue Namen zu geben. Verwegen schreibt sie sich hinein in eine glühende Mitte. Mit Lakonie, mit Pathos, mit tänzelndem Leichtsinn.

Dass die Geschichte nicht in Kitsch oder Gefühligkeit abstürzt, verdankt sich ihrem allgegenwärtigen Talent zur Ironie. Dass dabei allerdings die großen Gefühle nie an die schnelle comedy verraten werden, ist ein Balanceakt. So gekonnt wie manche der Sätze, die immer mal psychologische Extrarunden drehen wie: "Sie können auch jede erfüllte Liebe in eine unerfüllte verwandeln, indem Sie ihr unnötig hinterherlaufen." Was ja nichts anderes heißt, als dass Festhalten eine Kunst ist. Loslassen aber auch. Es kommt halt auf das Timing an, auf die richtige Mischung zwischen Ernst und Spiel, im Leben wie im Roman.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Susann Pásztor: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013
246 Seiten, 8,99 Euro